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Super-Recogniser

    Super-Recogniser – in der Literatur findet auch auch die Bezeichnung Super-Recognizer – haben die angeborene Fähigkeit, ein Gesicht unter Tausenden wieder zu entdecken, d. h., sie sind im Gegensatz zu anderen Menschen besonders gut darin, Gesichter zu erkennen, denn für sie genügt es, einmal kurz ein Gesicht zu sehen und dieses auch Jahre später wiederzuerkennen. Super-Recognizer können Menschen auch dann zielsicher wiedererkennen, wenn sie sich zwischenzeitlich äußerlich verändert haben. Übrigens können Supererkenner andere Menschen trotz Masken oder Sonnenbrillen deutlich treffsicherer erkennen als normal begabte Personen. Allerdings sind nicht alle Betroffenen mit ihrer Begabung glücklich, dennn zwar sei es im Beruf mitunter ein Vorteil, wenn man sich beim nächsten Treffen an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut erinnert, doch privat hingegen kann es schnell seltsam wirken, wenn man wildfremde Menschen eindeutig wiederzuerkennen glaubt.

    Diese Fähigkeit lässt sich kaum üben, wobei nach wie vor weitgehend unbekannt ist, worauf diese Fähigkeit beruht. Da Super-Recognizer keine homogene Gruppe bilden, ist es schwierig, die zu Grunde liegenden Ursachen zu finden. Man vermutet, dass etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung diese überdurchschnittlich gute Fähigkeiten besitzen, Gesichter wiederzuerkennen.

    Diese besondere Begabung einiger Menschen wurde durch einen Zufall entdeckt, denn es wurden Menschen untersucht, die gesichtsblind sind und daher kaum oder gar nicht in der Lage sind, Gesichter wiederzuerkennen. Es wurde ein Test zur Diagnostik der Gesichtsblindheit entwickelt und man stellte dabei fest, dass es einige wenige Menschen gibt, die extrem gut darin sind, Gesichter wiederzuerkennen.

    Bisher weiß man wenig darüber, ob und was im Gehirn von Super-Recognisern anders abläuft als bei „normalen“ Menschen. Super-Recognizer zeigen nach Untersuchungen eher durchschnittliche Leistungen in den Bereichen Empathie, Intelligenz, Gedächtnis und allgemeiner Wahrnehmung, d. h., sie sind nicht mit Gedächtnissportlern zu vergleichen und besitzen wohl weder herausragende intellektuelle Gaben noch besondere visuelle Fähigkeiten. Daher brachten auch Trainings, die darauf abzielten, die Fähigkeit zur Gesichtserkennung zu optimieren, nicht zu besseren Leistungen. Ein Lerneffekt bei der Gesichtserkennung existiert zwar, der erkennbar wird, wenn man in Länder reist, in denen die Gesichter der Menschen physiognomisch stärker von denen des eigenen Kulturkreises abweichen. So fällt es meist zu Beginn schwer, einzelne Menschen zu unterscheiden und wiederzuerkennen (Other-Race-Effekt), doch je mehr Menschen mit den zunächst fremden Gesichtszügen man begegnet, desto eher gelingt es, diese auseinanderzuhalten und schließlich ebenso sicher zuzuordnen wie Gesichter aus dem eigenen Kulturkreis. Dieses Ergebnis unterstreicht, dass sich die Fähigkeit, Gesichter effizient zu verarbeiten, durch soziale Interaktion verbessern lässt.

    Dunn & de Lima Varela (2022) verglichen daher die visuelle Abtastung von Super-Recognizern, also Menschen mit überdurchschnittlichen Gesichtserkennungsfähigkeiten, mit normalen Betrachtern, indem sie die Blickposition beim Lernen und Erkennen unbekannter Gesichter erfassten. In beiden Phasen betrachteten die Teilnehmer Gesichter durch unterschiedlich große Spotlight-Öffnungen, wobei die Gesichtsinformationen in Echtzeit um ihren Fixationspunkt herum eingeschränkt wurden. Man fand bei allen Blendengrößen eine höhere Genauigkeit bei den Super-Recognizern, was beweist, dass ihre Überlegenheit nicht von der globalen Erfassung von Gesichtsinformationen abhängt, sondern auch dann deutlich wird, wenn sie gezwungen sind, eine stückweise Erfassung vorzunehmen. Außerdem fixierten Super-Recognizer mehr Gesichter, konzentrierten sich weniger auf die Augenregion und verteilten ihren Blick mehr als typische Betrachter. Diese Unterschiede waren beim Erlernen von Gesichtern am deutlichsten und stimmten mit den Trends überein, die man über das breitere Fähigkeitsspektrum hinweg beobachtete, was darauf hindeutet, dass sie Faktoren widerspiegeln, die in der breiteren Population in diesem Bereich variieren. Bis nahm man an, dass Super-Recognizer Gesichter ganzheitlich, also mehr oder weniger auf einen Blick erfassen, was durch diese Studie widerlegt sein dürfte. Auch sind diese Spezialisten offenbar besonders aufmerksame Betrachter und durch ihre speziellen Wahrnehmungs- und Merkfähigkeiten auch Superlernende.

    Die Wahrnehmungsprozesse, die den individuellen Unterschieden in der Gesichtserkennungsfähigkeit zugrunde liegen, sind noch wenig bekannt. Dunn et al. (2022) verglichen in einem weiteren Versuch das visuelle Sampling von erwachsenen Super-Recognizern mit dem von typischen erwachsenen Betrachtern, indem sie die Blickposition maßen, während sie unbekannte Gesichter lernten und erkannten. In beiden Phasen betrachteten die Teilnehmer Gesichter durch unterschiedlich große „Spotlight“-Öffnungen, wobei die Gesichtsinformationen in Echtzeit um ihren Fixationspunkt herum eingeschränkt wurden. Man fand bei allen Blendengrößen eine höhere Genauigkeit bei den Super-Recognizern, was zeigt, dass ihre Überlegenheit nicht von der globalen Erfassung von Gesichtsinformationen abhängt, sondern sich auch zeigt, wenn sie gezwungen sind, stückweise zu erfassen. Außerdem fixierten Super-Recognizer mehr Gesichter, konzentrierten sich weniger auf die Augenregion und verteilten ihren Blick mehr als typische Betrachter. Diese Unterschiede waren beim Erlernen von Gesichtern am deutlichsten und stimmten mit den Tendenzen überein, die man über das breitere Fähigkeitsspektrum hinweg beobachtet hatte, was darauf hindeutet, dass sie Faktoren widerspiegeln, die in der breiteren Population dimensional variieren.

    Von der Polizei werden Super-Recogniser etwa beim Oktoberfest in München eingesetzt, um für mehr Sicherheit während dieses Festes zu sorgen. Diese Polizisten schaffen es dank ihres fotografischen Gedächtnisses, binnen von Millisekunden einzelne Gesichter in großen Menschenmengen zu erfassen, zu erkennen und auch wiederzuerkennen. Solche Spezialermittler sollen potenzielle Gefährder erkennen, und zwar besser als ein Computer, denn Super-Recogniser erkennen ein Gesicht auch dann noch, wenn sich die oder der Betreffende etwa mit einem Hut oder einem Bart verkleidet hat.

    An der Greenwich Universität wurde ein Test entwickelt, um mehr über diese außergewöhnliche Fähigkeit zu erfahren:
    Link: https://greenwichuniversity.eu.qualtrics.com/jfe/form/SV_e3xDuCccGAdgbfT

    Der frei zugängliche “UNSW Face Test“ kann gut zwischen guten, sehr guten und außergewöhnlichen Gesichtsprofis differenzieren. Dunn et al. (2020) haben diesen besonders schwierigen Test konzipiert, bei dem sich mit anderen Verfahren entdeckten Gesichtserkennern auch durchschnittlich begabte Gesichtserkenner nur am unteren Ende der Skala finden. In einem ersten Teil muss man sich zuerst Gesichter merken und dann an sie erinnern, im zweiten Teil zwei muss man einem gegebenen Gesicht die dazugehörigen Varianten zuordnen, wobei die Bilder aus verschiedenen Zeiten stammen und von sehr unterschiedlicher Qualität sein können. Bisher haben über dreißigtausend Menschen den Test absolviert, wobei die hundert Prozent noch nie erreicht wurden, jedoch hat eine einzige Person 97 Prozent geschafft. Die meisten schaffen nicht viel mehr als die Hälfte der Aufgaben. In diesem Test beginnt die spezielle Begabung bei siebzig Prozent an, die bei anderen Methoden die volle Leistung erreichen. Schafft jemand die 70 Prozent-Hürde, führt man weitere Tests durch, um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich um besonders begabte Gesichtererkenner handelt.
    Link: https://facetest.psy.unsw.edu.au/ (Englisch und portugiesisch!)

    Daneben gibt es noch den den Glasgow Face Matching Test (Burton et al., 2010) und den Cambridge Face Memory Test (McKone et al., 2012).

    Ein weiteres Test-Verfahren zur vergleichenden Gesichtserkennung gibt es an der Londoner University of Greenwich. Hier hat das Forschungsteam einen Screening-Test auf seiner Website superRecognizers.com online gestellt: https://www.superrecognisers.com/


    In Freiburg (Schweiz) arbeitet die Polizei mit Meike Ramon und Anna Bobak und Super-Recognizern aus verschiedenen Ländern zusammen, um etwa die Suche nach Verdächtigen im Rahmen von Straftaten einzugrenzen. Mit Bild- und Videomaterial gelöster Fälle erfasst man die individuelle Treffgenauigkeit von Menschen, indem man Zivilisten, die in Labortests überdurchschnittlich gut abschnitten, Polizisten mit durchschnittlicher Fähigkeit sowie solchen, die von Kollegen für Super-Recognizer gehalten werden, Material der Kantonspolizei Freiburg präsentiert.

    Übrigens: Wenn man vermutet, eine besondere Fähigkeit zur Gesichtserkennung zu besitzen, und diese testen lassen möchte, kann man sich an Meike Ramon, kognitive Neurowissenschaftlerin an der Universität Freiburg, und das Applied Face Cognition Lab wenden: afc-lab@unifr.ch

    Literatur

    Burton, A. M., White,D. & McNeill, A. (2010). The Glasgow face matching test. Behavior Research Methods, 42, 286-291.
    Dunn, J.D., Summersby, S., Towler, A., Davis, J.P. & White, D. (2020). UNSW Face Test: A screening tool for super-recognizers. PLoS ONE, 15, doi:10.1371/journal.pone.0241747.
    Dunn, J. D. & de Lima Varela, V. P. (2022, March 14). Face information sampling in super-recognizers. https://doi.org/10.17605/OSF.IO/2B9VR.
    Dunn, James D., Varela, Victor P. L., Nicholls, Victoria I., Papinutto, Michael, White, David & Miellet, Sebastien (2022). Face-Information Sampling in Super-Recognizers. Psychological Science, 33, doi: 10.1177/09567976221096320.
    McKone, Elinor, Stokes, Sacha, Liu, Jia, Cohan, Sarah, Fiorentini, Chiara, Pidcock, Madeleine, Yovel, Galit, Broughton, Mary & Pelleg, Michel (2012).  A Robust Method of Measuring Other-Race and Other-Ethnicity Effects: The Cambridge Face Memory Test Format. PLOS ONE, 7, doi:10.1371/journal.pone.0047956.
    Stangl, W. (2022, 3. September). Welche Fähigkeiten kennzeichnen Super-Recognizer? Stangl notiert …
    https://notiert.stangl-taller.at/grundlagenforschung/welche-faehigkeiten-kennzeichnen-super-recognizer/.
    https://www.spektrum.de/news/super-recognizer-die-gesichterprofis/1503301 (18-09-27)


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    Ein Gedanke zu „Super-Recogniser“

    1. Anstrengend nicht nur für die Augen

      Die Super-Recognizerin Carmen B. ist während ihrer Einsätze hoch konzentriert, doch das ist nicht nur anstrengend für die Augen. „Wenn wir spezielle Einsätze haben, wo man 5.000 Personen abscannt und sehr konzentriert nach gesuchten Personen schaut, ist das danach wie wenn man mir den Stecker zieht“, schildert Carmen B. Danach brauche sie vor allem eines: Ruhe. „Nach mehreren solcher Einsätze kann ich zum Beispiel nicht mit Freunden in ein volles Restaurant gehen“, sagt Carmen B.
      Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/freital-pirna/polizei-super-recognizer-gesichtserkennung-fahndung-100.html (23-09-09)

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