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Neopositivismus

    Der Neopositivismus, auch als logischer Empirismus oder logischer Positivismus bezeichnet, ist eine wissenschaftstheoretische Position, die zu den einflussreichsten philosophischen Richtungen des vorigen Jahrhunderts zählt. Der Wiener Kreis, eine Vereinigung von Philosophen und philosophisch interessierten Naturwissenschaftlern, zu der u.a. Ernst Mach, Moritz Schlick, Rudolf Carnap und Otto Neurath entwickelte den Positivismus Auguste Comtes weiter zum Neopositivismus, indem sie eine an den Naturwissenschaften orientierte Methodologie konzipierten, die zur Grundlage aller Wissenschaften, somit auch der Sozial- und Geisteswissenschaften werden sollte. Die logischen Empiristen erkannten, dass einem die Natur nicht sagen kann, was man an ihr beobachten soll, sondern der Forscher muss schon vorher wissen, was er beobachten will. Er muss also Kriterien haben, nach denen er aus der unendlichen Menge von Beobachtbarem auswählen kann. Wissenschaft beginnt daher nicht mit der Erfahrung, sondern mit theoretischen Konzeptionen.

    Man kann das Programm des Neopositivismus damit umschreiben, dass explizit die Vorstellung fallen gelassen wird, Erkenntnis und Wissenserwerb unmittelbar mit dem Wahrnehmungsakt erfolgt, sondern subjektive Erfahrung muss immer erst selbst in Sätzen protokolliert werden (Protokollsätze) und eine Theorie muss nach festzulegenden Sinnkriterien aus Beobachtungssätzen abgeleitet, d. h., induziert werden. Der Neopositivismus verbindet also den naiven Empirismus mit dem Rationalismus. Der Aufbau aller Erkenntnis geschieht nach logischen Gesetzen und basiert auf Erfahrung. Zentral für die Ideen des Wiener Kreises ist daher auch die Problematisierung der Bedeutung von Sprache als Vermittlungsinstanz von Erkenntnis und Erfahrungen, die auch die Basis für das Postulat einer Einheitswissenschaft darstellt.

    Eines der Hauptanliegen des Neopositivismus war es letztlich, genaue Kriterien angeben zu können, nach denen man wissenschaftliche bzw. philosophische Methoden als gültig bzw. ungültig beurteilen kann. Wichtiges Motiv dafür war wohl der Vergleich zwischen der Entwicklung der empirischen Wissenschaften einerseits und der Philosophie andererseits. Der Neopositivismus fordert für eine Wissenschaft, dass alle bedeutungsvollen Aussagen entweder direkt auf Protokollsätze bzw. Beobachtungssätze (Aufzeichnungen der Protokolle unmittelbarer Erlebnisinhalte) reduziert werden können, oder zumindest in eine logische Relation zu Beobachtungssätzen gebracht werden können, so dass sie durch akzeptierte Beobachtungssätze bestätigt bzw. geprüft werden können. Die akzeptierten Beobachtungssätze werden dabei als intersubjektive Übereinkunft unter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen oder Konvention angesehen, jedoch nicht als absolut gesicherte Basis, auch wenn ihnen aber nicht ein objektiver Gehalt abgesprochen wird.
    Wesentlich ist dabei die Verwendung der Sprache, in der Wissenschaft betrieben wird. Die Philosophie des Neopositivismus hat dabei die Problematik der Protokollsätze im Rahmen der wissenschaftlichen Aussagen, die Unvermeidbarkeit von metaphysischen, d. h., nicht-verifizierbaren Aussagen, und wohl auch die verschiedenen Möglichkeiten, einen normalsprachlichen Satz logisch zu formalisieren, zu zeigen versucht, doch bleibt das neopositivistische Konzept der logischen Syntax als Wissenschaftssprache insgesamt unlösbar. Das neupositivistische Ansatz hinsichtlich der Sprachverwendung drückt sich dabei am klarsten in Ludwig Wittgensteins Tractatus aus: „Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen“. Zu dieser Klarheit gehört es in jedem Fall, mit den Kategorien einer natürlichen Sprache sorgfältig umzugehen und nicht alles, was sich substantivieren lässt, als realen Gegenstand in die wissenschaftliche Diskussion einzubringen.
    Poppers spätere Ausführungen zu einer Ethik der Wissenschaftssprache entsprechen trotz seiner grundsätzlich anderen wissenschaftstheoretischen Position durchaus dem neopositivistischen Ideal und damit Wittgensteins Forderung nach einer klaren Sprache, jedoch verhindert dieses dennoch nicht Aussagen, die einerseits zwar richtig sind, aber andererseits keinen Erkenntnisgewinn oder Erkenntnisfortschritt mit sich bringen. Poppers Vorstellung von einer verbindlichen Wissenschaftssprache entspricht dabei im weitesten Sinn durchaus einer neopositivistischen Sprachethik und belegt damit wohl ihre Geltung über den Neopositivismus hinaus und verweist ein wohl letztlich unlösbares Problem, dem sich jede Wissenschaft zu stellen hat.

    Literatur

    Stangl, W. (1992). Der kritische Theorieansatz. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPAEDAGOGIK/ModellKritisch.shtml (92-08-02)
    Stigler, Hubert (1996). Methodologie. Vorlesungskriptum. Universität Graz.
    WWW: ftp://gewi.kfunigraz.ac.at/pub/texte/meth.doc (98-01-03)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Logischer_Empirismus (12-01-04)

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