Die hypoxische Hirnschädigung in großer Höhe (HHBI) stellt eine schwerwiegende Form der akuten Höhenkrankheit dar. Diese Erkrankung manifestiert sich bei Menschen, die zu schnell in große Höhen aufsteigen oder sich über einen längeren Zeitraum in Gebieten über 3000 Metern aufhalten. Die Hauptursache der HHBI ist die Hypoxie des Gehirns, also eine unzureichende Sauerstoffversorgung aufgrund des niedrigen Luftdrucks und des geringen Sauerstoffpartialdrucks in Höhenlagen. Die Symptome der akuten Höhenkrankheit manifestieren sich in der Regel vier bis sechs Stunden nach dem Aufstieg und äußern sich zunächst in Form von Kopfschmerzen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung können Schwindel, Übelkeit und Tachykardie hinzutreten. Wird in diesem Stadium nicht rechtzeitig gegengesteuert, etwa durch Abstieg oder Behandlung in einer Druckkammer mit Sauerstoffgabe, kann sich der Zustand zu einer lebensbedrohlichen Form verschlimmern.
Die hypoxische Hirnschädigung – hypoxisch-ischämische Hirnschädigung – entsteht also, wenn das Gehirn für eine gewisse Zeit nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. „Hypoxie“ bedeutet Sauerstoffmangel, während „Ischämie“ auf eine verminderte Blutzufuhr hinweist, die den Sauerstofftransport beeinträchtigt. Diese Schädigung kann durch verschiedene Ursachen entstehen, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Stillstand (z. B. bei einem Herzinfarkt oder Kreislaufversagen), Ersticken oder schwere Atemnot, schwere Kopfverletzungen oder Schlaganfälle, Blutgerinnsel oder andere Blockaden in den Blutgefäßen des Gehirns. Wenn das Gehirn zu lange ohne Sauerstoff bleibt, können Gehirnzellen absterben, was zu dauerhaften Schäden führt. Die Auswirkungen einer hypoxischen Hirnschädigung können je nach Schweregrad und betroffenen Hirnregionen variieren, beinhalten jedoch häufig kognitive Beeinträchtigungen, wie Gedächtnisverlust oder Konzentrationsstörungen, motorische Defizite, wie Lähmungen oder Koordinationsprobleme, Sprachstörungen und Verhaltensänderungen, wie erhöhte Reizbarkeit oder Persönlichkeitsveränderungen. In schweren Fällen kann eine hypoxische Hirnschädigung zu einem Koma oder sogar zum Tod führen, wenn der Sauerstoffmangel nicht schnell behoben wird. Die Behandlung hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab und umfasst oft eine Kombination aus intensivmedizinischer Betreuung, Rehabilitation und unterstützenden Therapien. Je früher der Sauerstoffmangel erkannt und behandelt wird, desto besser sind in der Regel die Heilungschancen.
Die Prognose von HHBI-Patienten ist maßgeblich von einer frühzeitigen Diagnose und adäquaten Therapie abhängig. Allerdings muss konstatiert werden, dass die meisten aktuellen Methoden zur Früherkennung von HHBI hinsichtlich ihrer Schnelligkeit und Genauigkeit noch immer unzureichend sind. Vor diesem Hintergrund haben Li et al. (2024) einen vielversprechenden neuen Ansatz entwickelt. Die Strategie basiert auf der Beobachtung räumlich-zeitlicher Veränderungen des Sauerstoffgehalts im Gehirn. Mittels In-vivo-Elektrochemie konnte nachgewiesen werden, dass charakteristische Veränderungen des zerebralen Sauerstoffgehalts unter Höhenbelastung in direktem Zusammenhang mit dem Hypoxie-Status des Gehirns stehen. Im Rahmen von Experimenten mit Mäusen wurde die Beziehung zwischen dem Sauerstoffgehalt verschiedener Hirnregionen und dem HHBI-Grad unter simulierten Höhenbedingungen von 3000 bis 7500 Metern untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Gehirn bei einsetzender Hypoxie zunächst mit einer Umverteilung des Sauerstoffs reagiert. Dabei erhalten Hirnareale mit höherer Hypoxie-Toleranz weniger Sauerstoff, um die Versorgung sicherzustellen.
Die Ergebnisse der elektrochemischen Messungen belegen, dass bei einer simulierten Höhe von 3.000 Metern eine stärkere Abnahme des Sauerstoffgehalts im primären somatosensorischen Cortex, zuständig für den Tastsinn, im Vergleich zum Hippocampus, verantwortlich für das Gedächtnis, zu verzeichnen war. In beiden Arealen konnte ein ausgeprägter Rückgang des Sauerstoffgehalts im Vergleich zur Abnahme der Sauerstoffsättigung im Blut beobachtet werden. Die Ergebnisse der Messungen korrelierten mit den Resultaten von Gedächtnistests sowie Tests zum Tastsinn. Als besonders bemerkenswert erweist sich die Erkenntnis, dass anhand der in den ersten ein bis zwei Stunden der Höhenbelastung gemessenen Ströme eine Prognose darüber getroffen werden kann, ob und in welchem Hirnbereich eine Maus nach drei Tagen eine HHBI erleiden wird. Dies eröffnet die Möglichkeit, das Risiko einer HHBI mehrere Tage im Voraus zu prognostizieren. Die Wissenschaftler erhoffen sich, dass diese Erkenntnisse als Grundlage für die Entwicklung einer verlässlichen Methode zur Früherkennung von HHBI dienen können. Ein solcher Ansatz könnte in Zukunft dazu beitragen, die Überlebensrate von Patienten mit HHBI deutlich zu verbessern, indem rechtzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können.
Literatur
Li, X., Zhu, B., Dong, N., Zhao, Z., Cao, J., Zhou, L., Gao, Z., & Su, B. (2024). Early detection of high-altitude hypoxic brain injury by in vivo electrochemistry. Angewandte Chemie International Edition, e202416395. https://doi.org/10.1002/anie.202416395