Künstlerische Intelligenz bezeichnet aus psychologischer Sicht die Fähigkeit, ästhetische Erfahrungen zu verarbeiten, kreative Ideen zu generieren und diese in künstlerischer Form auszudrücken. Sie umfasst sowohl kognitive als auch emotionale Komponenten und steht im Zusammenhang mit divergenten Denkprozessen, der Imaginationsfähigkeit sowie der Sensitivität gegenüber ästhetischen Reizen. Künstlerische Intelligenz gilt dabei als Teilbereich kreativer Intelligenz und wird häufig mit dem Konzept der multiplen Intelligenzen nach Howard Gardner in Verbindung gebracht, der eine eigene „bildlich-räumliche“ sowie eine „musikalische Intelligenz“ vorschlägt (Gardner, 2011).
Künstlerisch intelligente Personen zeigen eine ausgeprägte Fähigkeit zur symbolischen Repräsentation, zur metaphorischen Transformation sowie zur intuitiven Problemlösung in offenen, oft emotional aufgeladenen Kontexten. Psychologische Forschung legt nahe, dass künstlerische Intelligenz mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen wie Offenheit für Erfahrungen korreliert, einem der Big Five Traits (Feist, 1999). Zudem wird sie mit einer hohen Sensitivität für innere und äußere Stimuli und der Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation in Verbindung gebracht (Kris, 1952). Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass kreative und künstlerische Prozesse mit einer erhöhten Aktivität in frontalen und parietalen Hirnregionen einhergehen, die für flexible Kognition und assoziatives Denken zuständig sind (Jung et al., 2013).
Auch spielen psychologische Phänomene im Umgang mit künstlicher Intelligenz eine Rolle. Dazu gehören kognitive Verzerrungen wie der Automation Bias (die Tendenz, automatisierten Systemen übermäßig zu vertrauen), der Anthropomorphismus (die Zuschreibung menschlicher Eigenschaften an nicht-menschliche Entitäten) und der Bestätigungsfehler, die alle die menschliche Einschätzung von und Interaktion mit KI beeinflussen können. Die psychologische Forschung befasst sich auch mit der Frage, wie die Interaktion mit KI-Systemen, wie z.B. Chatbots, das menschliche Wohlbefinden beeinflussen kann, sei es durch die Bereitstellung von Unterstützung in schwierigen Lebenslagen oder durch das Risiko von Fehlinformationen und der Preisgabe sensibler Daten.
Ein wichtiges Feld ist auch die Untersuchung von Kreativität im Kontext der KI, denn hier stellt sich grundsätzlich die Frage, ob künstliche Intelligenz tatsächlich kreativ sein kann oder ob sie lediglich existierende Muster und Daten neu kombiniert. Aus psychologischer Sicht ist menschliche Kreativität oft eng mit Motivation, Persönlichkeit und sozialen Aspekten verknüpft. Die psychologische Forschung untersucht demnach, ob und wie KI diese Facetten der menschlichen Kreativität nachahmen oder ergänzen kann, und welche psychologischen Prozesse ablaufen, wenn Menschen mit von KI generierter Kunst interagieren.
Künstlerische Intelligenz lässt sich daher als ein Zusammenspiel aus kreativer Kognition, emotionaler Tiefe und ästhetischer Urteilskraft begreifen, das sowohl interindividuell verschieden ausgeprägt ist als auch durch Umwelt und Förderung beeinflussbar bleibt.
Literatur
Feist, G. J. (1999). The influence of personality on artistic and scientific creativity. In Handbook of creativity (pp. 273–296). Cambridge University Press.
Gardner, H. (2011). Frames of mind: The theory of multiple intelligences (10th ed.). Basic Books.
Jung, R. E., Mead, B. S., Carrasco, J., & Flores, R. A. (2013). The structure of creative cognition in the human brain. Frontiers in Human Neuroscience, 7, 330.
Kris, E. (1952). Psychoanalytic explorations in art. International Universities Press.
Russell, S. J., & Norvig, P. (2010). Artificial Intelligence: A Modern Approach. Pearson Education.