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Kausalitätsillusion

    Die Kausalitätsillusion – auch Kausalillusion oder Causation bias – bezieht sich auf die Tendenz des Menschen, zwischen zwei Ereignissen eine Ursache-Wirkungs-Beziehung herzustellen, selbst wenn diese in Wirklichkeit nicht zutrifft. Es handelt sich um eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen dazu neigen, kausale Beziehungen zu sehen, wo keine existieren, oder eine falsche Ursache für ein bestimmtes Ereignis anzunehmen. Diese Illusion kann dazu führen, dass Menschen falsche Schlussfolgerungen ziehen und irrtümliche Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen.

    Die Kausalitätsillusion basiert auf der menschlichen Neigung, Muster zu erkennen und Sinnzusammenhänge zu konstruieren, selbst wenn diese nicht objektiv vorhanden sind. Diese kognitive Verzerrung kann in verschiedenen Kontexten auftreten, wie z.B. bei der Überbewertung von Zufällen, der Annahme von Korrelationen als Kausalitäten oder der Neigung, Ereignissen eine Ursache zuzuschreiben, auch wenn keine direkte Verbindung besteht.

    In der psychologischen Forschung wird die Kausalitätsillusion häufig untersucht, um das menschliche kognitive Verhalten und Entscheidungsfindungsprozesse besser zu verstehen. Zahlreiche Experimente und Studien haben gezeigt, dass Menschen dazu neigen, kausale Beziehungen dort anzunehmen, wo keine bestehen, und dass persönliche Überzeugungen und Erwartungen ihre Wahrnehmung beeinflussen können.

    Eine bekannte Studie zum Thema Kausalitätsillusion wurde von Michael McCloskey und Neal Schiffrin durchgeführt. In ihrem Experiment aus dem Jahr 1983 zeigten sie, dass Probanden dazu neigten, eine kausale Beziehung zwischen einer Aktion und einem beobachteten Ergebnis herzustellen, selbst wenn diese Verbindung rein zufällig war. Diese und ähnliche Studien tragen dazu bei, das Phänomen der Kausalitätsillusion zu erforschen und besser zu verstehen.

    Die Annahme, dass die Kausalitätsillusion evolutionär begründbar ist, lässt sich vermutlich bestätigen. Ereignisse, die gemeinsam auftreten, sind häufig auch kausal miteinander verbunden. Dies lässt sich anhand von Blitz und Donner oder einem Teller, der auf den Boden fällt und zerbricht, veranschaulichen. Die Erkenntnis solcher Zusammenhänge war vor allem in der frühen Menschheitsgeschichte überlebenswichtig. Entsprechend ist das Gehirn darauf ausgelegt, solche Zusammenhänge schnell erkennen zu können.

    Es lässt sich auch beobachten, dass eine Vielzahl von Menschen dazu neigt, in gemeinsam auftretenden Ereignissen eine Kausalität zu erkennen, selbst wenn ihnen bewusst ist, dass ein solcher Zusammenhang nicht bestehen kann.

    Vor allem Menschen, die sich im Bereich des Glücksspiels bewegen, sind auf der Suche nach solchen Strukturen, durch welche sich Ereignisse erklären lassen. Dies ist dadurch bedingt, dass Gewinn oder Verlust ausschließlich von Zufällen und Wahrscheinlichkeiten abhängig sind, denn andernfalls wäre es ja kein Glücksspiel. Folglich hat jeder Spieler und jede Spielerin irgendwann eine solche Kausalillusion erlebt, die sich wie folgt darstellt: „Als ich einen Glücksbringer bei mir trug, habe ich im Spiel gewonnen.”

    Die psychologische Forschung zeigt, dass der Umgang mit Zufall Menschen grundsätzlich schwerfällt, dennr sie glauben oft, zufällige Entscheidungen oder Reihenfolgen treffen zu können, tatsächlich unterliegen sie dabei jedoch systematischen Verzerrungen. Etwa neigen Menschen dazu, bei der Erzeugung vermeintlich zufälliger Zahlen- oder Entscheidungsfolgen Wiederholungen zu vermeiden, da sich solche Wiederholungen nicht mit ihrer intuitiven Vorstellung von Zufall vereinbaren lassen. Ein Beispiel: Wird eine „1“ gewürfelt, erscheint es vielen unwahrscheinlich, dass erneut eine „1“ fällt – obwohl bei einem echten Würfelwurf jede Zahl die gleiche Wahrscheinlichkeit hat. Dieses Alternieren von Ergebnissen führt dazu, dass ihre „zufälligen“ Entscheidungen letztlich zu regelmäßig ausfallen. Boger et al. (2025) haben in einer aktuellen Studie nicht nur danach gefragt, ob Menschen zufälliges Verhalten erzeugen können, sondern auch, wie individuell und stabil dieses Verhalten über verschiedene Kontexte hinweg ausfällt. In drei umfangreichen Experimenten baten sie Teilnehmerinnen und Teilnehmer darum, wiederholt Zufallsfolgen zu generieren – sowohl in Form von Zahlenreihen als auch in räumlich unterschiedlichen Tastendrücken, wobei sich zeigte, dass jeder Mensch offenbar über eine Art „inneren Zufallsgenerator“verfügt, der sich von Person zu Person unterscheidet, aber innerhalb eines Individuums sehr konsistent bleibt. Diese Konsistenz zeigte sich nicht nur über verschiedene Aufgaben hinweg, sondern sogar über längere Zeiträume, denn in einem dritten Experiment wiederholte man die Tests mit denselben Personen nach einem Jahr und erhielt nahezu identische Ergebnisse. Die Art und Weise, wie Menschen Zufall „produzieren“, scheint also ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal zu sein, vergleichbar mit Eigenschaften wie Extraversion oder Risikobereitschaft. Menschen sind damit auf eine paradoxe Weise berechenbar unberechenbar, d. h., ihr scheinbar zufälliges Verhalten folgt individuellen Mustern, die sich statistisch erfassen und vorhersagen lassen. Zufall ist also nicht nur ein äußeres Prinzip der Welt, sondern auch ein psychologisches Phänomen mit individueller Prägung und mit stabilen Mustern, d. h., Menschen können sich nicht beliebig erratisch verhalten, denn ihre Fähigkeit, den Zufall zu „simulieren“, ist begrenzt und scheint mehr von ihrer Persönlichkeit als von ihrem Willen abhängig zu sein.
    Literatur
    Boger, T., Yousif, S. R., McDougle, S. D. & Rutledge, R. B. (2025). Random behavior is stable across tasks and time. Journal of Experimental Psychology, doi:10.1037/xge0001755.
    Stangl, W. (2025, 17. April). Die berechenbare Unberechenbarkeit: Über die individuelle Stabilität zufälligen Verhaltens. 🧑‍🎓 Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/5742/die-berechenbare-unberechenbarkeit-ueber-die-individuelle-stabilitaet-zufaelligen-verhaltens.

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