Systemisches Denken ist ein wissenschaftliches Paradigma, das in vielen Disziplinen Fuß gefasst hat und sich mit der Vielzahl von Wechselwirkungen in komplexen Systemen beschäftigt. Es basiert zum einen auf systemtheoretischen Überlegungen, die Aufbau, Funktionen und Interaktionsprozesse von Systemen in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen, und zum anderen auf konstruktivistischen Annahmen. Wahlweise wird dadurch die Konstruktion von Komplexität möglich, etwa durch das Wahrnehmen anderer Perspektiven, oder die Reduktion von Komplexität, etwa durch das Einnehmen einer Außenperspektive.
Die Grundlagen des systemischen Denkens liegen in der Mathematik und der Physik, wobei die Relativitätstheorie und Quantenphysik die Hauptbeiträge zu diesem Verständnis lieferten. Die Welt wird in diesem Zusammenhang nicht mehr in einem primitiven Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gesehen, sondern als ein organisiertes Ganzes, in dem jeder Teil von allen anderen Teilen mitbestimmt ist. Es entsteht dabei eine spezifische Struktur durch ihre gegenseitige Beziehung, sodass die eindimensionale Weltsicht, die Phänomene auf einen Punkt oder Augenblick reduziert, damit überwunden wird. Diesen Wandel innerhalb der naturwissenschaftlichen Forschung unternahmen etwa Planck, Einstein, Bohr, Schrödinger oder Heisenberg, die einen Perspektivenwechsel initiierten, der einerseits das Weltbild und andererseits auch die gängigen Konzepte zur Erforschung menschlicher Entwicklung auf eine neue Basis gestellt hat. Die Systemsicht erfordert es, linear-kausale Erklärungen sozialen Verhaltens zurückzustellen und ein eher zirkuläres Modell zu entwickeln, wobei das Grundmodell dieses interaktiven Systems der kybernetische Regelkreis darstellt. Nach ihm sind an der Aufrechterhaltung eines Systems alle Systemteile beteiligt, d. h., es kann ein Subsystem die restlichen beteiligten Systeme nicht kontrollieren.