*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Die Grundlage, dass Menschen kitzelig sind aber sich nicht selbst kitzeln können, liegt darin, dass es schon auf neuronaler Ebene eine Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenberührung gibt, wobei diese Unterscheidung generell für das Körpergefühl des Menschen von großer Bedeutung ist. Das lässt auch auf neuronaler Ebene nachweisen, da die Berührungen durch einen anderen Menschen eine Vielzahl von Gehirnarealen aktiviert, etwa den somatosensorischen Cortex, die Inselrinde, die Amygdala, das Cerebellum und den präfrontale Cortex, während bei Selbstberührung viele dieser Areale nicht aktiv werden, wobei diese Unterscheidung bereits im Rückenmark stattfindet, also bevor die Berührungsreize an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet werden. Das stützt die Theorie, nach der das Gehirn die sensorischen Konsequenzen eigener Handlungen zum Teil vorhersehen kann und dadurch den vom eigenen Körper verursachten Reizen weniger Aufmerksamkeit schenkt, weil es diese Informationen bereits erwartet. Doch die Annahme, dass der fehlende Kitzeleffekt bei Selbstberührung auf der Fähigkeit beruht, zwischen eigenen Stimulationen und der Berührung durch Andere zu unterscheiden, könnte zu kurz greifen. Ishiyama et al. (2019) vermuten einen einfacherer Mechanismus, denn sie fanden in einem Experiment mit Ratten heraus, dass die Kitzelreaktion bei diesen während einer Selbstberührung wie etwa beim Putzen unterdrückt wird, während sie durch fremde Berührung hingegen verstärkt wird. Erfolgt Fremdberührung und Selbstberührung gleichzeitig, wird die Kitzelreaktion ebenfalls unterdrückt, doch als man diesen neuronalen Bremseffekt pharmakologisch ausschaltete, wenn sich die Ratten putzten und gleichzeitig gekitzelt wurden, reagierten die Tiere wieder mit Lachen. Diese Ergebnisse legen somit nahe, dass man sich deshalb nicht selbst kitzeln kann, weil die Selbstberührung einen neuronalen Bremseffekt im Berührungszentrum des Großhirns auslöst.
Übrigens können sich manche Schizophreniekranke anders als die meisten Menschen auch selbst kitzeln, da ihr Gehirn durch den eigenen Körper ausgelöste sensorische Reize anders interpretiert.
Übrigens reagieren auch Ratten äußerst positiv auf Kitzeln, denn sie geben nicht nur zahlreiche Ultraschallrufe von sich, sondern nähern sich einer kitzelnden Hand. Nach dem Kitzeln vollführen sie Freudensprünge, eine Verhaltensweise, die man auch bei anderen Tieren mit positiven Emotionen beobachtet. Bei Ratten liegt die „kitzlige Stelle“ im Gehirn in dem Bereich, der auch für den Spieltrieb verantwortlich ist, sodass man Gemeinsamkeiten im Gehirn zwischen den Mechanismen von Kitzeln und Spielen vermutet. Doch ist es eine eher gewagte These, dass Kitzeln ein Trick des Gehirns sei, um Tiere oder Menschen miteinander interagieren beziehungsweise spielen zu lassen.
Mehr zu dem Thema unter den neuronalen Grundlagen des Selbst.
Literatur
Boehme, R., Hauser, S., Gerling, G., Heilig, M. & Olausson, H. (2019). Distinction of self-produced touch and social touch at cortical and spinal cord levels. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1816278116.
Boehme, R. (2019). Human Touch – Warum körperliche Nähe so wichtig ist. Erkenntnisse aus Medizin und Hirnforschung. C. H. Beck Verlag.
Ishiyama, Shimpei, Kaufmann, Lena V. & Brecht, Michael (2019). Behavioral and Cortical Correlates of Self-Suppression, Anticipation, and Ambivalence in Rat Tickling. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2019.07.085
Stangl, W. (2019). Die neuronalen Grundlagen des Selbst. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Gedaechtnis-Selbst.shtml (2019-01-22)
Stangl, W. (2017). Witz, Humor, Lachen, Psychologie, Psychotherapie. Werner Stangls Psychologie News.
WWW: https://psychologie-news.stangl.eu/279/witz-humor-lachen-und-ihre-psychologische-bedeutung (2017-06-07).