Sadismus bezeichnet die sexuell betonte Lust an Unterwerfung und Grausamkeit, benannt nach dem Marquis de Sade, in dessen Werken diese sexuelle Präferenz eine zentrale Rolle spielt. Die Lust an Aggression und Zerstörung entstammt nach psychoanalytischer Auffassung dem Destruktionstrieb, der sich auch gegen die eigene Person wenden kann. Die auffälligste Form der Vermischung ist der erotische Sadismus und sein Gegenstück, der Masochismus. Die Lust, zu herrschen und leiden zu machen, ist untrennbar verbunden mit der Lust, beherrscht zu werden und selbst zu leiden. So spricht man oft von Sadomasochismus oder von Algolagnie (Schmerzwollust).
Zumindest bei Mäusen fand man eine Hormon-Andockstelle (Melanocortin-4-Rezeptor), an der sich negative Wahrnehmungen in positive verwandeln lassen, da dort offenbar angenehme und unangenehme Wahrnehmungen im Gehirn gleichermaßen verarbeitet werden (Klawonn et al., 2018). Wird dieser Rezeptor nämlich blockiert, nehmen diese Tiere unangenehme Erfahrungen wie Fieber, Schmerz und Übelkeit nicht mehr als negativ wahr, sondern werden vermutlich sogar als positiv erlebt. Das Gehirn hat offenbar eine Neuronenverbindung (Nucleus arcuatus) entwickelt, in der sowohl positive wie negative Wahrnehmung unter der Kontrolle eines einzelnen Rezeptortyps verarbeitet werden. Möglicherweise ist dies in der Evolution wichtig gewesen, um bei Bedarf schnell die Wahrnehmung bestimmter Umweltreize zu verändern. Ob es diesen Mechanismus auch bei Menschen gibt, ist noch nicht klar. Für Menschen könnte das auch klinische Relevanz erhalten, denn bei chronisch entzündlichen Erkrankungen ist der Leidensdruck durch Unwohlsein sehr groß, führt zu Motivationsverlust und erhöht das Risiko, dass sich Depressionen als Begleiterscheinung einstellen.
An die Stelle des körperlichen Schmerzes kann die Demütigung und Beschämung treten. Diese Tendenzen sind bei jedem Menschen vorhanden, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Wie sich beide Aspekte entwickeln, hängt von Erfahrungen in frühen Entwicklungsstadien ab, besonders in der frühkindlichen Phase, die deshalb in der Psychoanalyse auch als anal-sadistisch bezeichnet wird, da sie sich in ihr gemeinsam mit der analen Erotik entwickeln (Trotzalter). In der normalen Erotik des Erwachsenen tragen demnach die sadistischen Triebkräfte beim Mann zu aggressiver Aktivität bei, ohne die er sexuell nicht funktionsfähig wäre, wozu bei der Frau spiegelbildlich ein gewisses Maß an Passivität als masochistisch bezeichnet werden kann.
Psychologen sind sich weitgehend einig, dass sozial unerwünschte Eigenschaften auch im subklinischen Bereich bei normal integrierten Menschen mit weitgehend unauffälliger Lebensführung auftreten, denn so findet man häufig bei Führungskräften mit Sadismus korrelierte Persönlichkeitseigenschaften wie eine große Gefühlskälte und Ich-Bezogenheit.
Sadismus kann sich auch daraus entwickeln, dass Menschen wie etwa in einem Krieg zunächst aus anderen Motiven heraus töten, sich aber daran gewöhnen und schließlich merken, dass ihnen das Töten Spaß macht. Vor allem Menschen, die ursprünglich aus Idealismus in einen Krieg zogen, können allmählich Spaß am Töten gewinnen, denn ihre Gefühle wurden durch schlimme Erfahrungen in einen negativen Zustand versetzt und sie versuchen, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem sie positive Gefühle mobilisieren. Dies gelingt immer besser, je öfter sich dieser Prozess wiederholt und am Ende können die positiven Gefühle sogar überwiegen, sodass aus Schrecken Freude geworden ist.
Auch Trolle in Online-Foren, Newsgroups, Mailinglists und Chats, die bösartige Kommentare verfassen, meist ohne ihre Opfer zu kennen, wissen genau, dass sie andere Menschen damit treffen und sogar unglücklich machen, was auf eine sadistische Ader schließen lässt.
Der Sadismus scheint allgemein betrachtet Ausdruck einer lebensfeindlichen Einstellung zu sein, die in der Kindheit entwickelt wurde, in der die Bedürfnisse des Kindes nach Zuwendung, Geborgenheit und Bestätigung nicht erfüllt wurden, sondern das Kind eine Spaltung zwischen seinen Gefühlen und Wünschen auf der einen und den Ansprüchen einer kontrollierenden, strengen Umwelt auf der anderen Seite verinnerlichen musste.
Literatur
Klawonn, Anna Mathia, Fritz, Michael, Nilsson, Anna, Bonaventura, Jordi, Shionoya, Kiseko, Mirrasekhian, Elahe, Karlsson, Urban, Jaarola, Maarit, Granseth, Björn, Blomqvist, Anders, Michaelides, Michael & Engblom, David (2018). Motivational valence is determined by striatal melanocortin 4 receptors. The Journal of Clinical Investigation, 128, 3160-3170.