Als anale Phase bezeichnet man in der Psychoanalyse das zweite und dritte Lebensjahr, bei dem das Ausscheidungsorgan und seine Entleerung libidinös besetzt sind. In der Theorie Sigmund Freuds wird dies mit Geboten und Verboten der Eltern in Verbindung gebracht, wobei es um das Zurückhalten der Exkremente geht, wodurch ein Kind den eigenen Willen gegen die Gebote der Eltern durchsetzen kann.
Freud ist der Ansicht, dass das Kind ab dem 2. Lebensjahr den Darmausgang (Anus) als wichtigste erogene Zone erlebt. Kinder können in diesem Alter seit einiger Zeit sitzen bzw. die Eltern setzen es von Zeit zu Zeit aufs Töpfchen. Das Kind ist zunehmend in der Lage, die Darmentleerung willentlich zu steuern, d.h., den Kot entweder zurückzuhalten oder loszulassen. Offensichtlich ermöglicht ihm das eine neue Weise des Lustgewinns. Analog zur oralen Modalität erkennt Freud in diesem körperlichen Vorgang gewissermassen das Grundmodell einer allgemeinen Lebensgebärde: der Modalität des Besitzens und Hergebens. Tatsächlich stellt sich dem Menschen als einem Wesen, das aufnimmt und einverleibt, logischerweise auch die Aufgabe, zu entscheiden, was und wieviel behalten und was ausgeschieden (losgelassen) werden soll. Das betrifft materielle Güter genauso wie psychische Verhaftungen und geistige Besitztümer. Nach Ansicht der Psychoanalyse wird das Verhältnis zu diesen Lebensaufgaben in der frühen Kindheit emotional grundgelegt, und zwar eben im körperlichen Erleben eines Vorgangs, der gewissermassen das Grundmodell ist für alles andere, wo auch Behalten oder Hergeben-Müssen bzw. Hergeben-Wollen zur Diskussion steht.
Freud weist darauf hin, dass das Kind mit seiner nun entstehenden Fähigkeit der Kontrolle über die Defäkation zum Erlebnis der Macht über die Eltern kommt. Insofern es seine Macht genießt, keimen erste Gefühle des Sadismus auf, weshalb Freud diese Phase auch als anal-sadistische Phase bezeichnet. Man könnte somit sagen: Psychische Themen, welche in der analen Phase gefühlshaft grundgelegt werden, sind das Verhältnis zum Besitz, zur Macht, zum Behalten und Hergeben und damit auch zur Ordnung. Störungen in der analen Phase führen manchmal zu gestörten Beziehungen zu den oben erwähnten Themen, d.h., es bilden sich entweder Geiz oder Verschwendungssucht, chaotisches Gebaren oder übertriebene Ordnungsliebe, Eigensinn und zwanghaftes Verhalten heraus.
Einerseits gewinnen Kinder in der analen Phase Selbstvertrauen und wollen ihre Selbstständigkeit erproben bzw. möchten gerne nur noch ihren eigenen Willen durchsetzen, doch sie merken schnell, dass ihrem Freiheitsbedürfnis die Autorität der Eltern gegenübersteht. Wenn Eltern nun damit beginnen, Regeln einzuführen und ihr Kind im Zuge der Sauberkeitserziehung erziehen wollen, stößt das bei vielen Kindern auf Widerstand, wobei sich der Drang nach Selbstbestimmung in der analen Phase auch auf andere Lebensbereiche überträgt.
*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der Wunsch des Kindes nach Autonomie und Getrenntsein kollidiert in dieser Phase zusätzlich mit dem Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit, woraus ein innerer Konflikt entsteht, denn das Kind wird in diesem Lebensabschnitt erstmals bewusst mit seinen Stärken aber auch mit seinen Schwächen konfrontiert, wobei es auf Grund der Entwicklung immer wieder auch an seine körperlichen Grenzen gelangt. Sprachlich bekommen die Begriffe „ich“ und „mein“ eine besondere Bedeutung, wobei dahinter der Wunsch nach Abgrenzung steckt. Eines der häufigsten Wörter wird in dieser Zeit das Wort „nein“ sein.
Dieses charakteristische Trotzphasen-Verhalten bringt Eltern etwa beim Essen oder auf dem Spielplatz oft zur Verzweiflung. Eltern sollten auf solche Ereignisse vorbereitet sein und Geduld üben, indem sie bei einem Nein des Kindes einige Minuten zuwarten, ehe sie auf dem geforderten Verhalten beharren. Oft entscheiden sich Kinder nach einiger Zeit durchaus in Sinne ihrer Eltern. Wie bei anderen Erziehungsmaßnahmen ist Konsequenz und Stabilität der Elternreaktion erforderlich, denn Kinder merken sich sehr gut, wie sich das letzte Mal ihre Eltern verhalten haben. Häufig hilft es, Kindern Alternativen vorzuschlagen bzw. von Kindern diese einzufordern. Dass Kinder sich in der analen Phase zum ersten Mal mit dem Ich und den eigenen Emotionen und Stimmungen auseinandersetzen müssen, ist für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit wesentlich, sodass sie nach Möglichkeit ihr eigenes Verhalten nicht mit negativen Äußerungen der Eltern zu ihrer Person verbinden sollten.
Literatur
Fellner, Richard L. (2004). Die Psychoanalyse Sigmund Freuds.
WWW: http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/psychoanalyse/psychoanalyse.phtml (09-05-21)
Gebauer-Sesterhenn, B., Edelmann, K. & Pulkkinen, A. (2012). Die ersten drei Jahre meines Kindes: Das umfassende Standardwerk zu Entwicklung, Gesundheit und Erziehung. München: Gräfe und Unzer
https://www.9monate.de/baby-kind/gesundheit-entwicklung/anale-phase-das-erste-mal-trotzig-sein-id149894.html (17-12-12)