Der Begriff Tinnitus aurium (das Klingeln der Ohren“) oder kurz Tinnitus bezeichnet ein Symptom, bei dem die oder der Betroffene Geräusche wahrnimmt, die keine äußere, für andere Personen wahrnehmbare Quelle besitzen. Diesen subjektiven Tinnitus kann nur der Betroffene allein hören, wofür oft eine Funktionsstörung im Innenohr verantwortlich ist, sodass diese Geräusche vom Gehirn des Betroffenen tatsächlich als Input wahrgenommen werden und daher nicht eingebildet sind. Betroffene hören dabei entweder auf einem Ohr, aber auch auf beiden Ohren oder sogar im gesamten Kopfbereich kontinuierlich Töne und Geräusche unterschiedlicher Art, etwa ein Brummen, Surren, Sausen, Zischen, Knarren, Scharren, Dröhnen, Pumpen, Klopfen, Rauschen, Zirpen, Zwitschern, oft häufig Töne in bestimmten Frequenzbereichen, die sich verändern und pulsierend auftreten. Die meisten Betroffenen geben an, höhere Töne zu hören, das einem Klingeln, Pfeifen oder Piepsen ähnelt, wobei neben Tonart und Tonhöhe auch die Lautstärke mehr oder weniger intensiv wahrgenommen werden kann. Manchmal kommen auch mehrere Geräusche und Töne auf ein- und demselben Ohr zusammen, wobei die Lautstärke zu verschiedenen Zeitpunkten sehr unterschiedlich empfunden werden kann, und zwar vom leisen Rascheln von Blättern bis hin zum Dröhnen von Presslufthämmern. Offenbar hängt die Empfindsamkeit der Betroffenen auch von der jeweiligen psychischen Konstituiertheit ab, sodass die Empfindlichkeit im Tages- und Nachtverlauf schwanken kann. Ursache eines Tinnitus sind meist geschädigte Haarzellen im Innenohr, ausgelöst etwa durch einen Hörsturz, ein Schädeltrauma, einen Mittelohrinfekt oder eine große Lärmbelastung, jedoch treten manchmal Ohrgeräusche einfach in stressigen Lebensphasen und ohne speziellen Grund auf. Wichtig: Nicht jeder Mensch, der eine Hörschädigung erleidet, erlebt Tinnitus und nicht jeder Mensch, die akuten Tinnitus hat, bildet diesen Zustand chronisch aus. Auch nicht jeder, der an Tinnitus erkrankt ist, leidet darunter, denn es gibt Betroffene, die in einer friedlichen Koexistenz mit ihrem Störgeräusch im Ohr leben.
Behandlung von Tinnitus
Die übliche medizinische Behandlung bei einem Tinnitus etwa nach einem akuten Hörsturz ist die hochdosierte Gabe von Cortison, meistens in Tablettenform, als Spritze oder als Infusion, denn über den Magen bzw. über die Blutbahn soll Cortison indsas Mittelohr gelangen und die Durchblutung anregen, wobei die genaue Wirkung von Cortison bei Tinnitus noch weitgehend unklar ist. Es werden in der Medizin sowohl durchblutungsfördernde als auch immunologische Effekte diskutiert, außerdem die dadurch bewirkte Entzündungshemmung und Abschwellung, sodass seit Jahren auch versucht wird, durch das Einbringen von Cortison durch dass Trommelfell direkt ins Mittelohr größere Effekte zu erzielen ist als durch Infusion oder Tabletten. Alternativ wird in der kognitiven Verhaltenstherapie versucht, den quälenden Tinnitus-Ton durch Training bewusst zu überhören, bei einer Musiktherapie wird hingegen versucht, dass die Tinnitus-Betroffenen den Tinnitus-Ton selber zu singen oder summen versuchen, ein anderer Ansatz versucht mithilfe von Geräuschen und elektrischen Impulsen das Gehirn schonend um zu programmieren und so die störenden Ohrgeräusche abzuschwächen. Wenn das Gehör bestimmte Frequenzen nicht mehr wahrnehmen kann, kompensiert es dies durch eine stärkere Reaktion im Bereich genau dieser Frequenzen. d. h., das Gehirn versucht die fehlenden Informationen vom Ohr auszugleichen, wodurch der Tinnitus-Ton entsteht. Da es verschiedene Formen von Tinnitus gibt, wird bei jedem Betroffenen der individuelle Tinnitus-Ton ermittelt, und aus diesem Frequenzbereich hört sie oder er anschließend über Kopfhörer Töne und Geräusche, während parallel dazu die Neuronen der Zungenspitze mit leichten elektrischen Impulsen stimuliert werden. Diese Methode wird deshalb verwendet, da einige Nervenbahnen von der Zunge direkt zu dem Zentrum im Gehirn führen, in dem die Hörwahrnehmung stattfindet. Diese elektrische Stimulation signalisiert den überaktiven Tinnitus-Neuronen, sich zu beruhigen. In einer Regensburger Studie verringerten sich die Ohrgeräusche bei etwa achtzig Prozent der Probanden und Probandinnen, die ihr Gehör selbst über zwölf Wochen täglich eine Stunde lang stimuliert hatten. Die Wirkungen dieser Behandlung konnten auch nach längerer Zeit noch nachgewiesen werden.
Grundsätzliches: Ein gesundes Innenohr ist kein stiller Ort, sondern es gibt immer ein Grunderregungsmuster und daher einen Einstrom von Impulsen ins Gehirn, wofür die Fasern für leise Geräusche sorgen. Menschen brauchen einen gewissen Erregungseinstrom von außen, damit das System nicht aus dem Ruder läuft, denn sind diese Fasern defekt, verliert man im betroffenen Frequenzbereich die Fähigkeit, sehr leise Geräusche gut zu hören. Stattdessen entsteht dort ein Rauschen des Gehirns, das normalerweise von genau diesen, für Stille verantwortlichen Hörfasern unterdrückt wird. Weniger hörspezifische Signale werden vom Ohr ans Gehirn gesendet, dort lenken die betroffenen Regionen die Aufmerksamkeit auf das Rauschen, und es kommt zu einem Phantomgeräusch, dem Tinnitus. Setzt man Menschen in eine schalldichte Kammer, in der es keine leisen Geräusche gibt, also kein Grunderregungsmuster, entstehen selbst bei gesunden Menschen Geräusche. Außer in einer schallisolierten Kammer haben die Hörfasern für leise Geräusche aber selbst in der ruhigsten Umgebung immer etwas zu tun. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass diese Fasern für die leisen Geräusche mit dem Alter schwächer werden, was erklärt, warum Altersschwerhörigkeit ein häufiger Auslöser von Tinnitus ist. Darüber hinaus sind diese Fasern vermutlich anfällig für Stress, sodass Kränkungen, Trennungen oder Verluste Auslöser für einen Tinnitus sein können.
Im Gegensatz dazu beruht der objektive Tinnitus auf einer von außen wahrnehmbaren oder zumindest messbaren körpereigenen Schallquelle. Objektiver Tinnitus ist allerdings im Vergleich zum subjektiven Tinnitus sehr selten, kann aber stethoskopisch nachgewiesen werden. In einem Menschen gibt es immer Geräusche aus dem Innenleben, denn bei absoluter äußerer Stille produzieren die menschlichen Sinneszellen selbst Geräusche , die objektiv nachweisbar sind (otoakustische Emission). Solche otoakustische Emissionen sind dabei aktive, akustische Aussendungen des Ohrs, die retrograd, also entgegen der Richtung der Schallwahrnehmung, über das Gehörknöchelchen und Trommelfell in den Gehörgang gelangen und sind bei fast allen Menschen nachweisbar.
Tinnitus als chronische Ohrgeräusche stellt ein häufiges Problem vor allem von erwachsenen Personen dar, das die Lebensqualität sehr stark beeinträchtigen kann. Die störenden Ohrgeräusche entstehen bei von Tinnitus Betroffenen auch dadurch, weil sie plötzlich bestimmte Frequenzen nicht mehr hören können. Man kann sich das wie eine Klaviertastatur vorstellen, bei der eine Taste fehlt, denn das menschliche Gehör ist nach Frequenzen geordnet. Da das Gehirn den fehlenden Ton erwartet, aber nicht empfängt, versucht es diesen analog zu einem Verstärker lauter zu drehen. Die Folge kann eine Rückkopplung sein, die durch die Selbstanregung als Phantomgeräusch wahrgenommen wird. Viele Menschen mit Tinnitus können sich nur sehr schlecht an das ständige Ohrgeräusch gewöhnen und leiden stark darunter. Man vermutet sowohl körperliche als auch psychische Ursachen für die Entstehung eines Tinnitus, wobei zwischen akutem und chronischem Tinnitus unterschieden wird. Psychischen Probleme können demnach auch die Ursache eines sein und die Belastung unter dem Störgeräusch kann so weit gehen, dass Betroffene Suizidgedanken entwickeln. Diese Menschen leiden besonders daran, dass sie sich mit ihrem Problem alleine gelassen fühlen, weil ihr Umfeld das Leiden schwer nachvollziehen kann. Die Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung ist jedoch das Eingeständnis, dass die Geräusche im Ohr von einem psychischen Problem stammen. Tinnitus wird von den Experten meist als ein Symptom betrachtet, das auf eine Krankheit oder auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hinweist, also in einem Zusammenhang mit einer Grunderkrankung steht. Ob ein Tinnitus nur vorübergehend oder stabil ist, kann meist nur schwer prognostiziert werden.
Der akute Tinnitus dauert in der Regel nicht länger als drei Monate. Über diesen Zeitraum hinaus wird vom chronischen Tinnitus gesprochen. Zudem unterscheidet man zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tinnitus. Beim objektiven Tinnitus liegt die Ursache im Körper des Betroffenen selbst – wie zum Beispiel das Rauschen des Blutes im Körper. Rund 90 Prozent aller Betroffenen hat jedoch einen subjektiven Tinnitus, also hört Geräusche im Ohr, die weder eine innere noch eine äußere Schallquelle haben. Im übertragenen Sinn kann der Tinnitus auch als Lärm der Seele bezeichnet werden, wobei die Ohrgeräusche eine Art Schutzfunktion aufweisen können.
Viele Tinnitus-Betroffene reagieren auf Belastung mit muskulärer Anspannung im Kopf- und Nackenbereich, so dass in einem Behandlungsprogramm oft auch die reflektorische muskuläre Verkrampfung reduziert werden muss. Die Geräusche sind sehr vielfältig und reichen von Rauschen, Brummen, Zischen, Pfeifen, Klopfen bis hin zum Knacken. Tinnitus hat übrigens nichts mit auditiven Halluzinationen wie etwa dem Phantom-Handy-Klingeln zu tun. Ein Tinnitus kann auf einem oder beiden Ohren oder sogar mitten im Kopf zu hören sein, die Lautstärke sowohl gleichbleibend als auch variabel. Vor allem ältere Menschen geben an, Ohrgeräusche zu haben, wobei die Anzahl von Frauen und Männern nahezu gleich ist. Bei den meisten Menschen verschwindet der Tinnitus genauso unverhofft wie er gekommen ist. Ein kurzzeitiger Tinnitus kann durch zu laute Musik, einen heftigen Knall oder akute Stressbelastungen auftreten, wobei das Geräusch, das akut Betroffene hören, meist durch Überlastung oder gar Verletzungen der Haarzellen des Innenohrs bedingt ist. Ohrgeräusche können ein Hinweis auf verschiedene Erkrankungen sein, die nicht immer im Ohr zu finden sind, wobei körperliche Auslöser für einen Tinnitus Hörschäden, Drehschwindel, Hörsturz und Probleme in der Halswirbelsäule oder im Kiefer sein können. Nerven im Hals- und Gesichtsbereich sind eng mit denen des Hörsystems verschaltet, was daran liegt, dass das menschliche Gehirn beim Bilden eines Höreindrucks auch die Position des Kopfes mitberücksichtigt, da die Stellung des Kopfes mitverantwortlich dafür ist, wie man einen akustischen Reiz im Raum wahrnimmt. Dann kann man etwa durch Berührungen oder Elektrostimulation im Gesicht die Aktivitäten in den auditorischen Bahnen beeinflussen, also die Behandlung des Tinnitus unterstützen.
Ursachen eines Tinnitus
Aber auch Tumore oder Verletzungen des Ohres können zum Tinnitus führen. Bei den meisten Betroffenen werden jedoch keine körperlichen Ursachen gefunden. Ohrgeräusche, die höchstens einige Wochen dauern, nur phasenweise auftreten und die den Betroffenen wenig einschränken, sind weitgehend unbedenklich. Dauern die Ohrgeräusche jedoch länger oder beeinträchtigen die Lebensqualität von Anfang an erheblich, dann sollten die Betroffene zeitnah einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchen. Der Tinnitus an sich ist zwar keine Krankheit, aber ein Warnsignal des Körpers.
In Untersuchungen ging man der Frage nach, wie stark die Ohrgeräusche die Konzentration und das Gedächtnis beeinträchtigen, und verglich die Leistung von Tinnitusbetroffenen und Gesunden im Stroop-Paradigma. In diesem Test müssen die Probanden jeweils benennen, in welcher Farbe ein auf dem Bildschirm präsentiertes Wort geschrieben ist, und dabei den Begriff selbst ignorieren. Bei diesem Test muss das Gehirn widersprüchliche Informationen verarbeiten, die es erschweren, die korrekte Antwort zu geben. Es zeigte sich, dass das Menschen mit einem Tinnitus besonders schlecht gelingt. Auch das gleichzeitige Bearbeiten zweier Aufgaben bereitet vielen Probleme, denn wenn Probanden mit und ohne Tinnitus Wörter vorlesen sollen, die in einer Ecke eines Bildschirms erscheinen und simultan eine Taste drücken müssen, wenn in der Mitte des Monitors ein Rechteck auftaucht, dann schneiden Menschen mit Tinnitus ebenfalls schlechter ab, aber auch ihr Arbeitsgedächtnis ist dabei stärker beeinträchtigt, sodass sie sich weniger Wörter merken.
Nach einer Theorie ist der Auslöser von Tinnitus häufig ein Defekt zerstörter Haarzellen im Innenohr, nach einer anderen Theorie entsteht Tinnitus durch Umbauvorgänge im Gehirn, denn zerstört etwa übermäßiger Lärm Haarzellen im Innenohr, die einer bestimmten Frequenz zugeordnet sind, erhalten die entsprechenden Neuronen der Hörrinde keinen auditiven Input mehr, sodass diese in der Folge auf die Informationen benachbarter Nervenzellen zurückgreifen, die angrenzende Frequenzen repräsentieren. Bei Tinnitus-Patienten findet sich daher eine sichtbare Verdickung an der Hirnrinde und zwar genau in jenen Bereichen, die für das Hören zuständig sind, was auf eine pathologische Überaktivität des Gehirns in diesen Hörarealen hindeutet, d. h., das Gehirn beschäftigt sich quasi mit sich selbst. Diese Frequenzen sind daraufhin in der Hörrinde im Gehirn überrepräsentiert und vermitteln nun das Ohrengeräusch. Unklar ist nach Meinung von Experten, ob die Reorganisation eine kausale Voraussetzung des Tinnitus ist oder eher ein Kompensationsversuch. Die Remapping-Theorie geht davon aus, dass sich die cortikale Antwort des normalen Hörfelds erhöht und dadurch das Pfeifen entsteht. Allerdings bewegt sich Tinnitus meist genau in jenem Spektrum, der eigentlich durch die zerstörten Haarzellen ausfallen müsste.
Tinnitus-Betroffene lauschen den störenden Geräuschen aus ihrem Inneren meist sehr konzentriert und bewusst, was für das Gehirn bedeutet, dass das Geräusch offensichtlich sehr wichtig sein muss. Es verstärkt daher die bewusste Wahrnehmung und lässt das Geräusch für die Betroffenen oft erst zu einem Leiden werden. An diesem Punkt setzen einige wirksame Therapien an, denn nicht jeder empfindet das Klingeln oder Sausen im Ohr als permanente Qual und viele schaffen es auch, dem Geräusch im Alltag eher wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Man spricht in diesem Fall von einem kompensierten Tinnitus, d. h., in der an einer Hypothese ansetzenden Therapie soll gelernt werden, den Tinnitus zu dekompensieren. In einem ersten Schritt lernen die KlientInnen zunächst zu verstehen, woher das Ohrgeräusch kommt, denn das nimmt zunächst teilweise die Angst. Dann kommt in einem zweiten Schritt ein Tinnitus-Noiser zum Einsatz, der ein angenehmes Geräusch erzeugt, auf das sich die Betroffenen konzentrieren sollen – verhaltenstherapeutisch kommt es zu einer Inkompatibilität zweier Empfindungen. Häufig ist es auch eine besonders negative Einstellung, die das Sausen oder Klingeln zum Problem werden lässt, denn nicht selten leiden die vom Tinnitus Betroffenen an einer allgemeinen Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen.
Diagnose von Tinnitus
Wird ein Tinnitus diagnostiziert, erfolgt zunächst die Ermittlung seiner Frequenz, indem man den Betroffenen Töne vorspielt, die er mit seinem Ohrgeräusch vergleichen muss. Die Tinnitusfrequenz liegt fast immer in jenem Bereich, in dem der Betroffene schlecht hört, also dort, wo zu wenig Impulse von außen auf das Hörzentrum treffen. Bei über achtzig Prozent der Betroffenen ist es ein Frequenzbereich zwischen 1000 und 8000 Hz. Ein gesunder Mensch hört Frequenzen zwischen 16 und 20.000 Hz, angenehm ist der Bereich zwischen 500 und 4000 Hz, dort sind auch Sprache und Musik angesiedelt.
Bisher gab es kein objektives Maß für Tinnitus, das klinisch verwendet werden kann, d. h., die klinische Beurteilung der Erkrankung stützte sich weitgehend auf subjektives Feedback von Einzelpersonen, das nicht aber immer zuverlässig ist. Shoushtarian et al. (2020) untersuchten die Sensitivität der funktionellen Nah-Infrarot-Spektroskopie zur Unterscheidung von Menschen mit und ohne Tinnitus und nutzten dabei zur Identifizierung fNIRS-Merkmale, die mit der subjektiven Bewertung des Tinnitus-Schweregrads assoziiert sind. Die funktionelle Nah-Infrarot-Spektroskopie misst ähnlich wie das fMRT Veränderungen im Sauerstoffgehalts des Bluts im Gehirn, doch hat das fNIRS eine bessere zeitliche Auflösung und erzeugt keinen Scannerlärm, ist portabel, kostengünstig und daher auch für den Routineeinsatz geeignet. Sie zeichneten fNIRS-Signale im Ruhezustand und als Reaktion auf auditive oder visuelle Stimuli von 25 Probanden mit chronischem Tinnitus und 21 Kontrollpersonen auf, die auf Alter und Hörverlust vergleichbar waren. Der Tinnitus-Schweregrad wurde mit Hilfe des Tinnitus Handicap Inventory bewertet und die subjektiven Bewertungen von Tinnitus-Lautheit und Belästigung auf einer visuellen Analogskala gemessen. Die Spektroskopie zeigte in mehreren Bereichen des Gehirns signifikante Aktivitätsunterschiede zwischen den Tinnitus-Patienten und der Kontrollgruppe, wobei es diese Unterschiede erlaubten, die Schwere des Tinnitus abzuschätzen, d. h., je lauter die Probanden und Probandinnen in vorherigen Befragungen ihr Ohrgeräusch eingestuft hatten, desto ausgeprägter waren auch ihre neurologischen Abweichungen von der Kontrollgruppe. Bei den von Tinnitus Betroffenen war die Verbindung zwischen Arealen des Schläfenlappens und dem Stirnhirn verstärkt ausgeprägt, wobei die Verknüpfung der auditorischen Areale mit dem präfrontalen Cortex dafür bekannt ist, eine wichtige Rolle in der bewussten Geräuschwahrnehmung und auch bei Tinnitus zu spielen. Auch gab es in Bereichen des Hinterhauptslappens messbare Differenzen, also im Areal des Cuneus, ein an der Verarbeitung von visuellen Reizen beteiligtes Areal. Da es aber funktionelle Verknüpfungen zwischen den auditorischen und visuellen Regionen gibt, kann Tinnitus gängiger Vorstellung nach auch zu einer anormalen Aktivität im Cuneus führen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz war es möglich, die Nah-Infrarot-Daten mit 78 bis 87 prozentigen Treffsicherheit den beiden Gruppen zuordnen.
Neuere Forschungen von Edvall et al. (2022) zeigen, dass auditive Hirnstammreaktionen möglicherweise ein objektives Diagnoseinstrument zur Identifizierung eines konstanten Tinnitus darstellen können, wobei man damit die Aktivität des Gehirns als Reaktion auf eine bestimmte Abfolge von Schallreizen misst. Es handelt sich dabei um die Hirnstamm-Audiometrie, mit der man Veränderungen im Gehirn von Menschen mit konstantem Tinnitus messen kann. Es ist nämlich äußerst wichtig, dass man eine objektive Diagnosemethode für Tinnitus besitzt, um die Erkrankung der Betroffenen zu erkennen, sodass sie richtig behandelt werden können und um die Entwicklung neuer Therapien voranzutreiben. Die Forschungsergebnisse deuten auf einen kausalen Zusammenhang zwischen bestimmten Veränderungen in der neuronalen Aktivität des Gehirns und der Entwicklung eines konstanten Tinnitus hin. ForscherInnen haben 405 Personen untersucht, von denen 228 über Tinnitus klagten, wobei sich die Messergebnisse von Erkrankten stark von denen der gesunden Probanden unterschieden und auch von denen, die nur zeitweise störende Geräusche vernahmen. Zudem beobachteten man 20.000 Probanden mit konstantem und temporärem Tinnitus sowie Gesunde über einen längeren Zeitraum, um herauszufinden, wie sich der Gesundheitszustand änderte. Es zeigte sich, dass Menschen, die zeitweise unter Tinnitus leiden, ein hohes Risiko haben, dass sich die Geräusche im Ohr zu einer Dauerbelastung entwickeln. Diese Erkenntnisse sind bedeutsam, damit Menschen mit gelegentlichem Tinnitus sich der Risiken bewusst werden und die Chance haben, präventiv zu handeln. Die Behandlungsmöglichkeiten sind allerdings in den meisten Fällen eng begrenzt, wobei aber eine kognitive Verhaltenstherapie Betroffenen allerdings oft helfen kann, mit den Ohrgeräuschen besser zurechtzukommen und die Lebensqualität zu verbessern.
Therapieansätze bei Tinnitus
Zwei Prozent der Bevölkerung fühlen sich nach Aussage der Deutschen Tinnitus-Liga durch einen Tinnitus mittelschwer oder bis zur Unerträglichkeit belastet. Eine solche Tinnitusbelastung kann durch eine kognitive Verhaltenstherapie erfolgreich gesenkt werden. In der Verhaltenstherapie lernen Betroffene Techniken, die ihnen helfen, sich nicht auf das Ohrgeräusch zu konzentrieren, wobei meist auch Entspannungsübungen zur Therapie gehören, denn Stress erhöht das Leiden am inneren Lärm. Allerdings hat nicht jeder die Möglichkeit oder auch den Wunsch, eine Psychotherapie zu beginnen. Wie eine deutsch-schwedische Studie nun gezeigt hat, können die Betroffenen mit gleichem Erfolg ein internetbasiertes Behandlungsprogramm durchführen, bei dem sie sich selbstständig und aktiv neue Bewältigungsstrategien aneignen müssen.
Bei den wirksamen Therapien geht es vor allem darum, der Eigenständigkeit der Hörareale im Gehirn einen Gegenimpuls zu liefern, also um die Ablenkung der Aufmerksamkeit. Beim Tinnitus mit psychischer Erkrankung, wie zum Beispiel einer Depression, sollte man die Aufmerksamkeit auf die Therapie der Depression lenken, dann wird bei den meisten das Geräusch im Ohr automatisch leiser oder geht, im besten Falle, sogar ganz weg. Auch körperliche Aktivitäten und aktive Entspannungstechniken können nachweislich sehr hilfreich sein, Qi Gong, Bewegungsmeditation oder Progressive Muskelentspannung sind wirksam. Alle Entspannungstechniken sollten allerdings möglichst mit Umgebungsgeräuschen und nicht in der Stille praktiziert werden, denn ansonsten kann ein gegenteiliger Effekt entstehen. Die Retraining-Therapie zielt darauf ab, dass Betroffene von dem Geräusch im Ohr abgelenkt werden, um die Töne aus dem Bewusstsein zu verbannen. So kann der Tinnitus leiser werden oder sogar ganz weggehen. Die Langzeittherapie ist ein Verbindung aus ausführlichem Aufklärungsgespräch (Counseling), psychologischer Betreuung, Entspannungstechnik und dem Einsatz technischer Geräte, und dauert meist zwischen 12 und 24 Monate.
Nach neueren Untersuchungen in Heidelberg (Grapp et al., 2013) eignet sich auch eine Neuro-Musiktherapie zur Behandlung von Tinnitus, bei der zu Beginn für jeden Betroffenen mittels eines Synthesizers ein individueller tinnitus-ähnlicher Klang bzw. Rauschen erstellt wird. Mit dieser Therapie wurden in einer Studie Menschen mit akutem Tinnitus, denen eine erste medizinische Versorgung nicht geholfen hatte, behandelt. Die angewandte Neuro-Musiktherapie eignet sich vor allem deshalb bei der Behandlung von Tinnitus, da die störenden Ohrgeräusche wie auch das Musikhören vom menschlichen Gehirn als akustische Reize wahrgenommen und in den denselben Gehirnarealen verarbeitet werden. Die erprobte Musiktherapie hat dabei zu einer Verringerung der subjektiven Tinnitusbelastung um bis zu 85 Prozent geführt, wobei schon eine fünftägige Behandlung zu Veränderungen in den primären und sekundären Hörarealen, in Gehirnbereichen, die mit Konzentration und Aufmerksamkeit zusammen hängen, sowie in Arealen des sogenannten Default-Mode Netzwerks geführt haben. Untersuchungen an einigen wenigen Betroffenen zeigten aber auch, dass beim Tinnitus nicht allein das Hörzentrum betroffen sein kann, sondern auch andere Hirnareale mit aktiviert werden, wie etwa der sensomotorische Cortex, die Temporal- und Parietiallappen sowie das limbische System.
Man hat nun auch eine Neuro-Musik-Therapie entwickelt, die auf einer Verbindung von psychosozialer Beratung, Stressmanagement und einer speziellen Musik-Therapie beruht, in der die Betroffenen lernen, ihre Ohrgeräusche wegzusummen, denn beim Summen erzeugt die Stimme automatisch auch Obertöne, von denen einige die Tinnitusfrequenzen treffen. Die Tinnitus-Patienten können über das Nachsummen und Singen von Grundtönen zur meist höheren Tinnitus-Frequenz den fehlenden Ton im Gehirn rekonstruieren. Das kann das Gehirn letztlich dazu bringen, die im Gehör fehlenden Obertöne wieder vermehrt wahrzunehmen und dadurch deren fehlgeleitete Übersteuerung dieser Frequenzen rückgängig machen. Untersuchungen haben nun auch neurologisch belegt, warum diese Form der Musiktherapie in Verbindung mit Entspannungsübungen bei Tinnitus so erfolgreich ist: Über Aufnahmen im Magnetresonanz-Tomographen konnten Krick et al. (2015) nachweisen, dass sich schon nach fünf Tagen die Gehirnstrukturen verändern. d. h., der Lernfortschritt während der Musiktherapie reorganisiert jenes Gewebe im Gehörcortex, das aufgrund der Tinnitus-Störung zunächst abgebaut wurde. Man konnte nachweisen, dass schon nach wenigen Tagen die Neuronen, die den Höreindruck verarbeiten, nachgewachsen sind, d. h., es wurde die Struktur des betreffenden Areals des Gehirns umgebaut und zwar dauerhaft. Bei den Betroffenen, die den Therapiefortschritt als besonders erfolgreich wahrgenommen hatten, waren auch die stärksten Veränderungen im Gehirn zu beobachtent. Auch bei den gesunden Vergleichspersonen konnten die Forscher neue Strukturen erkennen, denn dort wuchs Gewebe in jenen Gehirnarealen nach, die für die Stressverarbeitung von Bedeutung sind. Überraschend waren für die Forscher die Geschwindigkeit und das deutliche Ausmaß des Gehirnumbaus.
Eine weitere Form der Tinnitustherapie, die Taylor-Made Notched Music, also maßgeschneiderte gefilterte Musik, beruht auf dem Gedanken, dass die hyperaktiven Nervenzellen im Hörzentrum von Tinnituspatienten umlernen können, ihr Signalfeuerwerk gehemmt werden kann. Zuerst wird dafür die genaue Frequenz des Tinnitus bestimmt, dann wird sie aus einem Musikstück herausgefiltert, d. h., die Musik hat dann ein kleines Loch im Spektrum. Wenn Betroffene das bearbeitete Stück hören, werden die Nervenzellen im Hörzentrum gezielt geschont und durch die veränderte Musik lernen die Nerven um, d. h., der Tinnitus lässt allmählich nach.
Zum Einsatz kommen auch Tinnitus-Noiser, die im Ohr ein Geräusch erzeugen, mit dem der Tinnitus maskiert werden soll, denn da Menschen immer in einer Umgebung mit Hintergrundgeräuschen leben, kann man damit einen Tinnitus bis zu einem gewissen Grad überdecken. Voraussetzung allerdings ist, dass die Geräusche als angenehmer empfunden werden als der Tinnitus selbst, was etwa über Wassergeräusche wie einen gurgelnden Bach, eine sanfte Meeresbrandung oder eine sprudelnde Quelle erfolgen kann. Es gibt dazu zahlreiche Aufnahmen, die man dafür nutzen kann, wobei man diese dann meist über Kopfhörer oder ein im Hintergrund laufendes Abspielgerät appliziert. Allerdings ist diese Methode nicht immer wirksam, denn während einige Betroffene damit gut zurecht kommen, fühlen sich andere dadurch eher gestört bzw. ihr Tinnitus wird dadurch sogar noch lauter.
Marburger PsychologInnen testeten auch, ob ein Neurofeedback–Training den Betroffenen helfen kann, um die Belastungen durch Phantomgeräusche zu vermindern. Erste Studien zeigten, dass Veränderungen in der Aktivität der Gehirnwellen zur Tinnitusentstehung und – wahrnehmung beitragen können. Besteht ein Tinnitus, ist dieses Muster der Gehirnwellen möglicherweise etwas verändert. Beim Neurofeedback schauen die Betroffenen ihrer eigenen Hirnaktivität zu, die durch Elektroden auf der Kopfoberfläche aufgenommen und auf einem Bildschirm sichtbar gemacht wird. Die Probanden und Probandinnen üben dabei, Kontrolle über Gehirnprozesse zu erlangen, die unter normalen Umständen unwillkürlich ablaufen. Man hofft, mit dem Neurofeedback diejenige Aktivität im Gehirn zu reduzieren, die für die Erzeugung der anhaltenden Geräuschwahrnehmung verantwortlich ist. Außerdem will man damit beeinflussen, wie die Betroffenen ihren Tinnitus wahrnehmen und bewerten, denn manche Menschen leben gut mit Tinnitus und können ihn ignorieren, auch wenn er laut ist, während andere mit kaum hörbarem Tinnitus große Schwierigkeiten haben, sich mit der Störung abzufinden. Diese Unfähigkeit, den eigenen Tinnitus zu akzeptieren, kann zu Schlafproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Angstzuständen führen. Man vermutet, dass die Areale des Gehirns, die für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich sind, dabei eine bedeutsame Rolle spielen, und man hofft, dass mit einem Neurofeedback-Training dieses Tinnitus-Belastungs-Netzwerk im Gehirn unterbrechen, damit die Betroffenen mit dem ständigen Rauschen im Kopf besser zurechtzukommen. Schon Weise et al. (2007) haben mit einer Biofeedback-gestützten Behandlung eine deutliche Verringerung der Tinnitusbelastung nachgewiesen, sodass diese ein gut akzeptiertes und wirksames Verfahren zur Verringerung der Tinnitusbelastung darstellen kann. Konkret: Man versucht mit dieser Methode, die Gehirnwellen umzuprogrammieren und sie dem Muster eines Menschen ohne Tinnitus anzugleichen. Ist die Gehirnaktivität gut, belohnt der Computer etwa mit einem schön fliegenden Raumschiff, zeigen sich hingegen unerwünschte, typische Tinnitus-Muster, stockt das Flugobjekt, steuert in die Tunnelwand, und das Bild wird wolkig. Man weiß dabei zwar nicht, wie es der Einzelne bzw. sein Gehirn schafft, das Computerspiel immer besser zu lenken, doch ein Trainingseffekt stellt sich in den meisten Fällen ein und damit eine Abschwächung des Tinnitus. Übrigens ist diese Computerspiel-Methode bei Migräne recht bewährt.
Hörschädigung und Tinnitus
Man weiß, dass nicht jeder Mensch, der eine Hörschädigung erleidet, Tinnitus erlebt, und nicht jeder, der akuten Tinnitus hat, diesen Zustand auch chronisch ausbildet. Neuere Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass Tinnitus-Betroffene dramatisch veränderte Vorhersageprozesse aufweisen. Diese haben eine ausgeprägte Fähigkeit, Regelmäßigkeiten zu erkennen und diese für Vorhersagen zu nutzen. In schwierigen Hörsituationen, wie etwa starkem Hintergrundlärm, ist dies von Vorteil, doch ist damit auch die Disposition verbunden, nach einer Hörschädigung Tinnitus auszubilden. Demarchi et al. (2019) haben nun mit Hilfe der Magnetoenzephalographie – eine Messung der magnetischen Aktivität des Gehirns durch äußere Sensoren – untersucht, ob Vorhersagen über zukünftige Hörreize tonspezifische Informationen enthalten, denn die Teilnehmer hörten passiv Klangsequenzen von vier Trägerfrequenzen mit einer festen Präsentationsrate und sorgten so für eine starke zeitliche Erwartung, wann der nächste Stimulus stattfinden würde. Die Erwartung, welche Frequenz auftreten würde, wurde parametrisch über die Sequenzen moduliert, wobei gelegentlich Geräusche weggelassen wurden. Es konnte gezeigt werden, dass die Erhöhung der Regelmäßigkeit der Sequenz die trägerfrequenzspezifischen neuronalen Aktivitätsmuster sowohl während der Antizipations- als auch der Auslassungsphase verstärkt, was darauf hindeutet, dass die prädiktionsbezogene neuronale Aktivität tatsächlich merkmalsspezifisch ist. Die Ergebnisse zeigen, dass auch ohne Bottom-up-Input akustische Vorhersagen tonotopisch spezifische Vorlagen aktivieren können. Da sich erwartete Tonhöhen in der Gehirnaktivität niederschlagen, könnte dieEntdeckung dieser individuellen Muster die Tinnitus-Forschung voranbringen.
Literatur
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