Hangxiety

Unter dem umgangssprachlichen Begriff Hangxiety, zusammengesetzt aus „hangover“ (Kater) und „anxiety“ (Angst), versteht man eine spezifische Form von Ängstlichkeit beziehungsweise Unruhe, die im Anschluss an übermäßigen Alkoholkonsum auftreten kann. Obwohl kein eigenständiges klinisches Krankheitsbild im Sinne des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) darstellt, findet „Hangxiety“ zunehmend Beachtung in der psychologischen Gesundheits­beratung und der Suchtforschung.

Typischerweise beginnt Hangxiety in den Stunden nach dem Ausschank bzw. wenn der Alkoholspiegel im Körper bereits abfällt bzw. ausgeschieden wird. Betroffene berichten von Symptomen wie innerer Unruhe, beschleunigtem Herzschlag, nervösem Gedankenkarussell („Was habe ich getan?“, „Habe ich mich blamiert?“), gedrückter Stimmung, Gereiztheit oder einem Gefühl des drohenden Unheils – und zwar zusätzlich zu den herkömmlichen Kater­erscheinungen wie Kopfschmerz, Übelkeit, Müdigkeit oder Konzentrations­schwierigkeiten.

Die Ursachen für Hangxiety sind multifaktoriell und beruhen sowohl auf biochemischen Prozessen im Körper als auch auf psychologischen Mechanismen. Biochemisch wirkt Alkohol im Gehirn zunächst entspannend, indem er das inhibitory wirkende Neurotransmittersystem um GABA (gamma‑Aminobuttersäure) verstärkt – das führt zu einer Reduktion neuronaler Erregung und lässt Menschen sich gelöster fühlen. Zeitgleich wird das erregende System des Glutamat gehemmt. Mit dem Abklingen des Alkoholeffekts erfolgt jedoch ein sogenannter „Rebound“-Effekt: GABA-Aktivität nimmt ab, Glutamat-Aktivität steigt, das sympathische Nervensystem und Stresshormone können hochgefahren werden – resultierend in erhöhter Ängstlichkeit. Zudem führen typische Begleit­faktoren eines Katers — wie Dehydration, Blutzuckerschwankungen, Schlaf­unterbrechung oder Alkoholvergiftungs­rückstände — ebenfalls dazu, dass das Nervensystem belasteter und damit anfälliger für Angstgefühle wird. Psychologisch kommt hinzu, dass Alkoholkonsum die Hemmschwelle senkt, wodurch im betrunkenen Zustand Handlungen, Worte oder Verhaltensweisen auftreten können, die sonst vermieden würden. Am nächsten Morgen kann das Erinnern oder Vermuten solcher Handlungen zu Schuld-, Scham- oder Besorgnisgefühlen führen – und damit die Hangxiety begünstigen. Weiterhin zeigt sich, dass Menschen mit einer vorbestehenden Angst- oder Stimmungserkrankung oder mit sozialer Ängstlichkeit überdurchschnittlich häufig von Hangxiety betroffen sind.

Ein Beispiel: Jemand trinkt – etwa bei einer Party – deutlich mehr Alkohol als üblich, erlebt einen erregten, enthemmten Abend. Am folgenden Morgen wacht die Person mit Kopfschmerz und Übelkeit auf und spürt zusätzlich, dass das Herz rast, Gedanken wie „Habe ich etwas Dummes gesagt?“ oder „Was machen meine Freunde über mich?“ kreisen, jede Geräuschquelle wirkt überreizt, das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, ist stark. Diese Kombination aus physischer Kater-Symptomen und psychischer Unruhe lässt sich treffend als Hangxiety beschreiben.

Aus klinischer Sicht ist wichtig: Wenn Hangxiety regelmäßig auftritt, stark ausgeprägt ist oder länger anhält, kann dies ein Warnzeichen sein für problematischen Alkoholkonsum, eine mögliche Entwicklung einer Alkohol­gebrauchs­störung oder die Verstärkung einer bereits bestehenden Angst­störung. So weisen Fachinformationen darauf hin, dass wiederholte nächtliche Enthemmungs- und morgendliche Angstzustände die Kriterien für eine entsprechende Diagnostik berühren könnten. In der Praxis wird geraten, beim Auftreten von Hangxiety wenigstens eine Pause vom Alkoholkonsum einzulegen, auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ernährungsbewusste Mahlzeiten und guten Schlaf zu achten sowie gegebenenfalls psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Hangxiety ist demnach ein gut zu beobachtendes Syndrom im Umfeld von Alkoholkonsum, das zeigt, wie tiefgehend die Wirkung von Alkohol auf Gehirn, Körper und Psyche ist. Es eignet sich besonders zur Sensibilisierung dafür, dass ein vermeintlich „harmloses“ Trinken auch unerwünschte Folgen für die psychische Befindlichkeit haben kann – und dass eine moderate bis verhaltensbewusste Haltung gegenüber Alkohol sowohl körperliche als auch seelische Vorteile haben kann.

Hinweis: Bei diesem Phänomen bzw. Begriff handelt es sich um ein populärwissenschaftliches Konstrukt, das in Lifestyle-Magazinen und in der Ratgeberliteratur herumgeistert, also um keinen genuin wissenschaftlich-psychologischen Fachbegriff. Solche Begriffe werden aber dann hier aufgenommen, wenn sie Beziehungen zu klassischen psychologischen Phänomenen aufweisen.

Literatur

Alcohol & Drug Foundation. (2023, 21. Februar). What is hangxiety?
WWW: https://adf.org.au/insights/what-is-hangxiety/
Gora, A. (2024, 13. März). What is ‘hangxiety’ and why do some people experience it? Live Science.
WWW: https://www.livescience.com/what-is-hanxiety
Newport Institute. (o. J.). Hangxiety: The link between alcohol and anxiety.
WWW: https://www.newportinstitute.com/resources/co-occurring-disorders/hangxiety/


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