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Gamma-Aminobuttersäure – GABA

    Gamma-Aminobuttersäure (meist abgekürzt als GABAGamma-aminobutyric acid) ist ein Neurotransmitter, der als inhibitorische Neurotransmitter beruhigend auf den Körper wirkt und damit im Gehirn eine Art Gegenspieler des Glutamats bildet. Wenn Gamma-Aminobuttersäure fehlt, treten etwa epileptische Anfälle auf, wobei Medikamente wie Valium eine Verstärkung der GABA-Wirkung herbeiführen. Chemisch betrachtet ist es das biogene Amin der Glutaminsäure, ein Amin der Buttersäure und der wichtigste inhibitorische  Neurotransmitter im Zentralnervensystem. Vor allem in verschiedenen endokrinen Zellen hemmt GABA die Hormonsekretion, indem es die Zellmembran hyperpolarisiert.

    Neuere Untersuchungen (Delto, et al., 2015) zeigen, dass das Protein Muskelin im Gehirn an der Entsorgung von GABA-Rezeptoren beteiligt ist, indem diese Rezeptoren zu ihrem Abbauort in der Nervenzelle geleitet werden. Seine Wirkung entfaltet Muskelin an den Synapsen, wo es es an der Entsorgung der GABA(A)-Neurotransmitter-Rezeptoren beteiligt ist. Dabei schließen sich immer vier Muskelin-Proteine zu einem Komplex zusammen.  Muskelin ist ein Protein, das in vielen Zellen des Körpers gebildet wird, wobei es erstmals in Muskelzellen gefunden wurde. Muskelin findet sich aber auch in den Nervenzellen des Gehirns, wobei seine Funktion bisher nicht vollständig bekannt war.

    Gamma-Aminobuttersäure und Lernprozesse

    Allgemein spielen bei Lernprozessen chemische Botenstoffe eine wichtige Rolle, denn Neurotransmitter übermitteln Informationen zwischen Nervenzellen, wobei generell zwischen erregenden und hemmenden Transmittern zu unterscheiden ist. Ein erregender Botenstoff wie Acetylcholin aktiviert die nächste Nervenzelle, während ein hemmender Transmitter wie Gamma-Aminobuttersäure die Signalübermittlung herunterregelt. Kommen nun zwei Reize wenige Millisekunden hintereinander an einer Nervenzelle an, verrechnet die Zelle diese Botenstoffe miteinander. Durch diese Verrechnung kann das Signal entweder verstärkt oder abgemildert werden, je nachdem, welche Transmitter an diesem Prozess beteiligt sind. Kommt es bei der Reizweiterleitung zu Änderungen, sind Nervenzellen in der Lage, darauf zu reagieren, eine Eigenschaft, die als neuronale Plastizität bezeichnet wird und maßgebend für das Lernen und die Gedächtnisbildung ist. Beim Lernen spielt daher auch die zeitliche Abfolge der Informationen eine entscheidende Rolle. Bei bisherigen Untersuchungen von Lernprozessen stand vor allem die zeitliche Verrechnung von erregenden Neurotransmittern im Fokus, obwohl bekannt war, dass der hemmende Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure beim Lernen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Um diesen Prozess genauer zu untersuchen, haben Raccuglia & Müller (2014) die für das Lernen bei Insekten (Bienen) verantwortlichen Nervenzellen, die Kenyonzellen, isoliert und die zeitliche Verrechnung bei erregenden und hemmenden Botenstoffen untersucht. Dazu hat man die Zellen von Honigbienen und Fruchtfliegen zuerst mit dem erregenden Transmitter Acetylcholin und Sekunden später mit dem hemmenden Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure bzw. auch in umgekehrter Reihenfolge stimuliert. Zur Kontrolle wurden die Versuche jeweils auch allein mit dem hemmenden oder erregenden Botenstoffen durchgeführt. Bei der Überprüfung zeigte sich, dass es bei der Stimulation mit beiden Transmittern, im Gegensatz zu den Kontrollversuchen, noch Minuten später zu Änderungen in der Signalverarbeitung der Kenyonzellen kommt. Durch diese zeitliche Verrechnung haben die Zellen eine Art molekulares Gedächtnis gebildet. Dabei hing das Ausmaß dieser Änderungen davon ab, welcher Transmitter zuerst stimuliert und wie viele Rezeptoren die Zellen für den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure besitzen.

    Die Gamma-Aminobuttersäure ist vermutlich auch daran beteiligt, dass es manchen Menschen schwer fällt, Gedanken an unangenehme Erlebnisse, Ängste oder Sorgen beiseite zu schieben. Wie Experimente (Schmitz et al., 2017) zeigen, lässt sich anhand der GABA-Konzentration im Gehirn vorhersagen, wie gut Menschen unerwünschte Gedanken unterdrücken können. In einem Experiment hatten Probanden eine Reihe von unzusammenhängenden Wortpaaren assoziieren gelernt. Wurde in einem anschließenden Test eines der Worte in Grün gezeigt, sollten sich die Probanden beide Wörter ins Gedächtnis rufen, wurde dieses Wort jedoch in Rot gezeigt, sollten sie nicht an das zweite Wort denken. Dabei konnten jene Studienteilnehmer mit einer niedrigen GABA-Konzentration im Hippocampus die Gehirnaktivität weniger gut unterdrücken und somit auch die unerwünschten Gedanken. Dieses Ergebnis könnte erklären, warum Menschen mit Ängsten, posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Schizophrenie unter diesen immer wiederkehrenden, aufdringlichen Gedanken leiden. Möglicherweise könnte eine Verbesserung der GABA-Aktivität im Hippocampus Menschen helfen, unerwünschte und aufdringliche Gedanken zu unterbinden.

    Diazepam binding inhibitor

    Im Hippocampus, der im Gehirn für die Gedächtnisbildung zuständig ist, entsteht das Peptid Diazepam binding inhibitor (DBI) in Nervenstammzellen. In diesen Zellen bindet sich das Peptid an den GABA Rezeptor, der vom Hirnbotenstoff GABA aktiviert wird. GABA sorgt dafür, dass sich Stammzellen nicht teilen. Man hat entdeckt, dass das Peptid in neuronalen Stammzellen und Vorläuferzellen, jedoch nicht in migrierenden jungen Nervenzellen vorhanden ist, sodass man vermutet, dass DBI die Zellteilung beeinflussen dürfte. Indem man bei Mäusen das DBI-Gen in einer im Hippocampus gelegenen Stammzellnische ausschaltet oder gezielt anregt, konnte man die Funktion des Peptids entschlüsseln. Fehlt DBI, geht die Zahl an Nervenstammzellen zurück, woran bei Mäusen auch Bewegung und äußere Reize wie Laufräder nichts ändern. Eine Überversorgung mit dem Peptid regte hingegen die Bildung von Nervenstammzellen und Vorläuferzellen an.

    GABA und Nikotinsucht

    In mehreren Untersuchungen hatte sich bereits gezeigt, dass Frauen anfälliger für den Abhängigkeitseffekt des Rauchens sind und auch schneller Rückfälle bei der Entwöhnung erleiden. Neuere Untersuchungen (Bagga et al., 2018) zeigen nun, dass sich durch das Rauchen sowohl Hirnstrukturen als auch der Stoffwechsel in Gehirn bei Frauen und Männern unterschiedlich verändern können. Es zeigte sich dabei vor allem bei Frauen ein signifikanter Anstieg des GABA-Levels. GABA spielt eine wichtige Rolle bei kognitiven Funktionen, wie Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis, und viele Substanzen, die Suchtverhalten auslösen, stehen in direkter Verbindung mit einer Stimulanz von GABA. Bei den Männern hingegen gab es beim GABA-Level zwischen Rauchern und Nicht-Rauchern nur sehr geringe Abweichungen. Neben strukturellen und metabolischen Veränderungen im Gehirn der rauchenden Probanden und Probandinnen stellte man auch auf der Verhaltensebene geschlechtsspezifische Differenzen fest, denn in der Aggressionsbewältigung reagieren Raucherinnen vermehrt mit Rückzug.

    GABA spielt auch beim Gedächtnis von Pflanzen eine Rolle

    Bei Trockenheit benutzen Pflanzen ebenfalls GABA (Gamma-Aminobuttersäure), um ihren Wasserverlust zu begrenzen, was ihnen eine Art Gedächtnis dafür verschafft, wie trocken der jeweilige Tag war. Xu et al. (2021) zeigten, dass je trockener es ist, umso mehr GABA sich im Lauf des Tages im Pflanzengewebe anhäuft, wobei am nächsten Morgen die Menge dieses Botenstoffes darüber entscheidet, wie weit die Pflanze ihre Blattporen aufmacht, um den Wasserverlust zu regulieren. Es konnte schon früher gezeigt werden, dass das Kurzzeitgedächtnis, mit dem die fleischfressende Venusfliegenfalle die Zahl der Berührungen durch ihre Beutetiere zählt, vom Kalziumspiegel in der Zelle abhängt, wobei dieser Kalziumspiegel die enzymatische Biosynthese von GABA in Pflanzen reguliert. Die GABA-Wirkung wurde auch bei verschiedenen Ackerfrüchten nachgewiesen, denn unter dem Einfluss von GABA schließen etwa Gerste, Saubohnen und Sojabohnen ihre Blattporen. Derartig reagieren übrigens auch Laborpflanzen, die durch Mutationen mehr GABA produzieren als normal, sodass diese Mutanten in Experimenten weniger Wasser brauchen und eine Trockenheit länger überstehen.

    Literatur

    Bagga, D., Aigner, C. S., Cecchetto, C., Fischmeister, F. P., Schöpf, V. (2018). Investigating Sex-Specific Characteristics of Nicotine Addiction Using Metabolic and Structural Magnetic Resonance Imaging. European Addiction Research, doi: 10.1159/000494260.
    Delto, C.F., Heisler, F. F., Kuper, J., Sander, B., Kneussel, M. & Schindelin, H. (2015). The LisH Motif of Muskelin Is Crucial for Oligomerization and Governs Intracellular Localization. Structure. doi: 10.1016/j.str.2014.11.016.
    Raccuglia, D. & Mueller, U. (2014). Temporal Integration of Cholinergic and GABAergic Inputs in Isolated Insect Mushroom Body Neurons Exposes Pairing-Specific Signal Processing. The Journal of Neuroscience, 34, 16086-16092.
    Schmitz, Taylor W., Correia, Marta M., Ferreira, Catarina S., Prescot, Andrew P. & Anderson, Michael C. (2017). Hippocampal GABA enables inhibitory control over unwanted thoughts. Nature Communications, 8, doi: 10.1038/s41467-017-00956-z.
    Xu, Bo, Long, Yu, Feng, Xueying, Zhu, Xujun, Sai, Na, Chirkova, Larissa, Betts, Annette, Herrmann, Johannes, Edwards, Everard J., Okamoto, Mamoru, Hedrich, Rainer & Gilliham, Matthew (2021). GABA signalling modulates stomatal opening to enhance plant water use efficiency and drought resilience, Nature Communications, 12, doi:10.1038/s41467-021-21694-3.


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