Ein wissenschaftliches Abstract ist die Zusammenfassung eines Textes, etwa eines Buches oder Artikels, wobei das Wesentliche dieses Textes abstrahiert werden soll, d.h., es geht um die Verdichtung des Textes auf das Wesentliche unter Verzicht auf das Unwesentliche. Ein solches Abstract sollte aber dennoch unabhängig vom Text verständlich sein.
In einem wissenschaftlichen Abstract sollen das Thema bzw. die Fragestellung, die Hauptthesen sowie die Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen des Textes vorhanden sein. Je nach Text sind dabei die verwendeten Quellen, die Charakteristik des Textes oder die Methoden zu erläutern. Da das Abstract unabhängig vom Text verständlich sein soll, ist darauf zu achten, dass die Argumentationslogik nachvollziehbar ist.
Ein Abstract sollte in der Regel nie mehr als hundert bis hundertfünfzig Worte umfassen, und zwar unabhängig von der Länge des zugrundeliegenden Textes. Es sollten trotz aller Knappheit ganze Sätze formuliert werden und nicht nur Stichworte, da sonst die Nachvollziehbarkeit nicht gewährleistet ist.
Abstracts sind ein wichtiges Werkzeug wissenschaftlichen Arbeitens, denn zum einen dienen sie als Orientierung über gelesene Texte, zum anderen sind sie auch zentrales Auswahlkriterium, ob ein Text überhaupt für eine weitere Analyse in Frage kommt. Wenn man in einer wissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel verfassen oder ein Buch publizieren will, wird von Verlag bzw. Herausgeber ein Abstract eingefordert werden.
In zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften werden Abstracts den Artikeln vorangestellt, um LeserInnen eine Orientierung zu geben. Bei Büchern dienen Abstracts eher als Klappentext oder Waschzettel für die Werbung. Nicht zuletzt werden Abstracts als Suchhilfe für wissenschaftliches Arbeiten in Abstractbänden und Abstractsammlungen zusammengefasst, etwa wie die Psychological Abstracts, der Psychological Index oder der Social Science Citation Index.
Das Abstract dient letztlich auch der Disziplinierung eines Autors, denn nur wer seinen Text zusammenfassen kann, hat wirklich begriffen, wovon er bzw. sie geschrieben hat. Ein gutes Abstract ist somit auch ein Indikator für die Klarheit, die die Autorin bzw. der Autor bezüglich seines Textes besitzt. Schwierigkeiten bei der Zusammenfassung eines Textes sind ein Symptom für allgemeine Verstädnisprobleme, denn wer als Autor dieses Symptom richtig interpretiert, verfügt über eine verbesserte metakognitive Kontrolle des eigenen Schreibens und Lesens.
Ein Problem ist in der Regel, dass die Autorin oder der Autor beim Schreiben zuviel von seinem Experiment weiß, und deshalb immer Gefahr läuft, zuviel vorrauszusetzen und nicht explizit zu erwähnen. Außerdem muss man entscheiden, was wirklich wichtig ist, denn subjektiv erscheinen einem nach dem Verfasssen des Abstracts wahrscheinlich viele Unterpunkte als gleich wichtig, d. h., jeder Text läuft Gefahr, zu sehr aus der Perspektive des Autors oder der Autorin geschrieben zu werden.
Folgendes Vorgehen ist dabei sinnvoll: Man verfasst zunächst das Abstract, lässt es von interessierten Lesern oder Lerserinnen bewerten, dann fertigt man nach der Kritik eine Revision an und lässt Revision und Original wieder von Zweitlesern vergleichend bewerten. Eine fremde aber interessierte Person Korrektur lesen zu lassen, ist übrigens für das gesamte Verfassen eines Berichts und vor allem auch für die Erstellung des Abstracts zu empfehlen. Wenn keine Zweitleser verfügbar sind, sollte man zumindest nach dem Verfasssen eines Text diesen einige Tage liegen lassen, um ihn dann noch einmal zu lesen, denn oft führt der Abstandseffekt zu erstaunlichen Verständnisschwierigkeiten.