Theaterpädagogik bezeichnet in der Pädagogischen Psychologie ein handlungsorientiertes, ästhetisches Lern- und Bildungsverfahren, das theatrale Methoden nutzt, um individuelle Entwicklungsprozesse, soziale Kompetenzen und reflexive Fähigkeiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern. Im Zentrum steht nicht die künstlerische Perfektion, sondern der pädagogische Mehrwert des darstellenden Spiels. Theaterpädagogische Ansätze gehen davon aus, dass Menschen durch Körperausdruck, Rollenübernahme und das Erkunden imaginierter Situationen Zugang zu eigenen Emotionen, Denkweisen und sozialen Mustern erhalten. Dieser erfahrungsbezogene Zugang unterstützt sowohl kognitive als auch sozial-emotionale Lernprozesse und ermöglicht eine vertiefte Auseinandersetzung mit persönlichen und gesellschaftlichen Themen.
Typische Methoden sind Improvisation, Rollenspiel, Standbilder, biografisches Theater oder Forumtheater. So kann etwa in einer Schulklasse ein Konflikt mithilfe von Standbildern dargestellt werden, um Perspektivwechsel zu üben und gemeinsame Lösungen zu entwickeln; in der Jugendarbeit kann Improvisation genutzt werden, um Selbstwertgefühl und kommunikative Fähigkeiten zu stärken; in der Erwachsenenbildung dienen theaterpädagogische Übungen häufig der Reflexion beruflicher Rollen und der Förderung von Teamprozessen.
Theaterpädagogik ist zudem eng mit Konzepten des sozialen Lernens, der konstruktivistischen Lerntheorie und der erfahrungsorientierten Pädagogik verknüpft, da sie authentische Lernumgebungen schafft, in denen Teilnehmende handelnd Bedeutungen aushandeln und internalisieren. In der pädagogischen Psychologie wird ihr Wirkpotenzial insbesondere in der Förderung von Empathie, Perspektivenübernahme, emotionaler Regulation, Kreativität und Kooperation beschrieben.
Die einschlägige Forschung zeigt, dass theaterpädagogische Interventionen positive Effekte auf Selbstwirksamkeit, soziale Integration und Problemlösefähigkeiten haben können. Gleichzeitig betonen Autorinnen und Autoren, dass der Erfolg solcher Maßnahmen von der professionellen Anleitung, der Freiwilligkeit der Teilnahme und einem sicheren Rahmen abhängt, in dem Experimente und persönliches Ausdrucksverhalten möglich sind. Theaterpädagogik verbindet damit pädagogische Zielsetzungen mit kunstbasiertem Ausdruck und schafft Erfahrungsräume, die sowohl persönliche Entwicklung als auch soziale Lernprozesse unterstützen.
Literatur
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Hentschel, U. (2010). Theaterpädagogik: Grundlagen – Methoden – Praxisfelder. Beltz Juventa.
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Liebau, E., Zirfas, J., & Mörsch, A. (Hrsg.). (2009). Theater und Schule: Ein Handbuch. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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Schewe, M., & Woodhouse, F. (Hrsg.). (2017). Theaterpädagogik in Forschung und Lehre. Schibri-Verlag.