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Volition

    Ein Mensch erhofft sich leis‘ und still,
    dass er einst das kriegt, was er will,
    bis er dann dann doch dem Wahn erliegt
    und schliesslich das will, was er kriegt!
    Eugen Roth

    Kurzdefinition: Volition bezeichnet den Prozess der Willensbildung. Die Volitionspsychologie ist Teil der Motivationspsychologie und untersucht die Bildung, Aufrechterhaltung, zeitliche Dynamik und Realisierung von Absichten.

    Volition bezeichnet also das, was sich zwischen der Motivation und der Ausführung einer Handlung in einem Menschen abspielt, denn jemand, der gerade motiviert ist, eine Leistung zu erbringen, muss erst einmal überlegen, wie er diese Leistung erbringen kann. Dazu muss er eine Intention fassen, d.h. eine konkrete Handlung planen, anschließend diese geplante Handlung in die Tat umsetzen, d.h., er muss sich aufraffen und mit der Handlung beginnen. Schließlich kann man zu vielem sein mottiviert sein, doch ob und wann man einer Motivation auch nachkommt, ist eine ganz andere Frage. Volition entspricht in etwa dem, was man in der Umgangssprache im Alltag Willenskraft nennt. Die Volition stellt somit die zweite Phase eines Motivationsprozesses dar, wenn aus dem Wunsch der motivationalen Phase der entschlossene Wille geworden ist, der zu einer zielgerichteten Realisierung der Absichten beiträgt. Diese Willenskraft ist der Faktor, der jene Menschen, die ihre Zweifeln überwinden und zielgerichtetes Handeln zeigen, von jenen Menschen unterscheidet, die in ihrem bisherigen Verhalten verharren. Der Volitionsbegriff bezieht sich in der Regel nur auf die Realisierung der Absichten, deren Hartnäckigkeit von der Volitionsstärke und der inneren Eigenschaften einer Person, etwa der Erfolg- bzw. Misserfolgsorientierung abhängt.

    Motivationale Selbstbilder wie Vorlieben, Wünsche, Werte oder überdauernde Ziele spielen dabei eine wichtige Rolle im Motivationsprozess, die sich in Form von Willensprozessen bzw. Volition äußern. Dabei sind nach Heckhausen (Rubikon-Modell) vier Handlungsphasen unterscheidbar, in denen bestimmte Aufgaben zu bewältigen sind:

    • Prädezisionale Volitionsphase
      Da man nicht alle Wünsche realisieren kann oder mag, muss eine Auswahl getroffen werden, d.h., man muss abwägen, welchen Wünschen man Präferenz einräumen will. Diese Präferenzordnung wird nach den Kriterien der Realisierbarkeit (Erwartung) und Wünschbarkeit (Wert) erstellt und stellt man sich die Fragen nach der Verfügbarkeit der nötigen Zeit, Mittel und eventuell auftretenden Gelegenheiten. Fragen nach den Folgen, Kosten und Mühen stehen im Mittelpunkt bei der Betrachtung der Wünschbarkeit.
    • Präaktionale Volitionsphase
      Ab diesem Zeitpunkt ist man sich nicht mehr unsicher, ob der infrage stehende Wunsch realisierbar oder wünschenswert ist. Trotzdem bedarf es der Umwandlung des Wunsches in eine Intention. Um die Realisierung der Handlungsziele voranzutreiben, werden Vorsätze gefasst, die spezifizieren, wann, wo, wie bzw. wie lange gehandelt werden soll (Gelegenheits- und Durchführungsvorsätze).
    • Aktionale Volitionsphase
      Die in dieser Phase zu lösende Aufgabe ist das erfolgreiche Abschließen der zum Zwecke der Realisierung der Zielintention initiierten Handlungen. Die Handlungsdurchführung wird von der Volitionsstärke der Zielintention bestimmt, die einen Grenzwert für die Anstrengungsbereitschaft dar.
    • Postaktionale Motivationsphase
      Jetzt ist die Evaluation der Handlungsergebnisse zu bewältigen. Wenn das Handlungsergebnis dem intendierten Ziel entspricht, findet eine Deaktivierung der Zielintention statt. Weicht das erzielte Handlungsergebnis vom intendierten Ziel ab, müssen neue Gelegenheits- und Durchführungsvorsätze gefasst werden bzw. die gefassten spezifischer formuliert werden, um eine Zielerreichung wahrscheinlicher zu machen.

    Wenn Vorsätze an Menschen nur von außen heran getragen werden und nicht von ihnen übernommen werden, funktionieren zahlreiche Anläufe eher nicht, denn wenn sich ein Mensch in seinem Körper eigentlich wohl fühlt, aber glaubt abnehmen zu müssen, nur um einer ihm gar nicht so wichtigen sozialen Norm zu entsprechen, wird die Motivation zu gering bleiben. Anders kann es sein, wenn es einen konkreten Anlass gibt, also wenn man etwa seinen Kindern ein gutes Vorbild sein will oder man seinem Partner gefallen möchte.

    Während die Motivation bei Menschen einmal niedrig und einmal hoch sein kann, ist die Willenskraft, also jene Energie, mit der man seine Ziele in die Tat umsetzen kann, eher begrenzt. Die Willenskraft besteht aus mehreren Komponenten, denn so muss man sich selbst kennen, denn nur wenn man seine Motive kennt und weiß, warum man bestimmte Ziele erreichen will, kann man die damit verbundene Energie nutzen. Man sollte seine Willenskraft nicht auf zu viele Ziele verteilen, also sich verzetteln, denn dann erreicht man meist keines davon. Daher ist es besser, seine ganze Kraft auf wenige Ziele zu fokussieren. Durch diese Konzentration auf wenige Ziele steigert man automatisch seine Willenskraft und hält die doch mehr oder minder begrenzten Energien beisammen. Hinzu kommt, dass man ausdauernd seine Ziele verfolgt, denn dadurch wird auch die Frustrationstoleranz erhöht, sodass man von kleinen Rückschlägen nicht abgehalten wird, seine Pläne umzusetzen. Auch das Wissen darum, dass man seinen Willen schon oft erfolgreich eingesetzt hat, hilft dabei, sich als erfolgreich zu erleben.


    Nach Ansicht von manchen Management-Trainern ist Willenskraft wichtiger als Intelligenz, denn viele Menschen streben zwar nach Erfolg, doch ob man diesen erreicht oder nicht, entscheidet die Volition. Psychologen und Managementwissenschaftler halten Volition daher für wichtigsten Erfolgsfaktor überhaupt, denn Volition entscheidet darüber, ob man in der Lage ist, seine Ideen trotz Widerständen in die Praxis umzusetzen. Volition wird aus diesem Grund auch als Umsetzungskompetenz, Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen, Entschlossenheit oder Zielstrebigkeit bezeichnet. Dabei geht es nicht nur um die Tatsache, etwas zu wollen, sondern um den Wirkungsgrad des Wollens, sodass Beharrlichkeit und Willenskraft für das Erreichen selbstgesteckter Ziele wesentlich wichtiger sind als ander Faktoren, da sie ermöglichen, Zweifel, Unlust, Zielkonflikte und andere Handlungsbarrieren zu überwinden.

    Motivation und Volition sind dabei eng verwandt, denn ohne Motivation kann auch keine Volition zustande kommen, wobei Motivation der erste Schritt zur Willensbildung ist, denn diese befähigt Menschen, überhaupt erst sich Ziele zu setzen. Die Planung von Handlungen zur Zielerreichung sowie deren praktische Umsetzung werden hingegen maßgeblich von der Volition getragen. Für die Ausbildung von Volition sind dabei zwei wesentliche individelle Stärken von Bedeutung: Die Umsetzungsstärke motiviert, eine Idee oder ein Vorhaben in die Praxis umzusetzen, denn allein auf der Grundlage von Wissen und Ideen wären wohl keine Innovationen möglich. Durchhaltewillen befähigt hingegen, die eigene Trägheit oder Ablenkungen zu überwinden, denn dieser befähigt Menschen dazu, Prokrastination oder Zögern und Zaudern zu überwinden, die dazu führen können, dass Handlungen immer wieder aufgeschoben werden.


    Übrigens: Neujahrsvorsätze haben viel mit Wollen zu tun und sind im psychologischen Sinne gar keine Vorsätze, denn solche sind mit einer bestimmten Handlungsintention verbunden. Ein echter Vorsatz muss sich sehr konkret auch auf eine Umsetzung beziehen, etwa im Sinne einer Durchführungsvorschrift, sich also genau darauf festzulegen, wie auch mit Hindernissen auf diesem Weg umgegangen werden soll. Man sollte Vorsätze immer mit Emotionen verknüpfen, denn Gefühle sind eine Art beschleunigtes Denken. Also so eine Art Abkürzung des Lernens. Man muss sich nicht groß Sachen überlegen, sondern Du fühlst es in dem Moment. Und die Schaltkreise, die das im Gehirn steuern, sind so robust, dass man darüber sehr schnell Handlungsänderungen umsetzen kann. Und deshalb ist es so wichtig, dass man da nicht so verkopft herangeht, sondern durchaus emotional.

    Übrigens ist der Beginn eines neuen Jahres schon seit der Antike eine Gelegenheit gewesen, Vorsätze zu fassen, denn es beginnt ein neuer Abschnitt im Leben und der Beginn von etwas Neuem wirkt immer motivierend.


    Weitere Definitionen

    „Bei Ach (1935) ist der „Willensakt, vor allem der energische, primäre Willensakt ein /Mittel zur Überwindung/ dieser besonderen, den glatten Ablauf des Handelns beeinträchtigenden Schwierigkeiten oder gegebenenfalls dient er auch mit als Mittel zur Erreichung eines besonders hohen, wertvollen Ziels, das ohne eine solche Willensanspannung nicht erreichbar ist, (…)“. Bei Heckhausen (1989) ist „Volition“ ein Sammelbegriff für Prozesse, welche die Umsetzung einer bestehenden Zielintention fördern. Volitionale Prozesse, die postdezisional sind, werden prädezisional-motivationalen Prozessen gegenübergestellt. Das entspricht der Unterscheidung zwischen Selektions- und Realisierungsmotivation bei Kuhl (1983). (Ob Heckhausen die Intentionsbildung zu den motivationalen oder zu den volitionalen Prozessen zählt, wird in Heckhausen (1989) nicht klar. Wahrscheinlich hat die Intentionsbildung eine Sonderstellung, ist also „etwas Drittes“.) Für Heckhausen (1989) gibt es drei volitionale Grundprobleme: Persistenz, Handlungsinitiierung, Überwinden von Handlungshindernissen (vgl. Ach, 1935). Diese drei „Funktionen“ können für Heckhausen nicht oder nicht allein durch subjektive Realisierbarkeit und Wünschbarkeit (Erwartung x Wert) erklärt werden, welche die Determinanten der Zielintention sind. Es braucht also „Volition“ als zusätzliche Determinante dieser postdezisionalen Prozesse. Beim früheren Kuhl ist Volition nahezu gleichbedeutend mit Zielabschirmung, also mit dem Ausblenden konkurrierender Handlungstendenzen, die ablenken oder die Handlung unterbrechen könnten. Beim aktuellen Kuhl (2001) ist der „Wille“ „eine Art Koordinationszentrale (…), die – ausgehend von der höchsten Repräsentationsebene eigener Bedürfnisse, Gefühle, Ziele etc. – sozusagen ‚von oben nach unten‘ elementare Systeme (Temperament, Affekte, Verhaltensroutinen, Objekterkennung) so koordiniert, dass die Umsetzung entsprechender selbstgewollter Ziele optimiert wird.“ In Kuhls Handlungskontrolltheorie wird Volition auch als „Fertigkeit“ oder „Fähigkeit“ definiert, z.B. als Fähigkeit, den eigenen emotionalen Zustand willentlich zu regulieren. Beim späteren Kuhl (z.B. 2001) bezeichnet Volition nicht mehr nur bewusste, sondern auch unbewusste realisierungsfördernde Prozesse“ (narkive.com, 2005). „Unter dem Begriff der Volition versteht die Psychologie die Fähigkeit, eine große Zahl einzelner Teilfunktionen wie Wahrnehmung, Denken, Bewegungssteuerung unter der Ägide eines einheitlichen Ziels zu koordinieren. Die Volition ist eine exekutive Funktion und ein maßgebender Aspekt der Handlungssteuerung. Sie sorgt dafür, dass nur zielrelevante Tätigkeiten geplant und ausgeführt werden. Gleichzeitig werden konkurrierende, nicht zum Ziel führende Motivationstendenzen, Handlungen und Impulse unterdrückt“ (flexikon).

    Literatur

    Heckhausen, H. (1977). Motivation: Kognitionspsychologische Aufspaltung eines summarischen Konstrukts. Psychologische Rundschau, 28, 175-189.
    Heckhausen, J. & Heckhausen, H. (2006). Motivation und Handeln: Einführung und Überblick. Springer, Berlin.
    http://www.paul.informatik.tu-muenchen.de/seminare/lehrsystemeSS98/Vortrag06/ (01-03-10)
    http://narkive.com/z2Intg6b:14.338.2268 (05-11-21)
    http://flexikon.doccheck.com/de/Volition (16-11-21)


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