Sharenting bezeichnet die Praxis, bei der Eltern oder andere Bezugspersonen Fotos, Videos oder persönliche Informationen über Kinder in sozialen Netzwerken oder digitalen Kommunikationsplattformen veröffentlichen. Der Begriff leitet sich aus den englischen Wörtern „share“ (teilen) und „parenting“ (Elternschaft) ab und verweist auf die Verbindung zwischen familiären Inhalten und öffentlicher Selbstdarstellung. Während die Veröffentlichung häufig durch positive Intentionen wie Stolz, der Wunsch nach sozialer Teilhabe oder die einfache Kommunikation mit Angehörigen motiviert ist, wirft diese Praxis erhebliche rechtliche, soziale und technologische Problemstellungen auf.
Im Zentrum steht die Frage nach den Persönlichkeitsrechten des Kindes. Das Recht auf Privatsphäre, das Recht am eigenen Bild und die informationelle Selbstbestimmung können durch unbedachtes Posten erheblich eingeschränkt werden. Da Kinder in den meisten Fällen weder ihre Zustimmung geben noch die Tragweite solcher Veröffentlichungen erfassen können, wird ihre digitale Identität frühzeitig und ohne eigenes Zutun geprägt. Diese digitalen Spuren können langfristige Auswirkungen haben, indem sie die öffentliche Wahrnehmung der Kinder beeinflussen oder im späteren Leben zu sozialen und beruflichen Nachteilen führen. Hinzu kommen Risiken durch missbräuchliche Nutzung. Inhalte, die im Internet veröffentlicht werden, sind prinzipiell unbegrenzt zugänglich, schwer kontrollierbar und können von Dritten zweckentfremdet werden. Dazu zählen die Weiterverbreitung auf problematischen Plattformen, die sexualisierte Kommentierung oder die Nutzung für Identitätsdiebstahl und Deepfake-Technologien. Besonders durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat sich die Gefahr solcher Manipulationen deutlich verstärkt, da biometrische Daten wie Gesichter und Stimmen relativ leicht extrahiert und weiterverwendet werden können.
Vor diesem Hintergrund fordern Fachleute eine erhöhte gesellschaftliche Sensibilität und den verantwortungsvollen Umgang mit Kinderbildern und -informationen im digitalen Raum. Verantwortungsbewusstes Handeln umfasst die sorgfältige Abwägung von Motiven, den Schutz sensibler Daten, die Einholung von Zustimmung – soweit altersgerecht möglich – sowie die konsequente Reflexion darüber, welche Inhalte veröffentlicht werden. Der Schutz der digitalen Identität von Kindern wird angesichts der zunehmenden Durchdringung des Alltags durch soziale Medien und KI-Technologien zu einer zentralen Herausforderung moderner Elternschaft.
Literatur
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