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stimmungskongruente Erinnerung

    Erinnerung ist die Vorzimmerdame der Verzweiflung.
    Christian Schachinger
    Die Erinnerung ist wie ein Hund, der sich hinlegt, wo es ihm gefällt.
    Cees Nooteboom

    Als stimmungskongruente Erinnerung bezeichnet man die Tendenz von Menschen, sich vor allem an Erfahrungen zu erinnern, die mit der aktuellen guten oder schlechten Stimmung übereinstimmen.

    Die Hypothese der Stimmungskongruenzmood congruency – besagt in formaler Hinsicht, dass die emotionale Qualität eines zu erinnernden kognitiven Materials derjenigen des Stimmungszustandes beim Versuch sich zu erinnern, möglichst ähnlich sein muss, damit Erinnern erfolgen kann. So sollte man sich an eine fröhliche Geschichte besser erinnern können, wenn man aktuell fröhlich ist. Diese Hypothese bestätigte sich etwa in einer Studie von Bower (1981), wobei sich ein ähnlicher Effekt auch für den Stimmungszustand bei der Enkodierung ergab, denn an eine fröhliche Geschichte sollte man sich dann gut erinnern können, wenn man bei der Enkodierung fröhlich war.


    Wir färben Erinnerungen nach Gefühl. Das tun wir alle hin und wieder. Denn so funktioniert unser Gehirn: Wir vergessen nicht nur, sondern unser Gehirn verdreht, verzerrt und verformt unsere Erinnerungen auch so flexibel wie einen Kaugummi. Es färbt Erinnerungen mit den Gefühlen, die wir mit einer bestimmten Situation verbinden (wollen). Wenn ein Paar etwa gerade eine glückliche Phase erlebt, färbt sich auch die Erinnerung der beiden an die Vergangenheit rosig. Fühlen sie sich dagegen in der Beziehung nicht wohl, streiten viel und haben es mit wiederkehrenden Unstimmigkeiten zu tun, meinen sie zu erinnern, dass dies schon früher so war. Das wiederum wirkt sich auf die Wahrnehmung im Jetzt aus: Wir waren ja noch gar nie richtig glücklich! Unsere Erinnerungen und das, wie es uns aktuell geht, beeinflussen sich ständig gegenseitig.


    Bei der Untersuchung von Erinnerungen wird oft die Experimentalanordnung des Stille-Post-Spiels verwendet, bei dem eine kleine Geschichte oder auch nur ein Wort durch mehrere Stationen von Mund zu Ohr geschickt wird. Es zeigte sich, dass Geschichten durch fortgesetzte Nacherzählung gleichsam rundgeschliffen, vereinfacht, von unverständlichen Elementen gereinigt und in vorhandene kulturelle Muster eingepasst werden. Dabei haben Emotionen und Stimmungen eine zentrale Bedeutung von für das Erzählen von Erinnerungen, denn zumeist bilden Emotionen das stabile Element bei der Weitergabe einer Erinnerung, während sich ihre inhaltliche Ausgestaltung verändert. Emotionen werden dabei zu einem Art Anker, an dem die Geschichten festgemacht werden können.

    Emotionale Musik und Erinnerung

    McClay, Sachs & Clewett (2023) haben untersucht, inwieweit die emotionale Dynamik Erfahrungen in erinnerungswürdige Ereignisse umwandelt. Um die Rolle von Emotionen zu erforschen, führten sie einen speziellen Gedächtnistest mit Versuchspersonen durch, bei dem ihnen verschiedene Bilder auf einem Computerbildschirm gezeigt wurden, wie z. B. eine Wassermelone, eine Geldbörse oder ein Fußball. Sie sollten sich eine Geschichte ausdenken, die die verschiedenen Bilder miteinander verbindet. Während die Probanden die Bilder betrachteten, hörten sie eigens für das Experiment komponierte Musik, die bei ihnen fröhliche, ängstliche, traurige oder ruhige Gefühle auslösen sollte. Am nächsten Tag sollten die Probanden die Reihenfolge der Bilder, die sie gesehen hatten, wiedergeben. Die Ergebnisse zeigten, dass das Gedächtnis um emotionale Zustände herum organisiert ist, denn während des Musikhörens beeinflussten Schwankungen zwischen verschiedenen emotionalen Zuständen den zeitlichen Kodierungsprozess in Richtung Gedächtnisintegration oder -dissoziation. Während eine große absolute oder negative Valenzverschiebung dazu beitrug, Erinnerungen in Episoden zu trennen, verband eine positive emotionale Verschiebung sequenzielle Repräsentationen von Erinnerungen miteinander, d.h. die Teilnehmer erinnerten sich besser und kohärenter, wenn ihre Emotionen von neutral zu positiv wechselten, während ein Wechsel von neutralen zu negativen Emotionen das Erinnerungsvermögen beeinträchtigte und dazu führte, dass die Teilnehmer einen größeren mentalen Abstand zwischen den Bildern schufen. Sowohl diskrete als auch dynamische Veränderungen der musikinduzierten Valenz und Erregung verstärkten auch die verzögerte Erinnerung an Objekte und zeitliche Quellen für simultane neutrale Objekte und signalisierten den Beginn neuer emotionaler Ereignisse. Advertisement Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der Vorstellung, dass das Auf und Ab von Emotionen die sich entwickelnden Erfahrungen zu Erinnerungen an bedeutsame Ereignisse formen kann. Die Ergebnisse bestätigen auch, warum alltägliche Ereignisse wie Feuerwerkskörper Erinnerungen an traumatische Erlebnisse auslösen können. Es besteht daher die Hoffnung, dass positive Emotionen mit Hilfe von Musik Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen dabei helfen können, die ursprüngliche Erinnerung zu verpacken und wieder zu integrieren, so dass die negativen Emotionen nicht in den Alltag überschwappen.

    Literatur

    Bower, G. H. (1981). Mood and memory. American Psychologist, 36, 129–148.
    Schmidt-Atzert, L. (1996). Lehrbuch der Emotionspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.
    McClay, Mason, Sachs, Matthew E. & Clewett, David (2023). Dynamic emotional states shape the episodic structure of memory. Nature Communications, 14, doi:10.1038/s41467-023-42241-2.
    Stangl, W. (2023, 22. November). Wie beeinflussen Emotionen das Gedächtnis und die Erinnerungen?  arbeitsblätter news.
    https:// arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/wie-beeinflussen-emotionen-das-gedaechtnis-und-die-erinnerungen/
    https://www.tagblatt.ch/leben/kolumnen/kolumne-beziehungen-warum-sie-sich-wie-durch-eine-rosarote-brille-erinnern-ld.2311807 (22-07-02)


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