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Mitleidseffekt

    Der Mitleidseffekt – Underdog-Effekt oder Verlierer-Effekt – bezeichnet in der Psychologie das Phänomen, dass Menschen dazu neigen, sich mit Personen zu solidarisieren oder diese zu bevorzugen, die sich in einer unterlegenen Position befinden oder als schwächer oder benachteiligt wahrgenommen werden. Dieser Effekt tritt in verschiedenen Situationen auf, z.B. bei Wettbewerben, Wahlen oder Konflikten. Bei Wahlen kann der Underdog-Kandidat vom Mitleidseffekt profitieren, da Wähler, die mit dem Favoriten unzufrieden sind, den Underdog wählen können, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken. Dieser Effekt wurde auch bei Zuschauern von Basketballspielen beobachtet, bei denen Studenten vor einem Spiel zwischen europäischen Mannschaften darüber informiert wurden, dass die eine oder andere Mannschaft die letzten 15 Spiele gegeneinander gewonnen hatte. Auch in diesem Fall drückten sie durchweg dem Außenseiter die Daumen, unabhängig davon, welches Team es war.

    Der Mitleidseffekt kann verschiedene psychologische Mechanismen beinhalten:

    • Empathie: Menschen neigen dazu, sich in andere hineinzuversetzen und deren Leiden zu erkennen, d.h. wenn sie sehen, dass jemand benachteiligt ist oder sich in einer schwierigen Situation befindet, können sie Mitleid empfinden und den Wunsch haben, zu helfen oder Unterstützung zu zeigen. Menschen neigen dazu, Ungerechtigkeit zu empfinden, wenn ein schwächerer Gegner einem stärkeren Gegner gegenübersteht, und sie möchten den Unterlegenen unterstützen, um eine Art Gleichgewicht wiederherzustellen.
    • Gerechtigkeitsempfinden: Menschen haben oft ein starkes Bedürfnis nach Fairness und Gerechtigkeit, d.h. wenn sie sehen, dass jemand unterlegen ist oder ungerecht behandelt wird, können sie geneigt sein, diese Person zu unterstützen, um eine Art Gleichgewicht herzustellen.
    • Identifikation mit dem Underdog: Menschen können sich mit Menschen in einer unterlegenen Position identifizieren, insbesondere wenn sie selbst ähnliche Erfahrungen gemacht haben, was dazu führen kann, dass sie sich mit den Benachteiligten verbunden fühlen und sich daher für sie einsetzen.
    • Spannung: Der Mitleidseffekt kann auch durch die Spannung erzeugt werden, die mit einem Wettbewerb verbunden ist, denn viele Menschen finden es oft spannender, einen Schwächeren anzufeuern, dessen Erfolgschancen geringer sind.

    Der Mitleidseffekt kann in verschiedenen Kontexten auftreten, sei es in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Sport, in der Politik oder in anderen sozialen Situationen, und kann dazu führen, dass Menschen Unterstützung oder Sympathie für diejenigen zeigen, die als weniger mächtig oder privilegiert wahrgenommen werden. In Konfliktsituationen kann der Mitleidseffekt dazu führen, dass Unterlegene Unterstützung von Dritten erhalten, da Personen, die den Unterlegenen als Opfer wahrnehmen, beschließen können, ihm zu helfen, um seine Situation zu verbessern. Dass Menschen eine Vorliebe für Außenseiter haben, ist im Grunde auch ein Ausdruck von Schadenfreude, also der Freude, die man über das Unglück anderer empfindet. So ärgern sich die Menschen über die Spitzenmannschaften, die jedes Jahr gewinnen, und feuern die gegnerische Mannschaft an, damit der Favorit verliert. Möglicherweise ist der Mitleidseffekt auch eine Folge des tiefen Wunsches, dass es in der Welt gerecht zugehen möge.

    Dieses Phänomen scheint nicht zuletzt mit dem psychologischen Wert eines unerwarteten Erfolgs zusammenzuhängen, denn ein unerwarteter Erfolg ist lohnender als ein erwarteter und ein unerwarteter Misserfolg schmerzhafter. Die emotionale Prägung solcher Situationen schafft starke Erinnerungen, und die Menschen erinnern sich an die Entscheidungen, die sie getroffen haben und die zu diesen Situationen geführt haben. Psychologen stellen immer wieder fest, dass Menschen sich über unerwartete Erfolge mehr freuen als über erwartete, und dass unerwartete Misserfolge mehr schmerzen als erwartete. Manche weisen darauf hin, dass dies ein guter Grund sein könnte, den Außenseiter anzufeuern, da man weniger zu verlieren hat, wenn die eigene Mannschaft verliert, und viel mehr zu gewinnen, wenn sie gewinnt.

    Der Gegensatz dazu ist übrigens der Bandwagon-Effekt.

    Literatur

    https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mitleid/9824 (20-03-22)


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