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Early-Starter-Modell

    Das entwicklungspsychologische Early-Starter-Modell von Patterson (1982) zeichnet einen Entstehungspfad von Verhaltensproblemen bei Kindern und Jugendlichen als einen typischen Weg zur Jugend- und Erwachsenendelinquenz. Nach diesem Ansatz beginnt die kriminelle Karriere jugendlicher Straftäter schon sehr früh, wobei diese bereits im Vor- und Grundschulalter Aggressionen und antisoziales Verhalten als ein Mittel der Problemlösung kennenlernen. Die meisten delinquenten, antisozialen Jugendlichen haben demnach ihre Karriere aufgrund negativer familiärer Erfahrungen bereits im Vorschulalter begonnen, wobei die Autoren in der Erklärung auf Zwang ausübende, feindselige Erziehungsmaßnahmen rekurriert.

    Dieses Modell basiert auf einer sozial-interaktionalen Perspektive (Patterson & Yoerger, 1993), die annimmt, dass soziales Verhalten vorhersagbare Reaktionen der sozialen Umwelt hervorruft, was dazu führt, dass einige Verhaltensweisen des Individuums verstärkt werden und dadurch immer häufiger auftreten, während andere Verhaltensweisen selektiert werden. In Hinblick auf delinquentes Verhalten unterscheiden Patterson & Yoerger (1993) dabei zwei typische Verläufe: Early Starters und Late Starters. Early Starters sind daher Kinder, die bereits vor ihrem 14. Lebensjahr durch delinquentes Verhalten auffallen, während Late-Starters Jugendliche sind, die nach ihrem 14. Geburtstag erstmals delinquent werden.

    Den Ausgangspunkt bilden nach Ansicht dieses Modells ungünstige Interaktionen in der Familie, die als nötigend oder feindselig gekennzeichnet werden können, wobei nach einfachen Lernprinzipien Kinder in diesen Familien zunächst kleinere feindselige und aggressive Verhaltensweisen lernen, die jedoch spätestens bei Schuleintritt zu deutlicherem antisozialem Verhalten werden. Diese Verhaltensweisen erschweren in der Folge die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen und bilden eine schlechte Voraussetzung für Schulerfolg. Die deutlich sichtbaren Formen antisozialen Verhaltens wie Angriffe auf andere Kinder, Zornausbrüche, Ungehorsam oder Stehlen dazu, dass das Kind von Gleichaltrigen abgelehnt wird, was Leistungsprobleme in der Schule nach sich kann. Im Laufe der Schuljahre wachsen somit Defizite der bezüglich der Fähigkeit, soziale Probleme konstruktiv zu lösen, wodurch die Verhaltensprobleme immer gravierender werden und die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegenderes antisoziales und delinquentes Verhalten wächst.

    Patterson (1982) geht davon aus, dass Early Starter schon in ihrer familiären Umgebung lernen, durch antisoziale Verhaltensweisen ihre Ziele zu erreichen, und sei es auch nur, um den Bestrafungen oder dem missbräuchlichen Verhalten der Eltern zu entgehen. Ihrem antisozialen Verhalten werden keine oder nur sehr inkonsistente disziplinarische Maßnahmen entgegengesetzt. Er bezeichnet diesen Prozess der negativen Verstärkung von aggressivem und antisozialem Verhalten als coercive family process, wobei prosoziale Verhaltensweisen oder sinnvolle Problemlösestrategien den Kindern weder vermittelt noch belohnt werden. Hat sich innerhalb des Familiensystems ein bestimmtes antisoziales Verhaltensrepertoire der Kinder etabliert, so wird es von ihnen auf Lebenssituationen auch außerhalb des familiären Zusammenlebens übertragen. Die Prognosen der Early Starter sind dabei eindeutig schlechter als die Gruppe der Late Starter, da diese nicht einmal die elementarsten sozialen Problemlösekompetenzen erwerben können.

    Siehe dazu auch das Modell der Jugenddelinquenz von Moffitt (experimentell jugenddelinquent vs persistent delinquent).

    Literatur & Quellen

    Lück, M., Strüber D. & Roth, G. (Hrsg.) (2005). Psychobiologische Grundlagen aggressiven und gewalttätigen Verhaltens. Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg.
    Patterson, G. R. (1982). Coercive Family Process. Eugene, OR: Castalia.
    Patterson, G. R. & Yoerger, K. (1993). Developmental models for delinquent behavior. In S. Hodgins (Eds.), Mental Disorder and Crime. Newbury Park: Sage Publications.
    Stangl, W. (2017). Bedingungen für die Entstehung von Gewalt bei Jugendlichen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/JUGENDALTER/Entstehung-Gewalt-Jugendliche.shtml (2017-11-12).


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