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Kooperationsbereitschaft

    Kooperationsbereitschaft ist die Fähigkeit eines oder mehrerer Menschen, die eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen anderer in gemeinsamen Aktivitäten abzustimmen. Kooperation bezeichnet in dieser Zusammenhang die Zusammenarbeit von Menschen, Gruppen oder Organisationen. Kooperation auf einer zwischenmenschlichen Ebene ist von der Bereitschaft eines Menschen gekenntzeichnet, sich auf die persönlichen Wünsche und Ziele eines anderen einzulassen. Eine Kooperation hat immer zum Ziel, gemeinsam mehr zu erreichen als alleine, wobei kooperatives Verhalten im Allgemeinen als erwünscht gilt.

    Menschen und auch viele Tiere hatten entwicklungsgeschichtlich betrachtet allein wohl keine große Überlebenschancen und schlossen sich deshalb anderen Menschen an. Das Leben in Gruppen und die besonderen Formen der Kommunikation und der Kooperation, die sich beim Zusammenleben der Menschen entwickelten, waren die Grundbedingung für das erfolgreiche Überleben, die als Einzelne Raubtieren und auch ihren Beutetieren an Muskelkraft und Geschwindigkeit erheblich unterlegen waren (Elias, 1987).

    Kooperation und Kommunikation haben sich beim Menschen dabei wahrscheinlich gemeinsam entwickelt, denn Kommunikation erleichtert kooperatives Verhalten, woraus dann in der Folge möglicherweise ausgefeiltere sprachliche Fähigkeiten entstanden sind. Mine et al. (2022) haben die Rolle von Vokalsignalen bei einem kooperativen Gruppenverhaltens bei der Jagd wilder Schimpansen untersucht, und zwar im Rahmen des Kibale-Schimpansenprojekts im Kibale Nationalpark in Uganda. Zunächst konnten sie zeigten, dass Belllaute, die vor dem Beginn der Jagd erzeugt werden, zuverlässige Signale für die Verhaltensmotivation sind, wobei diejenigen, die bellen, mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Jagd teilnehmen werden. Weiter stellte man fest, dass Bellen mit einer größeren Rekrutierung von Jägern und einer effektiveren Jagd verbunden war, und zwar mit kürzeren Latenzen bis zum Beginn der Jagd und dem Ergreifen der Beute. Dieses Verhalten der Schimpansen bei der Jagd stellt damit wohl den Vorläufer eines typischen Zusammenspiels von Kommunikation und Kooperation dar, denn das Gebell erleichtert den Schimpansen möglicherweise nicht nur Entscheidungen darüber, ob und wie schnell sie sich ihren Artgenossen bei der Jagd anschließen, sondern beeinflusst auch die Gruppendynamik, d. h., das Jagen ist erfolgreicher, wenn gebellt wird. Diese Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die koevolutionäre Beziehung zwischen vokaler Kommunikation und Kooperation auf Gruppenebene nicht nur beim Menschen besteht, sondern wahrscheinlich schon bei unserem letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen vorhanden gewesen war. Die Verbindung zwischen stimmlicher Kommunikation und Kooperation auf Gruppenebene ist offenbar ein gemeinsames Merkmal von Menschen und Schimpansen.

    Die Ursachen für Kooperation und Hilfsbereitschaft als ein prägendes Merkmal menschlicher Gesellschaften und Erklärungen ihrer Entwicklung sind in vielen Aspekten unklar. Obwohl eine positive Auswahl von Kooperationspartnern als eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Zusammenarbeit anerkannt ist, sind die Mechanismen für die Auswahl undeutlich.  Smith et al. (2018) analysierten vier Jahre lang Daten aus einem Spiel mit öffentlichen Gütern bei nomadischen Hadza-Jägern und Sammlern in Tansania. Die Daten wurden aus 56 unterschiedlichen Lagern gesammelt, darunter 383 Einzelpersonen, von denen für 137 Personen Daten für zwei oder mehr Jahre vorliegen. Trotz der signifikanten Vermischung von Wohngebieten beobachten wir ein robustes Strukturmuster, das für die Entwicklung der Zusammenarbeit notwendig ist: in jedem Jahr wiesen die Hadza-Camps eine hohe Variation der Zusammenarbeit zwischen den Lagern und eine niedrige Variation innerhalb der Lager auf.  Es gab also keine Hinweise darauf, dass das kooperative Verhalten innerhalb der Individuen im Laufe der Zeit stabil beleibt oder dass die Ähnlichkeit in der Zusammenarbeit zwischen Dyaden ihr zukünftiges Zusammenleben vorhersagen kann. Beide Ergebnisse stimmen nicht mit bisherigen Modellen überein, die von stabilen kooperativen und egoistischen Persönlichekeiten ausgehen. Der stärkste Prädiktor für den Grad der Zusammenarbeit eines Individuums war in den Untersuchungen die mittlere Kooperation der derzeitigen Lagergenossen. Diese Ergebnisse unterstreichen den adaptiven Charakter der menschlichen Zusammenarbeit – insbesondere ihre Reaktionsfähigkeit auf soziale Kontexte – ein Merkmal, das wichtig ist, um die für die Entwicklung der Zusammenarbeit erforderliche Hilfsbereitschaft zu generieren.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Sozialpsychologische Experimente zeigen, dass Menschen im Sinne gemeinsamer Vorteile vorausschauend handeln können, indem sie kurzfristige Eigeninteressen zurückstellen. Menschen haben dabei im Unterschied zu anderen Primaten offenbar eine Neigung dazu, sich fair und kooperativ zu verhalten, sodass man Gesellschaften mit relativ egalitären Verhältnissen als ein Erfolgsmodell der menschlichen Evolution betrachten kann. Studien bestätigen auch, dass der innere Zusammenhalt und die wirtschaftliche Produktivität von Gesellschaften zunehmen, wenn sie die soziale Ungleichheit relativ gering halten und Teilhaberechte großzügig einräumen. Allerdings zeigt sich auch, dass egalitäre Verhältnisse meist nur dann Bestand haben, solange ein bestimmter Druck von außen den inneren Zusammenhalt besonders notwendig macht. So geht etwa der Sozialausbau in den westlichen Demokratien im Anschluss an die beiden Weltkriege vor allem auf den Druck durch die Blockkonfrontation zwischen West und Ost zurück, d. h., in Perioden ohne eine permanente äußere Bedrohung haben Gesellschaften die starke Tendenz, eine größere Ungleichheit auszubilden.

    Literatur

    Elias, N. (1987). On Human Beings and their Emotions: A Process-Sociological Essay. Theory, Culture & Society, 4, 339–361.
    Mine, Joseph G., Slocombe, Katie E., Willems, Erik P., Gilby, Ian C., Yu, Miranda, Thompson, Melissa Emery, Muller, Martin N., Wrangham, Richard W., Townsend, Simon W. & Machanda, Zarin P. (2022). Vocal signals facilitate cooperative hunting in wild chimpanzees. Science Advances, 8, doi:10.1126/sciadv.abo5553.
    Pauen, M. (2019). Macht und soziale Intelligenz. Warum moderne Gesellschaften zu scheitern drohen. Frankfurt: S. Fischer.
    Smith, Kristopher M., Larroucau, Tomás, Mabulla, Ibrahim A., Apicella, Coren L. (2018). Hunter-Gatherers Maintain Assortativity in Cooperation despite High Levels of Residential Change and Mixing. Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2018.07.064.
    Stangl, W. (2022, 1. August). Wie Kooperation und Kommunikation entstanden sein könnten. Stangl notiert …
    https:// notiert.stangl-taller.at/grundlagenforschung/wie-kooperation-und-kommunikation-entstanden-sein-koennten/


    Zitiert in

    Pastoors S., Ebert H. (2019) Bereitschaft zur Kooperation. In: Psychologische Grundlagen zwischenmenschlicher Kooperation. essentials. Springer, Wiesbaden.


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