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Insomnie

    Die griechische Mythologie hat den Schlaf als eigene Gottheit dargestellt wurde, wobei Hypnos nachts sanft über die Länder und Meere glitt und den Menschen die Sorgen und Mühen des Alltags abnahm.

    Kurzdefinition: Man spricht von Insomnie, wenn jemand über mehr als einen Monat mindestens dreimal wöchentlich Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen hat und darunter leidet oder im Alltag beeinträchtigt ist. Die Schlafforschung unterscheidet dabei zwischen akuten, situationsbedingten Insomnien über einige Tage oder Wochen, die von selbst wieder abklingen, und chronischen Insomnien, die über mehrere Jahre bestehen können.

    Schlaflosigkeit ist meist Ausdruck der Befindlichkeit und der Lebenssituation eines Menschen, kann aber auch Ausdruck einer psychischen oder organischen Erkrankung sein. Schlafstörungen sind auch nicht eine normale Alterserscheinung, mit der Menschen leben lernen müssen, sondern in jedem Fall ist eine differenzierte Diagnostik notwendig, die zu einer individuellen Behandlung von Betroffenen führt. In der Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen sind über sechzig verschiedene Formen von Schlaf-Wach-Störungen enthalten. Eine Insomnie ist nur dann zu diagnostizieren, wenn sich die Betroffenen durch den Nachtschlaf nicht ausreichend erholen, während die tatsächlich im Bett verbrachte Zeit dagegen kaum Hinweise auf eine Schlafstörung liefert, da das Schlafbedürfnis individuell sehr unterschiedlich ist und zwischen vier und elf Stunden pro Nacht betragen kann.

    Gefüllte und tatsächliche Schlafdauer

    Bei vielen Menschen stimmen übrigens die gefühlte und die tatsächliche Schlafdauer nicht immer überein, denn gerade Menschen, die generell das Gefühl haben, schlecht zu schlafen, wachen morgens oft mit diesen diffusen Erinnerungen an eine durchwachte Nacht auf. Würde man sie jedoch im Schlaflabor untersuchen, würde man wahrscheinlich feststellen, dass sie einen beträchtlichen Teil der Nacht schlafen, was vor allem bei Menschen mit einer Schlafstörung der Fall ist. Insomniker schlafen im Durchschnitt nur unwesentlich kürzer, denn wenn man eine Gruppe von Insomnikern im Schlaflabor übernachten lässt und ihre Schlafdauer mit der von ebenso vielen guten Schläfern vergleicht, ergibt sich ein durchschnittlicher Unterschied von 25 bis 30 Minuten pro Nacht. Die Diagnose einer Insomnie beruht oft auf rein subjektiven Angaben, denn wenn eine Person angibt, über mehrere Wochen schlecht geschlafen zu haben und deshalb tagsüber unter starker Müdigkeit und z.B. Konzentrationsproblemen leidet, wird auf eine Insomnie geschlossen. Die Betroffenen bilden sich dabei ihre Schlafprobleme aber nicht ein, sondern es liegt eine starke Beeinträchtigung vor, die in jedem Fall ernst zu nehmen ist. Bei vielen kommt die Angst hinzu, zu wenig zu schlafen, was die Belastung in der Regel noch verstärkt!

    Schlaflosigkeit ist nach neueren Studien möglicherweise auch auf Anomalien in der weißen Hirnsubstanz zurückzuführen. Mit Hilfe der Diffusions-Tensor-Bildgebung und der Tract-Based Spatial Statistic konnte bei Menschen mit primärer Insomnie nachgewiesen werden, dass diese über eine deutlich verringerte Integrität in verschiedenen rechten Gehirnbereichen und dem Thalamus verfügten. Die beeinträchtigen Areale der weißen Substanz stehen dabei vor allem mit der Regulierung von Schlaf und Wachheit, der kognitiven Funktion und der sensomotorischen Funktion in Zusammenhang, insbesondere mit der berichteten Dauer der Schlaflosigkeit. Dabei ist die Beteiligung des Thalamus entscheidend, da dort wichtige Bereiche der biologischen Uhr des Menschen zu finden sind. Eine Ursache für die Anomalien in der Integrität der weißen Substanz bei den Betroffenen könnte der Verlust von Myelin sein, also der Schutzschicht, die die Nervenfasern umgibt (Li et al. 2016).

    In jedem Fall ist eine differenzierte Diagnostik für eine Therapie wichtig, wobei meist ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen zu ihrem Schlafverhalten am Anfang steht. Problematisch ist, dass manche Betroffene ihre Schlafstörungen nicht als medizinisches Problem erkennen und daher selbst experimentieren, allem voran mit Alkohol, was zusätzlich Probleme bereitet. Es sind übrigens häufig perfektionistische Menschen, die unter ihrer Schlaflosigkeit besonders leiden.

    Diagnose: Mit Hilfe einer Polysomnografie werden in einem Schlaflabor Herzfrequenz, Gehirnströme und Atmung, aber auch die Muskelspannung der Beine und des Kinns sowie die Bewegungen der Augen gemessen. Meist wird mit einer Infrarotkamera auch die Bewegung der Schlafenden aufgezeichnet. Mit Hilfe der Aufzeichnungen kann ein individuelles Schlafprofil erstellt werden, wodurch eine Diagnose von Schlafstörungen ermöglicht wird.

    In der Behandlung von Insomnien hat sich die Verhaltenstherapie bewährt, denn es geht beim Einschlafen häufig darum, loslassen und entspannen zu können. Oft ist es das Nicht-schlafen-Können selbst, das Betroffene in einen Teufelskreis bringt, sodass die folgenden Schlafstörungen eine Folge von innerer Angespanntheit (Hyperarousal) sind. Hyperarousal ist ein Zustand, der vor allem aus der Angst, nicht schlafen zu können, entsteht, und sich als ständiges Beschäftigtsein mit dem Thema auch während des Tages als Belastung äußert und das Problem zusätzlich verstärkt.

    Die nichtorganische Insomnie

    Die nichtorganische Insomnie bezeichnet eine anhaltende Schlafstörung mit einer als ungenügend empfundenen Dauer oder Qualität des Schlafes und einer übertriebenen Sorge über negative Konsequenzen, ohne dass eine substanzbedingte, somatische oder psychische Erkrankung als Ursache vorliegt.

    Methoden gegen Insomnie

    Neben einer gesunden Lebensweise können gewisse Verhaltensregeln wie der Verzicht auf schweres Essen am Abend helfen, auch gibt es einige Hausmittel, wobei diese nicht bei jedem wirken, mit Bedacht zu handhaben sind oder auch umstritten sind. Alkohol kann einschlaffördernd wirken, da er das zentrale Nervensystem entspannt, allerdings sollte es bei kleinen Mengen wie einem Glas Bier oder Wein bleiben. Wenn mehr konsumiert wird, ist der Schlaf nicht erholsam, weil der Körper statt zu ruhen Alkohol abbaut, wobei die Regulation von Tief- und Traumphasen durcheinanderkommt, und es zu Schweißausbrüchen, Herzrasen und wiederholtem Aufwachen kommen kann. Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Meditation helfen Stress abbauen und verbessern die Schlaffähigkeit. Sie können zwar das Einschlafen erleichtern, richten aber wenig gegen Durchschlafstörungen aus, da sie den Verlauf des Schlafs nicht beeinflussen. Körperliche Anstrengung wie abendlicher Sport macht müde und lässt manche Menschen oft besser schlafen, es werden dabei aber auch Kreislauf und Stoffwechsel aktiviert, sodass man in diesem Zustand schlechter einschläft. Deshalb sollte man sich nicht abends auspowern, sondern intensives Training tagsüber absolvieren, damit der Organismus Zeit hat, herunterzufahren. Musik kann entspannen und in den Schlaf begleiten, wenn sie nicht zu laut ist, und es sich um sanfte Klänge handelt, die man als angenehm empfindet. Am besten geeignet sind ruhige Klassik- und Loungemusik, aber es gibt auch Einschlaf-CDs, die außer Musik entspannende Klänge wie Meeresrauschen enthalten.

    Übrigens: Kamillentee kann manche Menschen schläfrig machen und dabei helfen, schneller einzuschlafen, denn der Pflanzenextrakt der Kamille enthält Apigenin, ein Flavonoid, das Schläfrigkeit auslöst, wenn er an sogenannte GABA-Rezeptoren im Gehirn bindet. GABA-Rezeptoren sind auch jene Rezeptoren, die an Benzodiazepine binden, wobei diese Medikamente aufgrund ihrer beruhigenden Wirkung häufig als Mittel gegen Angstzustände eingesetzt werden. Wenn das Apigenin in Kamille die GABA-Rezeptoren bindet, kann der Effekt daher ähnlich sein. Nach Meinung von Experten sollte man ungefähr 45 Minuten vor dem Schlafengehen eine Tasse Kamillentee trinken, denn dann hat der Körper genug Zeit, um den Tee zu metabolisieren, sodass die chemische Zusammensetzung ihre Wirkung entfalten kann. Allerdings gibt es keine nachweisbare Wirkung auf die Schlafqualität. Apigenin ist übrigens auch Bestandteil von Pflanzen wie Schafgarbe, Thymian, Kirschen, Oliven, Sellerie, Brokkoli und Petersilie. Apigenin wird auch in Kosmetika wegen dessen antioxidativen, hautberuhigenden und entzündungshemmenden Eigenschaften verwendet, die Wirksamkeit bei manchen Formen von Hautkrebs ist wissenschaftlich nicht belegt.

    Anmerkung: Flavonoide sind wie viele andere sekundäre Pflanzenstoffe Antioxidantien. Solche Stoffe verhindern im menschlichen Körper Reaktionen von sogenannten freien Radikalen, deren Reaktionen die Zellen schädigen, sodass Flavonoide als zellschützend gelten. Diese Eigenschaft ist auch der Grund, warum Flavonoide gegen zahlreiche Krankheiten schützen sollen, darunter verschiedene Krebsarten, Herz-Kreislauferkrankungen und Alzheimer. Durch den hohen Anteil von Flavonoiden in dunkler Schokolade kann nach Untersuchungen (Beneficial Effects of Dark Chocolate for Episodic Memory in Healthy Young Adults: A Parallel-Groups Acute Intervention with a White Chocolate Control, National Library of Medicine, 2020) die kognitive Leistung bei Menschen verbessert werden.

    Siehe dazu im Detail Der Schlaf und Schlafstörungen

    Energy Drinks und Schlaflosigkeit

    In einer norwegischen Studie wurden Studierende gefragt, wie häufig sie Energy Drinks konsumieren: täglich, (mehrmals) wöchentlich, monatlich (ein- bis dreimal) oder nie/sehr selten. Gleichzeitig wurden sie zu ihrem Schlafverhalten und -rhythmus befragt: wann sie zu Bett gehen und aufstehen, wie lange sie zum Einschlafen brauchen, wie häufig sie aufwachen und wie viel Schlaf sie insgesamt bekommen. Beim Konsum von Energy Drinks gab es große Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Bei den Frauen war es etwa die Hälfte, die nie oder sehr selten einen Energydrink trank, bei den Männern waren es 40 Prozent. Nur drei Prozent der Frauen tranken täglich ein solches Getränk, 5,5 Prozent mehrmals pro Woche, bei den Männern waren es fünf bzw. acht Prozent. Im Durchschnitt schliefen diejenigen, die mindestens einen Energydrink pro Tag tranken, eine halbe Stunde weniger als diejenigen, die selten oder nie einen tranken, oft weniger als sechs Stunden pro Woche. Mit steigender Menge nahmen die Auswirkungen auf das Schlafmuster zu: Die Studierenden wachten nachts häufiger auf, brauchten länger zum Einschlafen und schliefen insgesamt weniger. Bei beiden Geschlechtern war die Dosis entscheidend: Mit jedem zusätzlichen Energydrink nahmen auch die Schlafprobleme zu, wobei schon kleinste Mengen offenbar das Schlafverhalten störten, denn selbst wer nur ein- bis dreimal im Monat zum Muntermacher griff, schlief nicht so gut wie völlig abstinente Studierende. Als Ursache wird der hohe Koffeingehalt der Getränke vermutet. Auch wenn es sich bei den Daten nur um eine Korrelation und nicht um einen kausalen Zusammenhang handelt, scheinen Energy Drinks den Schlaf nicht zu fördern.

    Literatur

    Shumei Li, Junzhang Tian, Andreas Bauer, Ruiwang Huang, Hua Wen, Meng Li, Tianyue Wang, Likun Xia & Guihua Jiang (2016). Reduced Integrity of Right Lateralized White Matter in Patients with Primary Insomnia: A Diffusion-Tensor Imaging Study. Radiology, doi: 10.1148/radiol.2016152038.
    Stangl, W. (2021, 25. Jänner). Gefühlte und tatsächliche Schlafdauer. was stangl bemerkt ….
    https:// bemerkt.stangl-taller.at/gefuehlte-und-tatsaechliche-schlafdauer.
    https://science.orf.at/stories/3223254/ (24-01-23)


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