Das Kovariationsprinzip – covariation principle – in der Erweiterung der klassischen Attributionstheorie durch Kelley (1973) besagt, dass Beobachtungsergebnisse denjenigen Bedingungen zugeschrieben werden, mit denen sie wiederholt gemeinsam beobachtet wurden, wobei es danach darauf ankommt, welche Zusammenhänge zwischen Verhalten und möglichen Ursachen vom Individuum subjektiv wahrgenommen werden.
Beim Kovariationsprinzip wird also ein Ereignis auf diejenige Bedingung zurückgeführt, mit der es über die Zeit kovariiert. Kelley unterscheidet zwischen drei Bedingungen: die Reizgegebenheit (bzw. das Objekt), die Person und die Modalität (bzw. die Zeit). Abhängig von der Art der Informationen, die einem Beobachter zur Verfügung stehen, findet eine Attribution auf eine der drei Bedingungen statt. Die Art der Information wird dabei durch drei Merkmale gekennzeichnet: Konsensus, Distinktheit und Konsistenz.
- Der Konsensus wird als hoch bezeichnet, wenn alle Personen den gleichen Effekt wahrnehmen und als niedrig, wenn nur bestimmte Personen den Effekt wahrnehmen.
- Die Distinktheit ist hoch, wenn der Effekt nur bei dem beobachteten Stimulus auftritt und niedrig, wenn der Effekt unabhängig vom Objekt bzw. Stimulus ist.
- Die Konsistenz ist hoch, wenn der Effekt immer und unter verschiedenen Umständen auftritt und niedrig, wenn der Effekt nicht immer auftritt und von bestimmten Umständen abhängig ist.
Je nach Konstellation dieser drei Informationsmerkmale findet dann eine Attribution statt. Liegt nur eine einzelne Beobachtung vor, werden Attributionen auf Grund kausaler Schemata (Konfigurationen) vorgenommen, wobei Beobachter auf Grund von Erfahrungen oder anderen expliziten oder impliziten Lernprozessen ein Repertoire von Schemata über die Zusammenhänge von bestimmten Ursachen und Wirkungen entwickelt haben. Nach dem Schema der multiplen hinreichenden Ursachen (multiple sufficient causes) können verschiedene Ursachen denselben Effekt hervorrufen und jede der Ursachen reicht für sich allein aus, diesen Effekt hervorzubringen (disjunktive Ursache-Wirkungs-Beziehung). Das Schema der multiplen hinreichenden Ursachen geht oftmals mit dem Abwertungsprinzip (discounting principle) einher, so dass bei Vorliegen verschiedener Ursachen für denselben Effekt die Rolle einzelner Ursachen abgewertet wird. Es kann aber auch das Aufwertungsprinzip (augmentation principle) zum Tragen kommen, das davon ausgeht, dass der Einfluss einer bestimmten Ursache aufgewertet wird, wenn ein Effekt trotz des Vorliegens weiterer, hemmender Ursachen auftritt. Das Schema der multiplen notwendigen Ursachen (multiple necessary causes), nach dem verschiedene Ursachen gemeinsam wirksam sein müssen, um den Effekt hervorzurufen (konjunktive Ursache-Wirkungs-Beziehung), wird meist nur bei ungewöhnlichen oder extrem ausgeprägten Effekten vom Beobachter angewendet.
Im Prinzip wertet man seine Beobachtungen so aus, wie es die Varianzanalyse tut: Als (wichtigste) Ursache gilt derjenige Faktor, dessen Variation (bzw. Konstanz) am meisten mit der Variation (bzw. Konstanz) des beobachteten und zu erklärenden Verhaltens übereinstimmt. Varianzanalytisch ausgedrückt: Als Hauptursache gilt, was den größten Anteil zur Aufklärung der Varianz der abhängigen Variablen leistet. Menschen attribuieren aber auch auf der Basis einer einzigen Beobachtung, wobei dann auf gelernte Zusammenhänge (kausale Schemata) zurückgegriffen wird. In diesem Fall gilt nach Kelley der Vernachlässigungseffekt (discounting effect).
Literatur
Kelley, Harold H. (1973). Process of Causal Attribution. American Psychologist, 28, 107-128.