Authentizität bedeutet, dass Menschen sich gemäß ihrem wahren Selbst, d. h., ihren Gedanken, Emotionen, Bedürfnissen, Werten, Vorlieben und Überzeugungen entsprechend ausdrücken und handeln. Authentizität setzt in gewisses Maß an Selbstkenntnis voraus und zeigt sich etwa in einer objektiven und unverzerrten Verarbeitungen selbstbezogener Informationen, doch auch Handlungen eines authentischen Menschen entspringen meist dem eigenen Selbst und werden nicht von äußeren Einflüssen bestimmt. Authentizität bedeutet auch, sein wahres Selbst in sozialen Beziehungen offen zu zeigen, was aber nicht ausschließt, dass man sich in verschiedenen sozialen Rollen unterschiedlich verhält. Obwohl im Allgemeinen Authentizität als positives Merkmal einer Persönlichkeit verstanden wird, gibt es dennoch Kontroversen darüber, ob auch negative und pathologische Verhaltensweisen authentisch sein können.
Oft wird Authentizität ganz allgemein mit Echtheit übersetzt, d. h., etwas ist authentisch, wenn es laut Definition zuvor auf seine Echtheit geprüft und als Original befunden wurde, was für Dinge oder Dokumente genauso wie für Menschen gilt. Das lässt sich bei Menschen natürlich nur schwer überprüfen, sodass man es mit anderen Kriterien versucht, etwa der Übereinstimmung von Reden und Handeln, von Denken und Verhalten einer Person.
Authentizität beginnt immer bei sich selbst, und wer versucht, Rollen und Klischees zu entsprechen, dem wird es langfristig eher selten gelingen, bei anderen Menschen den Eindruck von Authentizität zu erwecken. Kernis & Goldman (2006) unterscheiden vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit man sich selbst als authentisch erlebt:
- Bewusstsein: Man muss seine Stärken und Schwächen ebenso kennen wie seine Gefühle und Motive, also warum man sich so oder so verhält. Erst durch diese Selbstreflexion ist man in der Lage, sein Handeln bewusst zu erleben und zu beeinflussen.
- Ehrlichkeit: Menschen neigen dazu, sich schöner zu sehen als sie sind. Wer authentisch sein will, muss der Realität ins Auge blicken und unangenehme Rückmeldungen akzeptieren.
- Konsequenz: Wer Werte hat, sollte danach handeln, was auch für gesetzte Prioritäten gilt oder für den Fall, dass man sich dadurch Nachteile einhandelt.
- Aufrichtigkeit: Ein geschöntes Bild lässt sich meist nur eine zeitlang aufrecht erhalten, denn wer wahrhaftig sein will, muss auch die Größe haben, seine negativen Seiten zu offenbaren.
Bailey & Levy (2021) haben die Genauigkeit der wahrgenommenen Authentizität direkt getestet und stellten fest, dass die Menschen dabei nicht sehr akkurat waren, denn es gab keine signifikante Korrelation zwischen der von anderen und der von sich selbst zugeschriebenen Authentizität in zwei Kohorten von Studenten. In dieser Untersuchung fand man heraus, dass die wahrgenommene Authentizität in zweierlei Hinsicht verzerrt war: erstens die von anderen bewertete Authentizität wies im Vergleich zu Selbstbewertungen eine positive Verzerrung auf, und zweitens war die von anderen bewertete Authentizität durch die eigene Authentizität des Bewerters verzerrt. In einer dritten Studie untersuchte man daher auch die Metawahrnehmung der Authentizität, in der sich zeigte, dass obwohl die Befragten erwarten, dass ihre Authentizität von anderen genau wahrgenommen wird, ihre Metawahrnehmung nicht mit der von anderen bewerteten Authentizität zusammenhängt. Das bedeutet letztlich, dass die Überzeugungen über die Sichtbarkeit der eigenen Authentizität ebenfalls nicht sehr genau sind. Diese Ergebnisse deuten daher eher darauf hin, dass Menschen nur sehr ungenau erkennen können, wer authentisch ist,, wobei Menschen, die anderen gegenüber ihr Innerstes nach außen kehren, deshalb nicht gleich authentischer wirken, sodass wer anderen etwas vorspielt, damit vermutlich eher Erfolg hat.
Literatur
Bailey, E., & Levy, A. (2021, October 6). Are You for Real? Perceptions of Authenticity are Not Accurate and Systematically Biased.
https://doi.org/10.31234/osf.io/2e4cr
Kernis, Michael H. & Goldman, Brian M. (2006). A Multicomponent Conceptualization of Authenticity: Theory and Research. Advances in Experimental Social Psychology, 38, 283-357.