Die Motopädie ist eine Form der Förderung und Therapie, die psychologische, pädagogische, sport- und erziehungswissenschaftliche mit medizinischen Erkenntnissen und Methoden verknüpft. Zentraler Ansatz ist die Bewegung, genauer die Wechselwirkung zwischen dem Körper in Bewegung und der Psyche des Menschen. Bewegung wird verstanden als ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung, als Teil der Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Körper sowie mit dem materialen und sozialen Umfeld.
Das menschliche Gleichgewichtssystem ist von zentraler Bedeutung, denn es steht mit dem Sehen, Hören und der Tiefenwahrnehmung in enger Verbindung. Durch Sehen nimmt man einen Raum wahr, kann die Lage von Objekten einschätzen und vorausschauend handeln. Im Bereich des schulischen Lernens ist das visuelle System auch für das Zeichnen, Schreiben und die Unterscheidung einzelner Zeichen wichtig, aber auch das Hören und die Tiefenwahrnehmung. Das menschliche Gleichgewichtssystem und seine Funktionen haben daher auch Auswirkungen auf das Rechnen, Schreiben, Zuhören, das Langzeitgedächtnis, die eigenen Körperwahrnehmung und das Selbstbewusstsein. Bei einer Gleichgewichtsstörung können somit sowohl das sozial-emotionale Verhalten als auch der kognitive Bereich betroffen sein. Manche Kinder bekommen bei diesbezüglichen Beeinträchtigungen vermehrt Angst und Konzentrationsschwierigkeiten, können dann sich nur schwer mögliche Gefahren einschätzen. Durch die Wechselwirkung von Bewegung, Wahrnehmung und dem Erleben kann die Motopädie dabei helfen, solche Gefahren zu erkennen und Kindern eine dementsprechende Handlungskompetenz vermitteln.
Bei Übungen der Motopädie merken Kinder oft nicht, dass es Unterricht ist, haben dabei Spaß und können über fantasievolle und variantenreiche Bewegungsaufgaben nach Lösungen zu suchen. So werden etwa bei der Rollbrettübung die Handlungskompetenz, also sowohl die Ich-, Sach- und Sozialkompetenz, angesprochen. Rollbretter sind sind daher nicht nur Spiel- und Sportgeräte, sondern auch wichtig für das Erlernen einer aktiven Bewegung. Im Sitzen, Liegen und Knien lassen sich Geschicklichkeitsspiele, Balance-Training, motorische und psychomotorische Spielsituationen, Wett- und Gruppenspiele gestalten. Dabei sammeln Kinder intensive Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen, lernen die Eigenschaften des Materials kennen. Die Kinder prüfen dabei, wie sie sich am besten auf das Rollbrett setzten oder legen, um sich z. B. von einer Wand abzustoßen, wobei es hier vor allem um die Ich-Kompetenz geht, in der sie den Umgang mit sich und ihrem Körper selbst erlernen. Werden solche Übungen in einer Gruppe gemacht, werden auch soziale Kompetenzen, Toleranz und Rücksichtnahme geübt, und die Kinder lernen, auftauchende Konflikte spielerisch zu lösen. Man kann dabei etwa ein Rollbrett leer durch einem Slalom ziehen lassen, einen Partner auf dem Rollbrett durch einen Raum ziehen ohne irgendwo anzustoßen, sich mit den Füßen von der Wand abstoßen und so weit wie möglich rückwärts rollen, oder während ein Partner das Rollbrett zieht, Bälle mit anderen hin und her werfen usw.
Literatur
Kiphard, Ernst J. (1980). Motopädagogik. Dortmund: Modernes Lernen.