Beim REM-Schlaf handelt es sich um eine Phase unruhigen Schlafes, die sich durch eine unregelmäßige Atmung und eine leicht erhöhte Muskelspannung auszeichnet, er wird auch als paradoxer Schlaf bezeichnet. Der REM-Schlaf ist im nächtlichen Schlafzyklus jene Schlafphase, in der sich die Augen schnell bewegen (rapid eye movements). In diesem sich meist in einer Nacht wiederholenden Schlafstadium kommt es oft zu lebhaften Träumen. Der REM-Schlaf wird daher als paradoxer Schlaf bezeichnet, da die Muskeln bis auf kleinere Zuckungen entspannt, aber andere Körperfunktionen aktiv sind. Während der Nacht wechseln sich mehrfach Phasen des REM-Schlafes und des Non-REM-Schlafes ab.
Der REM-Schlaf ist jene Phase, in der Menschen am meisten träumen und vermutlich auch am meisten lernen, denn entfällt der REM-Schlaf, macht sich das in einem rapiden Leistungsabfall bemerkbar. Nach neuesten Forschungsergebnissen verändert sich der REM-Schlaf mit dem Lebensalter, denn macht er bei Neugeborenen noch rund die Hälfte der gesamten Schlafzeit aus, sind es bei Erwachsenen jenseits der Lebensmitte nur noch rund fünfzehn Prozent. Dabei nimmt die Dauer des REM-Schlafs aber nicht kontinuierlich ab, sondern es gibt einen starken Bruch im Alter zwischen zwei und drei Jahren, wobei sich das auch bei Tieren im vergleichbaren Alter beobachten lässt (s.u.).
Die Kreativitätsforschung hat übrigens gezeigt, dass im REM-Schlaf Menschen nicht nur die lebendigsten Träume haben, sondern dass auch die Verbindung zwischen den Hirnregionen für Logik und Gedächtnis geschwächt sind. Das erlaubt dem Gehirn, die Gedanken neu zu ordnen, festgefahrene Konzepte werden plötzlich mit anderen in Verbindung gebracht, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. So entstehen nicht selten wertvolle Assoziationen, wobei manche Menschen dann mitten aus einem Traum oder auch erst am nächsten Morgen mit einer innovativen Idee aufwachen, die sie am Tag davor noch nicht sehen konnten.
Seit der Entdeckung des REM-Schlafs ist die Art der Augenbewegungen, die für diese Schlafphase charakteristisch sind, immer noch rätselhaft, denn es ist unklar, ob es sich um Blickverschiebungen in der virtuellen Umgebung der Träume handelt oder diese einfach eine zufällige Hirnstammaktivität widerspiegeln. Der als Scanning-Hypothese bekannte Ansatz wird bereits seit längerer Zeit erforscht, doch bisherige Experimente kamen zu eher ungenauen Ergebnissen, denn so wurden etwa Traumschilderungen von Menschen nach dem REM-Schlaf mit Messergebnissen abgeglichen oder jene, die zum luziden Träumen fähig sind, ihre Träume also aktiv steuern können, wenn ihnen eine bestimmte Blickabfolge vorgegeben wird, die sie im Traum umsetzen sollen. Senzai & Scanziani (2022) haben sich jüngst das Kopfrichtungs-System im vorderen dorsalen Kern des Thalamus der Maus zunutze gemacht, eine Neuronenpopulation, deren Aktivität bei wachen Mäusen ihres tatsächlichen Kopfrichtungs-Systems während der Erkundung ihrer Umgebung und bei schlafenden Mäusen ihr virtuelles Kopfrichtungs-System wiedergibt. Da Mäuse mit leicht geöffneten Augen schlafen, war es also möglich, die Aktivität der Neuronen mit den Augenbewegungen abzugleichen. Man entdeckte, dass die Richtung und Amplitude der schnellen Augenbewegungen die Richtung und Amplitude des Kurses der Mäuse in ihrer virtuellen Umgebung während des REM-Schlafs kodierten. Es war möglich, die tatsächliche Richtung in der realen und virtuellen Welt der Mäuse im Wachzustand bzw. im REM-Schlaf anhand der sakkadischen Augenbewegungen vorherzusagen. Die schnellen Augenbewegungen geben also vermutlich Aufschluss über Blickverschiebungen in der virtuellen Welt des REM-Schlafs und können damit möglicherweise einen Einblick in die kognitiven Prozesse des schlafenden Gehirns geben.
Im Detail: Der REM-Schlaf beträgt beim Erwachsenen durchschnittlich 104 Minuten mit einer Streuung von 16 Minuten pro Nach, was bedeutet, dass der REM-Schlaf 17.5 -23.8% der gesamten Schlafdauer einnimmt. Die Dauer bis zur ersten NON-REM-Phase beträgt durchschnittlich 1 Stunde. Die Phase eines Non-REM-REM-Schlaf-Zyklus beträgt beim Menschen durchschnittlich ca. 90 Minuten und wird als BRAC (basic rest activity cycle) bezeichnet. Im Verlauf des Schlafes verändert sich der zeitliche Verlauf der BRAC. Zu Beginn des Schlafes beträgt der BRAC 70-80 Minuten, aber im 2. und 3. Zyklus werden die BRACs länger und betragen 100-110 Minuten, doch in den anschließenden Phasen verkürzt sich der BRAC wieder. steigert sich der REM-Anteil von anfänglich 5-10 Minuten auf 22 Minuten in der letzten Phase, aus der man in der Regel erwacht. Im Schlaf von acht Stunden werden meist 3-6 REM-Phasen gefunden. Vor der REM-Phase liegen die slow-wave-sleep-Wellen (SWS), die aber in den letzten beiden Zyklen wenig oder gar nicht vorkommen. Im REM-Schlaf findet man rasche Abwärtsbewegungen der Augen und konjungierte Augenbewegungen. Mit dem REM gehen phasische Muskelaktivitäten in den Extremitäten und der Gesichtsmuskulatur einher. Auch die Pupillen und glatte Muskeln sind betroffen. Im REM-Schlaf kommt es zu einer totalen Muskelatonie (Muskelerschlaffung), aus der im Traum das Gefühl gelähmt zu sein resultieren kann. Aufgrund der Atonie ist eine Grobbewegung oder Haltungsänderung selten. Diese Atonie stellt sicher, dass der Träumende nicht etwa zu laufen beginnt, aufspringt springen oder mit den Händen gestikuliert, sondern trotz der Erlebnisse ruhig im Bett liegen bleibt. Allerdings wird die REM-Phase häufig durch eine grobmotorische Reaktion eingeleitet.
Anmerkung: Wenige Menschen leiden unter dem Schenck-Syndrom, d. h., sie leben ihre Träume aus, sie sprechen im Schlaf, laufen im Bett, treten oder schlagen um sich. Diese Traum-Schlaf-Verhaltensstörung (Parasomnie) findet sich vor allem bei Männern, wobei dieses Syndrom in der Regel erst im höheren Alter auftritt. Dabei können die vom Schenck-Syndrom Betroffenen entweder sich selbst oder aber ihre Bettpartner gefährden. Dieses Syndrom geht auch häufig mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer einher.
Nach neuesten Untersuchungen (Goerke et al., 2014) können Medikamente, die den REM-Schlaf unterdrücken, also die Schlafphasen, in denen die meisten Träume stattfinden und die Erinnerungen im Gedächtnis verfestigt werden, Gedächtnisstörungen hervorrufen. Vor allem Antidepressiva beeinflussen die kognitiven Leistungen, indem in den REM-Schlafphasen Erinnerungen im Langzeitgedächtnis nicht verfestigt werden können und damit das prozedurale Lernen stören. Man vermutet, dass solche kognitiven Beeinträchtigungen manchmal nicht so sehr Ausdruck einer Erkrankung sind, sondern diese erst durch die Antidepressiva hervorgerufen werden. Neuere Arbeiten deuten allerdings darauf hin, dass der REM-Schlaf nach dem Lernen nicht so entscheidend für die Gedächtniskonsolidierung ist, denn eine Studie von Rasch et al. (2018) zeigte jedoch, dass die Unterdrückung des REM-Schlafs durch Serotonin/Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer die Gedächtniskonsolidierung einer motorischen Aufgabe eher verbessert. Offenbar ist REM-Schlaf für sich genommen für die Gedächtnisbildung im Schlaf nicht erforderlich, doch könnte es sein, dass einige neurobiologische Prozesse, die normalerweise zusammen mit dem REM-Schlaf auftreten, durch die Gabe von Antidepressiva nicht unterdrückt werden oder sogar verstärkt werden, und so weiter die Gedächtnisbildung unterstützen.
Bisher lagen die molekularen Mechanismen hinter dem sogenannten REM-Schlaf weitgehend im Dunkeln, doch gibt es nun Indizien dafür, dass der Neurotransmitter Acetylcholin und seine Rezeptoren eine wichtige Rolle für die Regulierung des Traumschlafs spielen. Yasutaka et al. (2018) haben zwei Genabschnitte identifiziert, die eine wichtige Rolle für das Träumen spielen. denn sie konnten in Experimenten zeigen, dass Mäuse, wenn diese abgeschaltet sind, nicht mehr in den Traumschlaf fallen. Vor allem die Rezeptoren Chrm1 und Chrm3 sind entscheidend für die Schlafarchitektur, denn bei Mäusen ohne ein aktives Chrm1-Gen zeigten sich im Gehirn Anzeichen für einen fragmentierten und insgesamt deutlich kürzeren REM-Schlaf, war hingegen Chrm3 ausgeschaltet, reduzierte sich die Dauer des Non-REM-Schlafs. Schaltete man beide Gene gleichzeitig aus, durchliefen die Tiere im Schlaf fast überhaupt keine Traumschlafphasen mehr. Daher vermutet man, dass diese Gene eine wesentliche Rolle bei der Schlafregulation spielen.
Verschiedene Belege deuten darauf hin, dass Säugetiere und vielleicht sogar Vögel einen Teil ihrer Schlafenszeit im REM-Schlaf verbringen, also in jener Schlafphase, in der der Mensch am lebhaftesten träumt. Zwischen zehn und fünfundzwanzig Prozent ihres Schlafs verbringen also auch Hunde, Katzen oder Gorillas in dieser Schlafphase, fast genauso viel wie der Mensch. Zwar ist es aus einer evolutionären Perspektive wahrscheinlich, dass sich die Fähigkeit zu träumen in der Evolution schon vor dem Menschen entwickelt hatte, doch das Problem besteht darin, das auch schlüssig zu beweisen. Jouvet (1967) gelang es, die im REM-Schlaf vorhandene Muskellähmung bei Katzen aufzuheben, worauf sie im REM-Schlaf buckelten, fauchten und im Käfig umherliefen, d. h., die Katzen verhielten sich offensichtlich so, als ob sie jagten oder gegen einen unsichtbaren Feind kämpften, obwohl sie während der gesamten Zeit fest schliefen. Louie & Wilson (2001) schließlich trainierten Ratten darauf, ein Labyrinth zu durchlaufen, wobei beim Lernen und in der nachfolgenden Schlafphase ihre Hirnströme aufgezeichnet wurden. Der Vergleich der Gehirnstrombilder zeigte, dass Spuren des episodischen Gedächtnisses im REM-Schlaf reaktiviert werden, d. h., dass die Tiere im Traum ihre Erlebnisse offenbar rekapitulierten.
Weitere Studien an Mäusen (Boyce et al., 2016) haben gezeigt, dass die REM-Phase für die räumliche Erinnerung essentiell ist. Mit Hilfe der Optogenetik konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen dieser Schlafphase und der räumlichen Erinnerung nachgewiesen werden. In der Studie wurden Mäuse so trainiert, dass sie eine räumliche Orientierungsaufgabe lösen konnten, wonach bei den Tieren während des Schlafs jene Nervenzellen des Hippocampus, die für die räumliche Erinnerung zuständig sind, mittels Lichtimpulsen unterdrückt. Fand diese Unterdrückung während der REM-Phase statt, war die Erinnerung am nächsten Morgen signifikant schwächer, als wenn sie während einer anderen Schlafphase vorgenommen wurde. Übrigens ist auch bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer die REM-Phase oft massiv gestört ist.
Bei Mäusen hat der REM-Schlaf auch Funktionen bei der Gehirnentwicklung, dem Lernen und der Gedächtniskonsolidierung, indem in ihm neu gebildete Synapsen selektiv eliminiert werden. Dieser Prozess verläuft nach Hobson et al. (2014) ähnlich wie beim Wake-Sleep-Algorithmus des AI-Pioniers Geoffrey Hinton, durch den unnötige Verbindungen in künstlichen neuronalen Netzen gelöscht werden, was Ressourcen spart und es einem Netzwerk erlaubt, die erlernten Objektkategorien zu verallgemeinern. Das Netz vergisst dabei Details, die für die Erkennung eines Objekts offenbar keine Rolle spielen, etwa das genaue Muster der Flecken im Fell eines Dalmatiners.
Tsai et al. (2021) gelang es mit Hilfe der Zwei-Photonen-Mikroskopie, den Fluss roter Blutkörperchen durch die Hirnkapillaren bei Mäusen sichtbar zu machen. Der Blutstrom versorgt die Neurone nicht nur mit Sauerstoff, sondern entsorgt ebenfalls Stoffwechselprodukte. An der Hirnaktivität der Labormäuse ließ sich ablesen, ob und in welcher Schlafphase sich die Tiere befanden. Während des REM-Schlafs kam es zu einem massiven Anstieg des Blutstroms durch die Kapillaren in verschiedenen Hirnregionen. Dagegen unterschied sich der Blutfluss in den übrigen Schlafphasen nicht vom Wachzustand. Hinderte man die Mäuse zwischenzeitlich am Einschlafen, verstärkte dies beim nächsten Schlummer den REM-Schlaf – und der Blutstrom nahm weiter zu. Der erhöhte kapillare RBC-Fluss während des REM-Schlafs deutet darauf hin, dass die kapillare CBF den REM-Schlafdruck widerspiegelt. Auf molekularer Ebene ist die Signalübertragung über Adenosin-A2a-Rezeptoren entscheidend; bei A2a-KO-Mäusen wird der kapillare CBF-Anstieg während des REM-Schlafs gedämpft, und die Auswirkungen des REM-Schlafdrucks werden aufgehoben. Diese Ergebnisse liefern Beweise für die Dynamik des kapillaren CBF in verschiedenen Schlaf-/Wachzuständen und geben Einblicke in die zugrunde liegenden Mechanismen. Für die Medizin ist das vor allem deshalb interessant, weil ein gestörter REM-Schlaf zu vermehrter Ansammlung von Stoffwechselprodukten im Gehirn führen kann und das Alzheimerrisiko erhöht.
Jüngste Studien haben schlafähnliche Zustände bei Gliederfüßern, Fadenwürmern und sogar Nesseltieren überzeugend nachgewiesen, allerdings ist die Existenz unterschiedlicher Schlafphasen in verschiedenen Arten noch unklar, insbesondere die Erforschung des REM-Schlafs konzentriert sich immer noch weitgehend auf Landwirbeltiere, insbesondere Säugetiere und Vögel. Der auffälligste Indikator für den REM-Schlaf ist die Bewegung der Augen während dieser Phase, doch haben sich bewegliche Augen nur bei einer begrenzten Anzahl von Arten entwickelt, eine Anpassung, die bei Insekten und den meisten terrestrischen Gliederfüßern fehlt, was einen artenübergreifenden Vergleich erschwert. Springspinnen verfügen jedoch über bewegliche Netzhautröhren, um den Blick umzulenken, und bei frisch geschlüpften Spinnentieren können slche Bewegungen durch ihr vorübergehend durchscheinendes Exoskelett direkt beobachtet werden. Rößler et al. (2022) konnten nun Beweise für einen REM-Schlaf-ähnlichen Zustand bei Springspinnen erbringen, also von periodischen Anfällen von Netzhautbewegungen, gekoppelt mit Gliederzuckungen und stereotypem Beinrollverhalten während der nächtlichen Ruhephase. Die beobachteten Retinabewegungen waren dabei konsistent, einschließlich regelmäßiger Dauer und Intervalle, wobei beides im Laufe der Nacht zunahm. Die Tatsache, dass diese charakteristischen REM-Schlaf-ähnlichen Verhaltensweisen bei einer hochgradig visuellen, weit auseinander lebenden Abstammungslinie vorkommen, stellt nach Ansicht der Wissenschaftler eine weitere Herausforderung für das Verständnis dieses Schlafzustands dar. Vergleiche zwischen weit auseinander liegenden Abstammungslinien bergen vermutlich wichtige Fragen und Antworten über das visuelle Gehirn sowie über den Ursprung, die Entwicklung und die Funktion des REM-Schlafs.
Man weiß seit langem, dass der Schlaf unterschiedliche Funktionen erfüllt, wobei Cao et al. (2020) nun einen neuen Ansatz entwickelt haben, um besser zu verstehen und vorherzusagen, wie sich der Schlaf während der Ontogenese und über die Phylogenese hinweg verändert. Danach versucht man quantitativ zwischen Schlaf, der zur neuronalen Reorganisation genutzt wird, und Reparatur zu unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen einen abrupten Übergang zwischen dem Alter von 2 und 3 Jahren beim Menschen, insbesondere zeigen die Ergebnisse, dass Unterschiede im Schlaf in der Phylogenie und während der späten Ontogenese (nach 2 oder 3 Jahren beim Menschen) in erster Linie darauf zurückzuführen sind, dass der Schlaf zur Reparatur oder Reinigung dient, während Veränderungen im Schlaf während der frühen Ontogenese (vor 2 oder 3 Jahren) in erster Linie die neuronale Reorganisation und das Lernen unterstützen. Auch zeigte sich, dass die neuroplastische Reorganisation hauptsächlich im REM-Schlaf, nicht aber in Non-REM-Phasen auftritt, was auf ein komplexes Wechselspiel zwischen entwicklungsbedingten und evolutionären Einschränkungen des Schlafs hindeutet. Vor dem Alter von etwa zweieinhalb Jahren wächst bekanntlich das Gehirn der Kinder sehr schnell, wobei die Zeit des REM-Schlafes das Gehirn in dieser Zeit vor allem nutzt, um Synapsen aufzubauen und zu stärken, also genau die Hirnstrukturen, die Neuronen miteinander verbinden und ihnen die Kommunikation untereinander ermöglichen. Im Schlaf wird dabei also die Infrastruktur des Gehirns aufgebaut, was auch bedeutet, dass man Babys man niemals wecken sollte. Nach rund zweieinhalb Jahren ändert sich dieser Hauptzweck des Schlafes plötzlich, denn statt das Gehirn aufzubauen, wird ab diesem Zeitpunkt vor allem für die Aufrechterhaltung und Reparatur des Gehirns gesorgt, was auch so für den Rest des Lebens so bleibt. Dieser Übergang von einer Funktion zur anderen korrespondiert mit Veränderungen in der Gehirnentwicklungen zu etwa derselben Zeit. Die Daten belegen übrigens auch bei anderen Arten einen dramatischen Rückgang des REM-Schlafs, wenn sie das Alter erreichten, das der menschlichen Entwicklungsstufe von zweieinhalb Jahren entspricht, sodass der Anteil des REM-Schlafes bei Kaninchen, Ratten, Schweinen und Menschen proportional ungefähr gleich ist. Auch hat die Größe des Gehirns offenbar einen gewissen Einfluss, denn mit zunehmender Größe nimmt der REM-Schlaf ab. Während Neugeborene etwa die Hälfte ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf verbringen, sinkt diese Zeit bis zum Alter von zehn Jahren auf etwa ein Viertel der Schlafzeit und nimmt mit zunehmendem Alter weiter ab. Erwachsene, die älter als 50 Jahre sind, verbringen nur noch ungefähr 15 Prozent ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf.
Schlafen oder Wachen?
Während des Schlafs lösen sensorische Reize nur selten eine Verhaltensreaktion oder eine bewusste Wahrnehmung aus. Es ist jedoch noch unklar, ob der Schlaf bestimmte Aspekte der sensorischen Verarbeitung hemmt, wie z. B. die Feedforward- oder Feedback-Signalgebung. Hayat et al- (2022) haben Patienten mit Epilepsie im Wachzustand und im Schlaf auditive Reize (z. B. Klickgeräusche, Worte, Musik) dargeboten und dabei neuronale Spikes, lokale Mikrokabel-Feldpotentiale, intrakranielle Elektroenzephalogramme und Polysomnographie aufgezeichnet. Auditive Stimuli induzierten robuste und selektive Spiking- und Hoch-Gamma-Reaktionen (80-200 Hz) im lateralen Temporallappen, sowohl während des Non-REM- als auch des REM-Schlafs (Rapid Eye Movement). Der Schlaf schwächte die Antwortgrößen nur mäßig ab, wobei hauptsächlich die späten Antworten jenseits des frühen auditorischen Kortex und das Entrainment zu schnellen Klick-Zügen im Non-REM-Schlaf betroffen waren. Im Gegensatz dazu war die auditiv induzierte Alpha-Beta-Desynchronisation (10-30 Hz), die im Wachzustand vorherrschend ist, im Schlaf stark reduziert. Somit bleiben umfangreiche auditorische Reaktionen während des Schlafs bestehen, während die Alpha-Beta-Leistungsabnahme, die wahrscheinlich auf neuronale Rückkopplungsprozesse zurückzuführen ist, unzureichend ist. Im weiteren Sinne deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Rückkopplungssignale für die bewusste sensorische Verarbeitung von entscheidender Bedeutung sind.
Fressen beim Schlafen
Bei Wiederkäuern wie Rentieren dauert die Nahrungsaufnahme recht lange. Furrer et al. (2023) haben nun gezeigt, dass sich das Gehirn dieser Tiere während der Nahrungsaufnahme in einem schlafähnlichen Zustand befindet, so dass sie auch in den hellen Sommermonaten genügend Schlaf bekommen und Reserven für den langen und kalten Winter anlegen können. Die Experimente fanden in einem geschlossenen Raum unter kontrollierten Lichtverhältnissen und bei ausreichender Fütterung statt, wobei nicht-invasive Hirnstrommessungen das Schlafverhalten dokumentierten.Tatsächlich ähnelten die Hirnströme während des Kauens denen in der Schlafphase des Non-REM-Schlafs, das heißt, sie ruhen sich beim Wiederkäuen aus, wie es auch Schafe, Ziegen und Rinder tun. Es wurde auch untersucht, ob das Wiederkäuen das Schlafbedürfnis der Rentiere dämpft, nachdem sie zwei Stunden künstlich wach gehalten worden waren, und tatsächlich zeigte sich bei Schlafentzug ein erhöhter Schlafdruck im Gehirn, der aber durch das Kauen wieder gedämpft werden konnte.
Kurioses
Ein sich wingwave-Methode nennendes Leistungs- und Emotions-Coaching, das nach eigenen Angaben der Vermarkter zum Abbau von Leistungsstress und zur Steigerung von Kreativität, Mentalfitness und Konfliktstabilität führen soll, versucht wache REM-Phasen zu erzeugen, indem der Coach mit schnellen Handbewegungen den Blick seiner Coachees horizontal hin und her führt. Nach Studien habe sich gezeigt, dass schon „zwei Stunden wingwave-Coaching Redeangst und Lampenfieber in Präsentations-Sicherheit und Auftrittsfreude verwandeln können. Und bereits eine Stunde wingwave-Coaching kann bei Sportlern hartnäckige mentale Stressbeeinträchtigungen durch Sportverletzungserinnerungen abbauen.“ Dabei beruft man sich u. a. auf die schon an anderer Stelle besprochenen Psychotechniken wie „bilaterale Hemisphärenstimulation“, Neurolinguistisches Programmieren und einen „Muskeltest“.
Literatur
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