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Langzeitpotenzierung

    Die Langzeitpotenzierung – long-term potentiation – ist jener molekularer Mechanismus, der neuronale Verbindungen stärkt und der die Basis der Bildung von Erinnerungen und Lernen bildet.

    Langzeitpotenzierung bewirkt letztlich, dass Erinnerungen im Gehirn überhaupt gespeichert werden, indem sich die Reizweiterleitung zwischen zwei Nervenzellen ändert. Ein Neuron, das häufig ein anderes aktiviert, wird mit der Zeit immer besser darin, dieses zu aktivieren. Bei der synaptischen Übertragung bewirkt ein ankommendes Aktionspotenzial in der Präsynapse die Freisetzung von Neurotransmittern wie etwa Glutamat in den synaptischen Spalt. Das Glutamat aktiviert AMPA-Rezeptoren in der postsynaptischen Membran. Daraufhin strömen Natriumionen in die Zelle ein, wodurch sie depolarisiert wird und ein neues Aktionspotenzial entsteht. Die Depolarisation löst Magnesiumionen aus den NMDA-Rezeptoren (Mitte). Trifft nun zur selben Zeit ein neues Aktionspotenzial in der Präsynapse ein und wird erneut Glutamat freigesetzt, aktiviert dieses nun sowohl die AMPA- als auch die NMDA-Rezeptoren. Dadurch kann eine große Menge Kalzium einströmen. Dieses bewirkt, dass mehr AMPA-Rezeptoren in der postsynaptischen Membran eingebaut werden (rechts). Das erhöht auf Dauer die Übertragungsstärke der Synapse.

    Langzeitpotenzierung findet also dadurch statt, dass bei Synapsen zwei gleichzeitige Signale zusammentreffen und somit verstärkt werden. Diese Langzeitpotenzierung führt vor allem bei neu gebildeten Neuronen (Neurogenese) im Hippocampus zu besonders hohen Veränderungen, aber auch bei reifen Zellen findet noch Langzeitpotenzierung statt. Generell sind aber junge Zellen darin besser, denn Untersuchungen zeigten, dass neuen Zellen vier Wochen benötigen, um heranzureifen, Zellfortsätze zu bilden und sich mit Ein- und Ausgängen zu verknüpfen, und dann folgen zwei Wochen, in denen sie besonders offen dafür sind, Reize in ihren Synapsen zu kodieren, also besonders gut lernen.

    Die Auslösung von synaptischer Plastizität erfordert das Vorhandensein zeitlich neuronaler Aktivitätsmuster, wobei zahlreiche Studien schon gezeigt haben, dass die Langzeitpotenzierung, also die Fähigkeit der Gehirnzellen die Kommunikationsstärke zwischen einzelnen Nervenzellen zu verändern, durch hochfrequente intermittierende Stimulation hervorgerufen werden kann. Beim Menschen können Plastizitätsprozesse, die dem Wahrnehmungslernen durch Übung und Wiederholung zugrunde liegen, durch wiederholte ähnliche sensorische Stimulation zuverlässig induziert werden. Das führt in der Folge zu einer Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeiten parallel zur weit verbreiteten Remodellierung der cortikalen Verarbeitung. Reizt man beispielsweise über längere Zeit die Fingerspitze mit einem wiederholten Tastimpuls, verbessert sich der Tastsinn nachweislich. Brickwedde et al. (2020) haben nun vermutlich auch gezeigt, was dabei im Gehirn passiert. Dabei registrierte man mithilfe eines Enzephalogramms die Aktivität der Nervenzellen in den für die Verarbeitung solcher Impulse zuständigen Hirnbereiche (somatosensorischer Cortex) und konnte darstellen, dass sich die Aktivität der dortigen Nervenzellen vermutlich als Abbildung dieses Lernprozesses verändert. Durch die elektrophysiologischen Messungen der Gehirnaktivität konnte man demnach zeigen, dass sich in aktiven Stimulationsphasen große Zellensembles in ihrer Aktivität an die Frequenz der Stimulation anpassen, wobei diese Reaktion über zwanzig Minuten hinweg ohne Zeichen von Gewöhnung konstant blieb, ganz ähnlich wie bei zellulärer Langzeitpotenzierung. Danach war die ereigniskorrelierte Desynchronisierung dieses Alpha-Rhythmus, eine typische Reaktion auf Tastreize, nach 20 Minuten wieder verringert.

    Siehe dazu die Chemie des Lernens.

    Literatur

    Brickwedde, Marion, Schmidt, Marie D., Krüger, Marie C. & Dinse Hubert R. (2020). 20 Hz steady-state response in somatosensory cortex during induction of tactile perceptual learning through LTP-like sensory stimulation. Frontiers in Human Neuroscience, 14, doi:10.3389/fnhum.2020.0025.
    Stangl, W. (2018). Die Chemie des Lernens. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LernenChemie.shtml (2018-08-08).
    https://www.spektrum.de/news/gedaechtnis-warum-wir-vergessen/1580324 (18-08-07)


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