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Kreativität

    Das Geheimnis aller Erfinder ist,
    nichts für unmöglich anzusehen.
    Justus von Liebig

    Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit.
    Max Weber

    Wahre Kreativität entsteht immer aus dem Mangel.
    Wolfgang Joop

    Kreativität wird definiert als Fähigkeit zu originellen (=nicht häufigen), produktiven (=schöpferischen) und nützlichen (=zweckdienlichen) Leistungen. Es gibt Formen von künstlerischer, literarischer oder auch wissenschaftlicher Kreativität, aber auch solche von durchführungstechnischer oder methodologischer Art.
    Kreativität hängt nach Guilford stark mit divergentem Denken zusammen. Dieses äußert sich in einer Gedankenflüssigkeit, in einem Assoziationsreichtum, in Flexibilität und in der Fähigkeit zu Umstellung und Umgestaltung, d.h. bekannte Inhalte in neue Zusammenhänge bringen.

    Der Unterschied zwischen Intelligenz und Kreativität:

    • Intelligenz ist logisches, schlussfolgerndes, bewertendes Denken, das eine richtige Aufgaben- und Problemlösung sucht (konvergentes Denken), während
    • Kreativität flüssiges, flexibles, originelles Denken ist, das nach alternativen Aufgaben- und Problemlösungen sucht (divergentes Denken), wobei die Leistung nicht nur neu, sondern auch nützlich, problemangemessen und ästhetisch sein sollte.

    Voraussetzung für kreatives Denken ist, dass zwei Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sind: einerseits hat jeder Mensch das Bedürfnis nach Bindung und das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit. Wenn man kreativ ist, will man das Gefühl haben, die Welt beeinflussen zu können, denn sonst entwickelt man keine sichere Identität, sondern fühlt sich als bloßes Objekt wahrgenommen. Diese Verbundenheit zu schaffen, ist eine wichtige Voraussetzung, damit Kreativität und Veränderungsbereitschaft entstehen. Ein Mensch kann sich nur dann auf etwas Neues einlassen, wenn er sich selbst sicher weiß, sonst setzt er auf Altbewährtes und wagt es nicht, etwas zu verändern. Erwachsene und viele Ältere haben verfestigten Meinungen und Vorstellungen als eine Art Selbstverteidigungsmechanismus, der Neues verhindern will. Kinder sind hier vollkommen offen für Neues, daher ähneln kreative Menschen oft Kindern, die in der Lage sind, über ihre eigene Konzeption hinaus zu denken und zu fühlen.

    Zur Begriffsverwendung im Alltag

    Der Begriff „Kreativität“ hat im Alltag eine unklare, verschwommene Bedeutung, er wird geradezu inflationär mit gänzlich beliebiger Bedeutung gebraucht, wobei es sogar in der Fachliteratur teilweise gegensätzliche Definitionen gibt. Oftmals wird Kreativität heute fälschlicherweise mit einem „laissez-faire-Prinzip“ gleichgesetzt oder gar als „Nichtstun“ bezeichnet und als gänzlich unfassbar, nicht willentlich beeinflussbar betrachtet. Diese Vorstellung fußt im sogenannten „Kreativitätskult“, einer anfänglichen Vergötterung der Kreativität mit der damals weit verbreiteten Ansicht, man dürfe speziell dem Verhalten des Kindes keinerlei Grenzen setzen und müsse von jeglichen „überkommenen Denkschemata“ abkommen. Heute geht man jedoch davon aus, dass ein gewisser Grad an Autorität nötig ist und dass auch feste Schemata und Fakten wichtige Voraussetzungen für Kreativität sind. Man ist sich darüber einig, dass Kreativität nicht gelegentliche, göttliche Inspiration, sondern beeinflussbar und trainierbar ist und auf einem soliden Fachwissen beruht, das aus der Anwendung herkömmlicher Lernleistungen resultiert. Albert Einstein soll dazu gesagt haben: „Das Glück begünstigt den wohlvorbereiteten Geist“.


    Neue Ideen sind meistens die Kinder alter Gedanken.
    Henri Bergson

    Phasen der Kreativität

    Bei kreativen Lösungen von Problemen lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden (Haseloff 1971, S. 89f):
    In der Phase der Problematisierung werden die Probleme erkannt, die Widersprüche aufgespürt, Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt, Lücken im Wissen und in der Erfahrung identifiziert und bisher als unbezweifelbar hingenommene Gewissheiten zurückgewiesen. Bei der Exploration wird das Problemfeld von verschiedenen Punkten aus erforscht, indem Erfahrungen, Informationen und Wissensbestände umstrukturiert und organisiert werden. Ein Mensch kann nur dann kreative Ideen haben, wenn er in einem Gebiet gebildet und geübt ist, denn nur ein vorbereiteter Verstand kann in die nächste Phase übergehen. Diese explorative Phase endet aber nicht mit Entscheidungen, vielmehr bleiben alternative und sogar widersprüchliche Betrachtungsweisen und Erklärungsversuche gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Die Inkubation ist bisher noch am wenigsten erforscht. In dieser Phase kommt es scheinbar zu einem von emotionaler Entspannung begleiteten Vergessen des Problems. Dabei vollzieht sich eine nicht in Sprache übersetzte, sondern anschauliche oder symbolhafte Neuorganisation von Erfahrungen und Versuchen. Die Inkubationsphase geschieht in Arealen des Gehirns, die man als Default Mode Netzwerk oder Ruhezustandsnetzwerk bezeichnet. Das Ruhezustandsnetzwerk ist besonders aktiv, wenn Menschen gerade gar nichts tun, etwa sich entspannen oder auch Tagträumen. Expertise erleichtert den kreativen Denkprozess, denn in der Improvisation geübte Musiker schalten im Vergleich zu weniger geübten Musikern Areale des Gehirns ab, die mit dem Überwachen von Handlungen zusammenhängen. Übung verändert bekanntlich die Vernetzung des Gehirns, fixiert diese und vermindert durch Automatisierung die bewusste Kontrolle. So können Kapazitäten frei werden, damit das Standardnetzwerk einsetzen kann. Diese dem äußeren Anschein nach ruhige Inkubationsphase stellt die unmittelbare Vorbereitung der heuristischen Regression dar. Sie ist subjektiv durch das Erlebnis spontan auftauchender Lösungsmöglichkeiten gekennzeichnet, mit denen spielerisch ungebunden umgegangen wird, die verändert und ergänzt, die probeweise akzeptiert und wieder verworfen werden. Das Zurückgleiten auf eine gewissermaßen kindliche und dramatisierte, zugleich vieldeutige Realitätsbegegnung schafft das anspruchsentlastete norm- und konventionsbefreite Operationsniveau, auf dem sich die kreative Idee ausbilden kann. Durch die abschließende Auswahl der aussichtsreichsten Lösungsidee wird die heuristische Regression beendet. Diese Phase gilt manchen als Zentrum des kreativen Prozesses, denn die scheinbare Rückkehr zu einer kindlichen Mentalität, der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung ermöglichen das Finden einer überraschenden Lösungsidee. Das spontane Auftauchen wird als Inspiration oder Illumination bezeichnet. Bei der Elaboration wird der in der heuristischen Regression gefundene, unfertige Lösungsansatz systematisch ausgearbeitet und in eine Sprache übersetzt, die für diejenigen verständlich ist, die gleichfalls vor das Problem gestellt sind und die zugleich Nachfrager und Nutznießer der Lösung sind. Die kreative Idee wird kommunizierbar. Die Diffusion scheint mit dem kreativen Prozess nur noch oberflächlich zusammenzuhängen. Sie bezeichnet den Prozess, der eine kreative Leistung ausbreitet und durchsetzt. Damit geht eine gewisse Popularisierung und Einbeziehung in das Alltagsgeschehen einher (Stangl, 2011).


    Prozessmodell der Kreativität

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der französische Mathematiker Jacques Hadamard (2003) hat untersucht, wie mathematische Entdeckungen gemacht werden, indem er u. a. Berichte von Henri Poincaré und von Albert Einstein auswertete und vier Phasen der Entdeckung beschrieb:

    • Präparation: Forscher durchdenken das Problem aktiv im Bewusstsein und suchen nach einer Lösung.
    • Inkubation: Falls man nicht sofort eine Lösung findet, arbeitet das Unterbewusstsein weiter am Problem, auch wenn man sich gerade mit ganz anderen Dingen beschäftigt.
    • Illumination: Eine im Unterbewusstsein entwickelte Lösung wird in einem Aha-Erlebnis bewusst.
    • Verifikation: Die intuitiv gefundene Lösung wird überprüft, denn nicht immer funktioniert eine Idee dann auch.

    Voraussetzung für kreatives Denken ist, dass zwei Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sind: einerseits hat jeder Mensch ein Bedürfnis nach Bindung und ein Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit. Wenn man kreativ ist, muss man das Gefühl haben, die Welt beeinflussen zu können, denn sonst entwickelt man keine selbstsichere Identität, sondern fühlt sich als bloßes Objekt wahrgenommen. Diese Verbundenheit mit sich und der Welt zu schaffen, ist eine wichtige Voraussetzung, damit Kreativität und Veränderungsbereitschaft entstehen können. Ein Mensch kann sich nur auf etwas Neues einlassen, wenn er sich selbst sicher weiß, sonst setzt er auf Altbewährtes und wagt es nicht, etwas zu verändern. Erwachsene und viele Ältere haben verfestigten Meinungen und Vorstellungen als eine Art Selbstverteidigungsmechanismus, der Neues verhindern will, nur Kinder sind hier vollkommen offen für Neues. Daher ähneln kreative Menschen oft Kindern, die in der Lage sind, über ihre eigene Konzeption hinaus zu fühlen.


    Übrigens: Das menschliche Gehirn ist bei leichter Müdigkeit oft besser in der Lage, Probleme, deren Lösungen nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind, sondern denen man sich auf Umwegen nähern muss, zu lösen. Denn wenn man müde ist, ist man leichter abgelenkt, das Denken wird in gewisser Hinsicht auf Wanderschaft geschickt und kann so leichter kreative Lösungen finden, die abseits konzentrierter und fokussierter Denkwege liegen!


    Kreativität beginnt dort,
    wo der Verstand aufhört, das Denken zu behindern.

    Diagnostik der Kreativität

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Die Diagnostik von Kreativität ist aus vielerlei Gründen eine Herausforderung an die Wissenschaft und bis in das 21. Jahrhundert, lange nach der Wiedereinführung des Begriffs „creativity“ durch Guilford herrscht immer noch Uneinigkeit darüber, wo der Forschungsfokus liegen soll, was die Analyseeinheit ist, was die Ziele der Untersuchung sind und wofür überhaupt Kreativität steht. Das liegt u.a. daran, dass Kreativität kein einheitlich verstandenes Konzept darstellt, wobei vor allem das Problem in der empirischen Erfassung und Messung des Merkmals liegt, wobei experimentelle Verfahren in der Kreativitätsforschung die kognitiven Prozesse in den Mittelpunkt stellen, die zu einem kreativen Produkt führen“ (Sonnenburg, 2007, S. 11ff). Deutschsprachige Verfahren zur psychometrischen Messung von Kreativität, die sowohl standardisiert und normiert sind, wurden beinahe ausschließlich in den 70er Jahren veröffentlicht, sodass aktuelle Ergebnisse und Forschungsberichte kaum auffindbar sind. Die Kreativitätsforschung ist vermutlich auch deshalb aus der Mode gekommen, da es vor allem im Bereich der Diagnostik kaum Fortschritte gab. Allein der Aspekt des divergenten Denkens, der einen wesentlichen Teilaspekt der Kreativität abdeckt und auf die kognitive Komponente fokussiert, ist aktuell in der Forschungsliteratur zu finden. Nach Bollinger (1981) gibt es vier unterschiedliche empirische Ansätze, Kreativität psychometrisch zu erfassen:

    • Produkt: Anfertigung und Beurteilung von Werkstücken (z.B. Zeichnungen, Aufsätze, Konstruktionen)
    • Person: Persönlichkeitsfragebögen und Einstellungsskalen und Interessenfragebögen
    • Umwelt: biographische Inventare
    • Prozess: verbale- und non-verbale Leistungstests (mit Schwerpunkt divergentes Denken)

    Die Klassifizierung des letzteren Verfahrenstyps ist allerdings nicht eindeutig, da gleichzeitig sowohl der Aspekt des Problems (Aufgabentypus) als auch der des Produkts (Bewertung) sowie (kognitionsbezogene) Personmerkmale eine Rolle spielen. Dieses Modell illustriert die Verknüpftheit der Aspekte der Kreativität.

    Kreativität und Gehirn

    Kreativen Denken wird durch äußere Rahmenbedingungen gefördert oder behindert, wobei nach neueren Forschungen über die Auswertung von Gehirnaktivierungsmuster eine Vorhersage der individuellen menschlicher Kreativität möglich sein könnte. Mit Sicherheit gibt es keine einzelne kreative Region im Gehirn, sondern kreatives Denken spiegelt sich vor allem in der Art wider, wie Gehirnareale miteinander interagieren. Beim kreativen Denken sind häufig Netzwerke, die sonst eher unabhängig sind oder sogar gegenläufige Aufgaben haben, intensiv miteinander aktiv, wobei diese Netzwerke sowohl im Zusammenhang mit Tagträumen und Ruhezuständen aber auch mit starken Kontroll- und Gedächtnisfunktionen eine Rolle spielen. Bei kreativen Menschen scheint nach Beaty et al. (2018) ist die Interaktion zwischen diesen Netzwerken so ausgeprägt, dass sogar eine Vorhersage von individuellem Unterschied in der Kreativität möglich scheint. Auch hat sich gezeigt, dass bei den besonders Kreativen auch im Ruhezustand diese funktionellen Netzwerke miteinander interagierten. Damit Kreativität überhaupt entsteht, müssen im menschlichen Gehirn Nervenzellen miteinander über eine Vielzahl von Verbindungen mit anderen kommunizieren, wobei diese sich ständig verändern, indem das Gehirn prinzipiell versucht, im Chaos von ungeordneten Erregungen kohärente Strukturen auszubilden und bei Nichtpassung auch wieder aufzulösen. Dabei kommt es also zu einem permanenten Wechselspiel zwischen Synchronisation und Desynchronisation neuronaler Aktivitäten, die einem Kohärenzprinzip zu unterliegen scheinen. Schließlich entstehen kreative Lösungen vermutlich immer dann, wenn verschiedene Informationen im Gehirn eine neue, konvergente und kohärente Form finden, wodurch aus einem Chaos auch durch die Auflösung von bereits bestehenden neuronalen Verbindungen eine Art Ordnung entsteht, die einer ihr eigenen Logik folgt. Bei Menschen, die in kreativen Berufen tätig sind ist das Corpus callosum stärker aktiviert, wobei meist auch eine höhere Aktivität im assoziativen Cortex bei komplexen Aufgabe nachweisbar ist. Offensichtlich sind Menschen, die ihren Gedanken freien Lauf lassen (Random Episodic Silent Thought) offener für kreative Prozesse als solche, die mit ihren Gedanken wenig abschweifen und sich ausschließlich auf die Aufgabe konzentrieren.

    Übrigens zeigt sich nach einer Hypothese von Lewis et al. (2018) im Schlaf die Kreativität besonders, denn im Schlaf wird der Tag noch einmal durchgegangen, Wichtiges wird verfestigt, anderes entsorgt, wieder anderes rekombiniert. Dabei wechseln REM- und Non-REM-Schlaf etwa im 90-Minuten-Takt einander ab, wobei im Non-REM-Schlaf zwei Hirnregionen im Austausch sind, der Hippocampus und der Neocortex, im Hippocampus lagern Erinnerungen an Ereignisse, in Neocortex Ideen und Konzepte. In der Non-REM-Phase überspielt der Hippocampus seine Erinnerungen an den Neocortex, der sie in Konzepte einordnet, danach kommt die REM-Phase, indem die Regionen durch den Neurotrasmistter Acetylcholin entkoppelt werden, sodass sich die Kommunikation im Neocortex erhöht, wobei das Geordnete mit anderen Konzepten verbunden wird, was ähnlich wie bei zwei Menschen ist, die gemeinsam an einem Konzept arbeiten, dieses dann getrennt durchdenken und dann wieder zusammen besprechen.


    Langeweile als Kreativitätsförderung

    Selbst wenn Menschen nichts tun, ist ihr Gehirn aktiv, wobei vor allem jene Hirnregionen hochgefahren werden, die eine zentrale Rolle spielen, wenn neue, originelle Ideen entwickelt werden. In Untersuchungen wurde versucht zu klären, ob Nichtstun wirklich zu erhöhter Kreativität führt. In einer kürzlich von veröffentlichten Studie wurde festgestellt, dass Probanden sich tatsächlich genau dann Dinge bildlich besser vorstellen können, wenn der visuelle Cortex weniger aktiv ist, was zunächst kontraintuitiv klingt, denn Gehirnareale, die Sinnesreize verarbeiten, sind immer dann am aktivsten, wenn sie durch Außenreize stimuliert werden. Fallen diese Außenreize weg, oder werden sie weniger durch sie aktiviert, haben offenbar interne Signale, die aus anderen Gehirnbereichen an Sinnesareale wie den visuellen Cortex gesandt werden, einfacher, wahrgenommen zu werden. Diesen Zusammenhang fanden Keogh et al. (2020) sowohl bei Vergleichen zwischen Personen als auch innerhalb einer Person, wobei bei denjenigen, die eine stärkere bildliche Vorstellungskraft hatten, der visuelle Cortex weniger aktiv und erregbar war. Wenn man jedoch die Aktivität des visuellen Cortex mithilfe der transkraniellen Gleichstromstimulation minderte, konnten die Probanden ihre Vorstellungskraft steigern. Eine gesteigerte Vorstellungskraft ist kreativen Einfällen zwar enorm zuträglich, doch es gibt aber auch andere Gehiirnregionen wie das Default Mode Network, das beeinflusst, dass Langeweile oder Reizarmut die Kreativität anregen.

    Das Default Mode Network erstreckt sich über viele Bereiche des Gehirns und umfasst Teile des Präfrontalhirns im Stirnbereich, des posterioren zingulären Cortex im Hirninneren, des mittleren Schläfenlappens und des oberen Scheitellappens. Die Aktivität dieses Netzwerkes geht mit Tagträumerei einher und ein Mensch ist umso kreativer, je stärker dabei bestimmte Teile miteinander vernetzt sind. Entscheidend ist dabei offenbar vor allem die Vernetzung zwischen den präfrontalen und parietalen Teilen des Netzwerks, also zwischen Stirn- und Scheitellappen, das bestimmt, wie flexibel Menschen ihr Denken und Verhalten steuern können. Auch andere Komponente des Default Mode Netzwerks sind aber für den Einfallsreichtum entscheidend sein, etwa der mittlere Schläfenlappen (medialer Temporalcortex). Dieser ist von zentraler Bedeutung für die Fähigkeit, Wissen abzuspeichern, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern und zukünftige vorzustellen. Steckt man in einem kreativen Schaffensprozess, macht man ja im Grunde nichts anderes, als bereits bestehendes Wissen, Erinnerungen und vorliegende Informationen neu miteinander zu verknüpfen, sodass es naheliegend ist, dass der mediale Temporallappen auch für solche Denkprozesse von Bedeutung ist. Eine Studie von Thakral et al. (2020) stützt diese Annahme, denn in dieser hemmte man mittels transkranieller Magnetstimulation die Aktivität in einem Teil des Hippocampus, der zum medialen Temporalkortex gehört. Wie erwartet, sorgte das nicht nur dafür, dass die Studienteilnehmer gedanklich weniger Details von zukünftigen Ereignissen durchspielten, sondern sie produzierten auch eine geringere Anzahl kreativer Ideen. Hemmte man hingegen ein anderes Gehirnareal, verschwand dieser Effekt.

    Hinweis: Zwar kann ein weniger aktiver visueller Cortex und ein aktiveres Default Mode Network, also Langeweile und Nichtstun die Kreativität beflügeln, doch ist nicht davon auszugehen, dass Langeweile generell zu erhöhtem Ideenreichtum führt, denn es gibt dabei auch Faktoren, die diesen schmälern könnten. Ob Menschen kreative Geistesblitze haben, hängt nämlich auch von ihrer Stimmung und ihrem Aktivierungszustand ab, denn sind Menschen wütend oder glücklich, sind originelle Einfälle viel wahrscheinlicher, als wenn sie traurig, melancholisch oder einfach nur ruhig und entspannt sind.

    Positive Stimmung fördert Kreativität

    In Untersuchungen hat man übrigens festgestellt, dass eine positive Stimmung kreatives Problemlösen und flexibles aber gründliches Nachdenken fördert, wobei man diese Stimmung etwa durch Musik, die fröhlich macht, erreichen kann. Wenn man also an einem Projekt arbeitet, wo man innovativ denken muss, oder an einem Problem arbeitet, über das man gründlich nachdenken muss, kann auch eine durch Musik erzeugte und unterstützte positive Stimmung dabei helfen. Allerdings hat jeder Mensch eine andere Art von Musik, die bei ihm wirkt, die man herausfinden muss. Untersuchungen (Ritter & Ferguson, 2017) haben einen inspirierenden Effekt von Musik auf divergentes Denken festgestellt, wobei fröhliche Hintergrundmusik der Kreativität dienlich ist. In einem Experiment teilte man Freiwillige in fünf Gruppen, wobei vier Gruppen einige Tests absolvierten, während sie von unterschiedlichen Musikstücken berieselt wurden, die fünfte Gruppe löste die Fragen ohne Musik. Dabei waren divergentes Denken, das neue Ideen hervorbringt, und konvergentes Denken, bei dem es darum geht, korrekte Lösungen für ein Problem zu finden, gefordert. Es zeigte sich, dass die Probanden wesentlich kreativer waren, wenn sie einer positiven, stimmungshebenden Musik hörten, während Stille dagegen zu signifikant weniger Ideen inspirierte. Konvergentes Denken dagegen schien sich von keiner Musik anregen zu lassen, woraus man schließen kann, dass man konkrete logische Aufgaben eher in eine musiklosen Atmosphäre lösen sollte.

    Kreativität und unmoralisches Handeln

    Francesca Gino & Dan Ariely (2012) haben sich gefragt, ob Kreative auch darin kreativ sind, sich für unmoralisches Tun zu rechtfertigen und die Hypothese untersucht, ob kreativere Menschen sich eher unmoralisch verhalten, wenn es darum geht zwischen ehrenhaftem Verhalten mit wenig Gewinn und Betrug mit hohem Gewinn zu wählen.Sie konnten in fünf Experimenten zeigen, dass Kreative häufiger als weniger Kreative betrogen, wobei sie dies offensichtlich deshalb taten, weil sie eher eine Ausrede dafür parat hatten.

    Dämmerlicht fördert die Kreativität

    Man hat in Studien herausgefunden, dass helles Licht das planerische und analytische Herangehen an Aufgaben fördert, denn bei guten Lichtverhältnissen sieht man alles scharf und deutlich. Im Dämmerlicht hingegen ist die Sicht auf große Distanz schlechter, auch Naheliegendes wirkt weniger scharf, sodass das Gehirn deshalb alles abstrakter interpretiert, was für die Kreativität förderlich ist.

    Alkozei et al. (2026) und Zhu (2009) haben herausgefunden, dass es einen Unterschied in der Wirkung von Rot und Blau bei bestimmten Tätigkeiten gibt. So kann Rot vor allem die Leistungsfähigkeit bei sehr detailorientierten Tätigkeiten verbessern, etwa wenn es um das Erinnerungsvermögen und das Korrekturlesen von Texten geht. Blau hingegen sorgt für bessere Ergebnisse, wenn es um kreative Aktivitäten wie Brainstormings und das Entwickeln neuer Lösungen geht. Bekanntlich bringt man Rot mit Stoppschildern und dem Korrigieren von Klausuren in Verbindung, sodass die Farbe Menschen in Alarmbereitschaft versetzt, während mit Blau die Weite des Himmels und das Meer assoziiert wird. Diese positive Verbindung sorgt dafür, dass das Gehirn wach, aber entspannt genug ist, um kreativ und leistungsfähig zu sein.

    Komponenten, die man beeinflussen kann, um seine Kreativität zu verbessern

    Die personale Komponente, denn die Persönlichkeit spielt eine entscheidende Rolle für die Kreativität, wobei Offenheit und Neugier wichtige Voraussetzungen sind. Wer kreativer werden will, sollte demnach überlegen, mit welchem Blick er auf die Welt schaut, denn ist man etwa ängstlich, fällt es schwerer, kreativ zu sein, doch schafft man es etwa, jeden Tag einen neuen Weg zur Arbeit zu wählen und dabei neue Dinge zu entdecken, kann das die Kreativität fördern.

    Die motivationale Komponente, denn um kreativ zu sein, benötigt man eine hohe Motivation, wobei damit nicht äußere Anreize wie Geld oder Anerkennung gemeint sind, sondern wesentlich ist jene Motivation, die aus einem selbst kommt. Man sollte daher einen Bereich in seinem Leben finden, für den man eine Leidenschaft hervorbringen kann.

    Die kognitive Komponente ist deshalb wesentlich, da Kreativität oftmals mit Regeln bricht, sodass man sich Wissen aneignen muss, um die vorherrschenden Konventionen zu kennen und dann gezielt gegen sie zu verstoßen. Hier kann beim Erwerb dieser Fähigkeiten Disziplin den Prozess unterstützen.

    Die soziale Komponente ist ebenfalls von Bedeutung, denn man braucht oft Freunde und Förderer, die an den gleichen Themen interessiert sind, um im Austausch und auch in Konkurrenz zu diesen seine Anliegen voranzutreiben. Wichtig ist aber auch, sich gegen Andersdenkende abzugrenzen, sodass man felsenfest von der eigenen Idee überzeugt sein muss, um sich der Kritik zu stellen, wobei auch Selbstkritik manchmal hinderlich sein kann.

    Voraussetzungen für musikalische Kreativität sind Offenheit, Denkvermögen, Können und Erfahrung

    Um zu untersuchen, was im Gehirn bei kreativen Prozessen vorgeht, hat Mathias Benedek mit KollegInnen vom Institut für Psychologie der Uni Graz in einer Studie mit Musizierenden erforscht. Man hat die kreativen Fähigkeiten von Studierenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen (Klassik, Jazz und Volksmusik) mit Hilfe von Fragebögen, Persönlichkeitstests und zeitlich limitierten Denkaufgaben überprüft, wobei Menge und Originalität der geäußerten Ideen bewertet wurden. Die Musikstudierenden unterscheiden sich insofern, als klassische Musiker und Musikerinnen vorwiegend in stark reglementierten Unterrichtssituationen oftmals in einem Eins-zu-eins-Betreuungsverhältnis studieren und nach technischer Perfektion streben, während Jazz eher in informellen Settings erlernt wird, bei dem MusikerInnen spontan auf musikalische Inputs reagieren müssen, Volksmusiker hingegen eine Mischform aus geregeltem Unterricht und improvisierten Auftritten praktizieren. Im musikalischen Alltag weisen wenig überraschend die Jazz-Musiker die höchste Konzert- und Improvisationsaktivität auf und haben auch eine signifikant höhere Bereitschaft, sich auf neue Situationen einzulassen, sodass sie kreativere Lösungsmöglichkeiten im Test fanden. Damit wird bestätigt, dass originelle Einfälle nicht aus dem Nichts kommen, sondern am Ende eines kognitiven Prozesses stehen, bei dem Bekanntes oder bereits Erlebtes im Gehirn neu miteinander verknüpft wird. Bei musikalischer Kreativität spielen daher Offenheit, unkonventionelles Denkvermögen, technisches Können und praktische Erfahrung eine Rolle (Hammerschmidt, 2014).

    Ein Vergleich (Bianco et al., 2018) von Jazzpianisten Klassikpianisten zeigte, dass selbst dann, wenn sie die gleiche Musik spielen, bei ihnen jeweils unterschiedliche Gehirnprozesse ablaufen, die sich auch auf die Leistung auswirken. Als man Jazzpianisten während einer üblichen Abfolge von Akkorden plötzlich einen harmonisch unerwarteten Akkord spielen ließ, plante ihr Gehirn schon viel früher die Handlung um als bei klassische Pianisten, d. h., entsprechend schneller konnten sie auf die unerwartete Situation reagieren und ihr Spiel fortsetzen. Klassische Pianisten konzentrieren sich bei ihrem Spiel besonders darauf, ein Stück technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben, wofür die Wahl des Fingersatzes mitentscheidend ist, während es im Jazz hingegen um Improvisation geht, d. h.,  Jazzpianisten müssen sich flexibel an überraschende Harmonien anpassen.

    Siehe dazu Kreativität – was ist das?


    Neurobiologisches Modell

    Khalil & Moustafa (2022) gehen davon aus, dass der präfrontale Cortex bei der kreativen Ideenfindung eine Rolle spielt, indem er einen Kontrollmechanismus bereitstellt. Darüber hinaus aktiviert das Nachdenken über neuartige Lösungen die entfernten oder lose verbundenen Neuronen eines semantischen Netzwerks, an dem auch der Hippocampus beteiligt ist. Neuartigkeit kann dabei auch als unterschiedliche Kombinationen früher erlernter Prozesse interpretiert werden, wie z. B. der motorische Sequenzierungsmechanismus der Basalganglien. Darüber hinaus ist das Kleinhirn für die präzise Kontrolle von Bewegungen zuständig, was bei der Improvisation besonders wichtig ist. Diese neuroinformatische Perspektive auf Kreativität basiert auf drei kreativen Prozessen, in deren Mittelpunkt die Suche nach Neuem steht und die durch den präfrontalen Cortex, den Hippocampus, das Kleinhirn, die Basalganglien und Dopamin unterstützt werden.
    Die algorithmische Umsetzung dieses Modells könnte es ermöglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen kreativen Prozessen auf der Grundlage der vorgeschlagenen neuronalen Schaltkreise zu beschreiben. In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten bisherigen Studien hauptsächlich theoretische und konzeptionelle Modelle der Kreativität geliefert haben, stellt diese Arbeit das erste vom Gehirn inspirierte neuronale Netzwerkmodell der kreativen Kognition vor. Mit diesem vorgeschlagenen neuronalen Netzwerkmodell versucht man erstmals einen einheitlichen Rahmen für drei scheinbar ganz unterschiedliche Formen der Kreativität zur Verfügung zu stellen.

    Literatur

    Alkozei, A., Smith, R., Pisner, D.A., Vanuk, J.R., Berryhill, S.M., Fridman, A., Shane, B.R., Knight, S.A. & Killgore, W.D. (2016). Exposure to Blue Light Increases Subsequent Functional Activation of the Prefrontal Cortex During Performance of a Working Memory Task. Sleep, doi:10.5665/sleep.6090.
    Beaty, R. E., Kenett, Y. N., Christensen, A. P., Rosenberg, M. D., Benedek, M., Chen, Q., Fink, A., Qiu, J., Kwapil, T. R., Kane, M. J. & Silvia, P. J. (2018). Robust prediction of individual creative ability from brain functional connectivity. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1713532115.
    Bianco, R., Novembre, G., Keller, P. E., Villringer, A. & Sammler, D. (2018). Musical genre-dependent behavioural and EEG signatures of action planning. A comparison between classical and jazz pianists. NeuroImage, 169, 383-394.
    Bollinger, G. (1981). Kreativitätsmessung durch Tests zum divergenten Denken? Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie, 2, 87-106.
    Gino, Francesca & Ariely, Dan  (2012). The Dark Side of Creativity: Original Thinkers Can Be More Dishonest. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 445–459.
    Hadamard. J. (2003). The Psychology of Invention in the Mathematical Field. Dover Publications Inc.
    Hammerschmidt, K. (2014). Synapsen-Samphonie. Unizeit, Heft 4, Swing in den Synapsen. Karl-Franzens-Universität Graz.
    Haseloff, O. (1971). Fünf Stufen der Kreativität. Manager Magazin, Heft 2, 83-90.
    Keogh, Rebecca, Bergmann, Johanna, Pearson, Joel, Kahnt, Thorsten, de Lange, Floris P., Dijkstra, Nadine (2020). Cortical excitability controls the strength of mental imagery. eLife, doi:10.7554/eLife.50232.
    Khalil, Radwa & Moustafa, Ahmed A. (2022). A neurocomputational model of creative processes. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 137, doi:10.1016/j.neubiorev.2022.104656.
    Lewis, P., Knoblich, G., & Poe, G. (2018). How memory replay in sleep boosts creative problem solving. Trends in Cognitive Sciences, 22, 491-503.
    Ritter, S. M. & Ferguson, S. (2017). Happy creativity: Listening to happy music facilitates divergent thinking. PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0182210.
    Sonnenburg, S. (2007). Kooperative Kreativität. Theoretische Basisentwürfe und organisationale Erfolgsfaktoren. Wiesbaden: VS Verlag.
    Stangl, W. (2022, 3. Juni). Neurobiologisches Modell kreativer Prozesse. arbeitsblätter news.
    https:// arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/neurobiologisches-modell-kreativer-prozesse/
    Stangl, W. (2022, 4. August). Die Farben Rot und Blau beeinflussen die Arbeit. was stangl bemerkt …
    https:// bemerkt.stangl-taller.at/die-farben-rot-und-blau-beeinflussen-die-arbeit.
    Thakral, Preston P., Madore, Kevin P., Kalinowski, Sarah E., Schacter, Daniel L. (2020). Modulation of hippocampal brain networks produces changes in episodic simulation and divergent thinking. Proceedings of the National Academy of Sciences, 117, 12729-12740.
    Urban, K. (2004). Kreativität: Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. Münster: LIT Verlag.
    Zhu, Juliet (2009). Effect Of Colors: Blue Boosts Creativity, While Red Enhances Attention To Detail. ScienceDaily.
    http://www.ku-eichstaett.de/docs/PPF/FGPaed/arbeiten/moises1.htm (00-05-10)
    https://scilogs.spektrum.de/thinky-brain/produktive-langeweile/ (20-07-29)
    https://www.businessinsider.de/karriere/arbeitsleben/kreativitaet-laesst-sich-ueber-4-wege-foerdern-sagt-psychologie-professor-a/ (20-11-18)


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    5 Gedanken zu „Kreativität“

    1. Manche ExpertInnen sind der Ansicht, dass zur Kreativität vor allem ein passendes Umfeld gehört. Nicht der Mensch selbst ist das Problem, sondern die Störungsdichte um ihn, d.h., dass man es schaffen muss, das Grundrauschen um sich herum zu reduzieren, etwa in dem man das Mobiltelefon in den Flugmodus setzt, wenn man sich auf ein Problem oder eine Aufgabe konzentrieren muss. Konzentration kann man trainieren, indem man immer wieder aufs Neue etwas macht, und je öfter man übt, desto leichter fällt Disziplin oder Konzentration. Es ist daher sinnvoll, die Verfügbarkeit von Ablenkungen zu reduzieren. Kreativität ist nicht unbedingt Talent oder Wesensmerkmal, denn auch bei dieser Eigenschaft hängt es es nur davon ab, wie gut man mit seinem Gehirn umgeht. Wenn man in der Lage ist, seine eigenen Gedanken einmal schweifen zu lassen, trainiert das schon die Kreativität, einfach einmal nichts zu konsumieren.

    2. Kreativitätstest von Guilford

      Neurowissenschafter setzen deshalb auf verschiedene Tests, um die direkte Aufforderung zu umgehen. Ein Beispiel für einen Kreativitätstest ist der „Alternative-Verwendungszwecke-Test“, den Guilford 1950 entwickelte, bei dem man sich innerhalb kurzer Zeit so viele Verwendungszwecke für einen Gegenstand ausdenken soll wie möglich, etwa für eine Büroklammer oder einen Ziegelstein. Die Punktzahl ergibt sich dabei aus der Anzahl und der Originalität der Ideen. Der Test hat sich zwar zu einem häufig verwendeten Kreativitätstest entwickelt, misst aber letztlich nichts anderes als das „divergente Denken“, das möglichst viele Lösungen für ein Problem liefert, wobei divergentes Denken auch zu banalen Ideen führen kann, während konvergentes Denken auch manchmal zu originellen Ideen führt. Die Gehirnforschung vermutet das Geheimnis kreativer Ideen in einem Zusammenspiel verschiedener neuronaler Netzwerke, wobei eines davon das Standardnetzwerk ist, also jene Gruppe von Nervenzellen, die über verschiedene Hirnareale verteilt beim Nichtstun aktiv werden. Dabei richtet man den Blick nach innen richten, tagträumt oder schmiedet Zukunftspläne. Sobald es gilt, sich auf äussere Reize zu konzentrieren, verstummt dieses Default-Netzwerk und andere Hirnregionen wie das kognitive Kontrollnetzwerk werden aktiv. Bei der Kreativität muss das menschliche Gehirn mehrere Prozesse gleichzeitig bewältigen, nämlich einen Stimulus – die Aufgabe – von aussen einschätzen, darauf angemessen und kreativ zu eagieren, diese Reaktion zu überprüfen und im Fokus zu behalten, was die anderen Areale im Gehirn tun. Nachgewiesen ist, dass Expertise den kreativen Denkprozess erleichtert, wobei Kreativität nicht nur aber auch Übungssache ist, denn ein genialer Einfall kommt nicht aus dem Nichts, sondern nur dann, wenn das Gehirn über das entsprechende Handwerkszeug verfügt. Im kreativen Prozess spielen sowohl divergentes Denken als auch konvergentes Denken eine Rolle, wobei Kreativitätstechniken und Kreativitätsprozessmodelle versuchen, durch Berücksichtigung beider Denkstile neue, kreative aber auch umsetzbare Ideen zu fördern. Divergentes und konvergentes Denken sind dabei komplementär und ergänzen einander, können aber in der Regel nicht gleichzeitig ausgeführt werden.

    3. Ernst Pöppel

      Kreativität ist die Fähigkeit, Elemente aus verschiedenen Wissensinseln miteinander zu verknüpfen, sodass etwas Neues entstehen kann. Deshalb ist ­Wissen durchaus eine Voraussetzung für Kreativität. Es kann mithin in der ­Wissenschaft von Vorteil sein, etwas ­älter zu sein, weil man dann auf einen grösseren Wissensschatz zurückgreifen kann.

      Ernst Pöppel studierte Psychologie und Biologie in Freiburg, München und Innsbruck, habilitierte sich in Sinnesphysiologie an der Universität München und in Psychologie an der Universität Innsbruck. Von 1976 bis 2008 war Pöppel Professor für Medizinische Psychologie an der Universität München, von 1991 bis 1992 war er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie.

    4. Geistesblitzer

      Ritter (2014) definiert: „Kreativ ist etwas, das zugleich neu und brauchbar ist. Sie unterscheidet zwischen der großen Kreativität (Big C) und der Alltagskreativität (Little c). Erstere bleibt wohl nur wirklich außergewöhnlichen Denkern wie Einstein vorbehalten. Schöpfertum im Alltag kann aber jeder an sich entdecken und gezielt fördern. Kreativität braucht dabei intensive Vorbereitung, denn es ist ein Mythos, dass man Geistesblitze hat, sobald man müßig ist. Eine Inkubationsphase, in der man entspannt, ist zwar wichtig, doch ihr muss aber in jedem Fall eine intensive Vorbereitung vorausgehen, bei der man über das Problem ausgiebig nachdenkt und nach Lösungen sucht.
      Quelle: Ritter , S. (2014). Wie wir auf gute Ideen kommen. Psychologie Heute, 40, 32-37.

    5. Gelungener kurzer Eintrag über Kreativität und ihren Bezug/ ihre Abgrenzung zur Intelligenz! Allen, die tiefer in die „Materie Kreativität“ eintauchen wollen, möchte ich gerne die online-Kreativitätsenzyklopädie CreaPedia.com zum Weiterlesen empfehlen.
      Herzliche Grüße
      Michael Luther

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