Ideologie

In der Psychologie bezeichnet eine Ideologie ein kohärentes System von Überzeugungen, Werten und Meinungen, das das Denken, Fühlen und Verhalten von Individuen oder Gruppen beeinflusst. Ideologien dienen als kognitive Rahmenwerke, durch die Menschen soziale, politische und wirtschaftliche Phänomene interpretieren. Sie wirken identitätsstiftend und bieten Orientierung in komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen.

Psychologisch betrachtet, helfen Ideologien dabei, Unsicherheit zu reduzieren, Zugehörigkeit zu stärken und Weltanschauungen zu stabilisieren. Menschen neigen dazu, Informationen selektiv wahrzunehmen und zu interpretieren, um ihre bestehenden ideologischen Überzeugungen zu bestätigen, was durch kognitive Verzerrungen wie den Bestätigungsfehler (confirmation bias) unterstützt wird. Ideologien können sowohl prosozial als auch destruktiv wirken, abhängig vom Inhalt und von der sozialen Funktion, die sie erfüllen. In der Sozialpsychologie wird untersucht, wie Ideologien beispielsweise Vorurteile, Autoritarismus oder politische Einstellungen beeinflussen.

Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die Theorie des Systemrechtfertigungsansatzes, die besagt, dass Menschen ideologische Systeme auch dann unterstützen, wenn sie ihnen selbst schaden, da sie ein Bedürfnis nach Stabilität und Ordnung befriedigen (Jost et al., 2003).

Leor Zmigrod etwa betrachtet Ideologie nicht als feste Weltanschauung, sondern als kognitive Starrheit, also ein Denken, das widersprechende Informationen ausblendet. In Experimenten wie dem Wisconsin-Kartensortiertest zeigte sie, dass ideologische Denkweisen mit geringer kognitiver Flexibilität zusammenhängen: Menschen, die z. B. für den Brexit stimmten, taten sich schwerer, sich auf neue Regeln einzustellen. Zwar erkennt Zmigrod genetische Anteile an, lehnt aber deterministische Erklärungen ab – ideologisches Denken ist veränderbar. Für sie kann jede Weltanschauung ins Dogmatische kippen, und sie plädiert nicht für Mäßigung, sondern für ein aktives, kreatives Denken, das Ideologien kritisch hinterfragt Leor Zmigrod gilt mit nur 29 Jahren als Begründerin der politischen Neurobiologie. Darin erforscht sie den Zusammenhang zwischen politischen Einstellungen und der Biologie des Gehirns, und zeigt, dass Überzeugungen nicht als flüchtige Gedanken losgelöst von Körpern existieren. Vielmehr verändern Ideologien das Gehirn, wobei bestimmte neurobiologische Veranlagungen empfänglich für gewisse Glaubenssätze machen. Mit einem einfachen Kartensortier-Experiment ist sie in der Lage ist, erschreckend akkurat auf die Weltsicht ihrer Probanden zu schließen, und beweist in zahlreichen weiteren Experimenten den Konnex zwischen extremen politischen Positionen und dem menschlichen Gehirn und revolutioniert damit die Vorstellungen von Radikalisierung, Extremismus, demokratischer Meinungsbildung.

Literatur

Jost, J. T., Banaji, M. R., & Nosek, B. A. (2003). A decade of system justification theory: Accumulated evidence of conscious and unconscious bolstering of the status quo. Political Psychology, 25(6), 881–919.


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