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nature vs. nurture

    Das nature vs. nurture Problem, also das Anlage-Umwelt-Problem – übrigens auch als nature-nurture issue, Anlage-Umwelt-Debatte oder Erbe-Umwelt-Debatte bezeichnet –, ist die lang diskutierte Kontroverse darüber, wie groß im Vergleich zu Erfahrung und Lernen der Einfluss der Gene auf die Ausbildung psychischer Merkmale und die Entwicklung von Verhaltensweisen ist. Das Nature-Nurture-Problem thematisiert die Frage, in welchem Umfang genetische Disposition (Nature) im Vergleich zu Umwelteinflüssen und Lernerfahrungen (Nurture) die Entwicklung von Merkmalen und Verhaltensweisen des Menschen beeinflusst. Das Nature-Nurture-Problem stellt ein zentrales Thema in der Psychologie, Soziologie, Pädagogik und weiteren Wissenschaftsbereichen dar. Es befasst sich mit der Diskussion darüber, ob menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten hauptsächlich durch Gene oder durch die Umgebung geformt werden.

    Die Nature-Seite vertritt die Auffassung, dass genetische Veranlagungen und biologische Faktoren das Verhalten und die Persönlichkeit eines Individuums in erheblichem Maße beeinflussen. Sie postuliert, dass angeborene Merkmale Menschen aufgrund ihrer genetischen Vererbung prägen und somit Verhaltensweisen und Eigenschaften vorbestimmen. Demgegenüber betont die Nurture-Seite die Relevanz von Umwelteinflüssen, sozialen Interaktionen, Erziehung und Lernerfahrungen für die Entwicklung von Menschen. Demnach sind Umweltfaktoren und soziale Einflüsse von entscheidender Bedeutung für die Formung der Persönlichkeit und des Verhaltens eines Individuums.

    Die Debatte über Nature versus Nurture ist komplex und viele Forschungsbereiche befassen sich mit der Erforschung dieser Thematik, um die gegenseitige Abhängigkeit von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen besser zu verstehen. Dabei wird diskutiert, wie diese beiden Einflussfaktoren interagieren und gemeinsam die Entwicklung und Variationen in menschlichem Verhalten, körperlichen Merkmalen und kognitiven Fähigkeiten erklären können.

    Traditionell wurde „nature vs. nurture“ als eine Debatte zwischen denjenigen geführt, die für die Dominanz der einen oder anderen Einflussquelle plädieren, aber heutige Experten erkennen an, dass sowohl „nature“ als auch „nurture“ eine Rolle in der psychologischen Entwicklung spielen und auf komplexe Weise zusammenwirken. Die Formulierung „nature vs. nurture“ erweckt den Anschein, als ob die menschliche Individualität – Persönlichkeitsmerkmale, Intelligenz, Vorlieben und andere Eigenschaften – entweder auf den Genen, mit denen Menschen geboren werden, oder auf der Umgebung, in der sie aufwachsen, beruhen muss. Die Realität ist, wie Wissenschaftler gezeigt haben, komplizierter, und sowohl diese als auch andere Faktoren können dazu beitragen, die vielen Unterschiede zwischen den Menschen zu erklären.

    Theoretiker und Forscher streiten seit langem darüber, ob individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten angeboren sind oder durch Erfahrungen nach der Geburt geformt werden. Diese Debatte hat weitreichende Auswirkungen: Die tatsächlichen oder vermeintlichen Quellen der Stärken und Schwächen eines Menschen sind für Bereiche wie Bildung, Philosophie, Psychiatrie und klinische Psychologie von Bedeutung. Der heutige Konsens – dass individuelle Unterschiede aus einer Kombination von ererbten und nicht-genetischen Faktoren resultieren – schlägt einen nuancierteren Mittelweg zwischen den Extremen, die sich auf die Natur oder die Erziehung konzentrieren, ein.

    Die Begriffe „Natur“ und „Erziehung“ selbst können irreführend sein, denn heute werden häufig die Begriffe „Genetik“ und „Umwelt“ verwendet, wobei die Umwelt eines Menschen ein breiteres Spektrum an Erfahrungen umfasst als nur die Erziehung durch die Eltern oder andere Bezugspersonen. Darüber hinaus konkurrieren Natur und Umwelt (oder Genetik und Umwelt) nicht einfach miteinander, um eine Person zu beeinflussen, sondern interagieren oft miteinander; „nature and nurture“ arbeiten zusammen. Und schließlich sind individuelle Unterschiede nicht ausschließlich auf den genetischen Code oder das Entwicklungsumfeld einer Person zurückzuführen – bis zu einem gewissen Grad entstehen sie auch aufgrund von Unordnung im Entwicklungsprozess.

    Der „Erbe-versus-Umwelt-Streit“ begann übrigens mit der im Jahr 1876 in London erscheinenden Studie “Die Geschichte der Zwillinge als Prüfstein der Kräfte von Anlage und Umwelt” von Sir Francis Galton, einem Vetter Charles Darwins. Galton interessierte sich dafür, wie menschliche Eigenschaften weitergegeben werden, und schloss aus seinen Beobachtungen und Forschungen, dass die Anlage der Umwelt überlegen ist. Damit reicht diese Kontroverse bis in die Anfänge einer wissenschaftlichen Psychologie zurück. Dieser Anfang des 20. Jahrhunderts allgemein verbreiteten Ansicht von der Übermacht der Erbanlagen widersprachen die Behavioristen, Anhänger einer im Jahr 1912 unter anderen von John Watson begründeten Richtung der Psychologie. Der Behaviorismus ging davon aus, dass allein die Umwelt das Verhalten von Tier und Mensch bestimme: Menschliches Verhalten sei überwiegend wenn nicht ausschließlich erlernt und genetische Faktoren spielen bei der Ausformung von Begabungen, Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften nur eine untergeordnete Rolle. Watson stellte sogar die kühne Behauptung auf, er könne aus jedem gesunden Kind einen Mathematiker, ein Finanzgenie oder einen Künstler jeder Richtung formen. Diese Grundgedanken haben lange Zeit und nachhaltig auch die Entwicklung des amerikanischen Erziehungs- und Schulsystems geprägt. Sie beeinflussten aber auch das allgemeine Denken und Handeln der Menschen, da bei jedem richtigen oder falschen Verhalten davon ausgegangen wurde, dass der Mensch selber oder andere dafür verantwortlich zu machen wären.

    Die genzentrierte Umweltselektivität ist ein soziobiologisches Modell und besagt, dass die Wirkung der Umwelt auf einen Organismus vom genetisch und evolutionär bedingten Bauplan der kognitiven Möglichkeiten dieses Organismus abhängt. Vereinfacht heißt das, dass sich die Umwelt nur dann auf ein Lebewesen auswirken kann, wenn dieses durch seine vorgegebene Ausstattung mit dieser überhaupt interagieren kann. Beispiel aus der Biologie: Eidechsen mit einem langen Schwanz werden seltener von Schlangen gefressen, da sie nicht in das Beuteschema der Schlangen passen. Oder wissenschaftlich formuliert: Der Phänotyp ist die die Manifestation eines Genotyps in einer konkreten Umwelt. Beim Schlangenbeispiel kann es dazu kommen, dass die Eidechsen immer schlangenähnlicher werden, weil sie dadurch die besseren Überlebenschancen haben, was aber daran liegt, dass in ihrem genetischen Bauplan auch vorgesehen ist, dass der Schwanz länger werden kann. Hätten sie diese Genvariante nicht, dann könnten sie sich nicht in ihrer Form anpassen und würden wohl durch die Schlangen ausgerottet. Die Umweltselektivität spielt eine wichtige Rolle in der Nature-nurture-Diskussion, da sie besagt, dass die Unterscheidung in Anlage und Umwelt wenig Sinn macht, weil das Verhältnis zwischen Anlage und Umwelt ohnehin durch die genetischen Anlagen selbst bestimmt ist.

    Literatur

    Stangl, W. (2017, 11. Juni). Anlage-Umwelt-Problem. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https:// lexikon.stangl.eu/3074/anlage-umwelt-problem
    Stangl, W. (2017, 11. Juni). genzentrierte Umweltselektivität. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https:/ /lexikon.stangl.eu/13957/genzentrierte-umweltselektivitaet
    Stangl, W. (2021, 1. April). Entwicklungspsychologie – Betrachtung, möglichkeit, Entwicklung. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/Entwicklung.shtml


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