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Halluzinogene

    Kurzdefinition: Halluzinogene sind Stoffe, die eine bewusstseinserweiternde Wirkung haben können, die durch die nach der Einnahme von Halluzinogenen hervorgerufene Reizüberflutung zustande kommt. Die meisten Drogen erhöhen die Konzentration des Botenstoffs Dopamin im ­Nucleus accumbens, einer Schaltstelle des Belohnungssystems im Gehirn, wobei dieser Dopaminschub ein Gefühl des Wohlbefindens erzeugt und die Lust auf mehr steigert.

    Halluzinogene sind psychedelische, d.h., bewusstseinserweiternde chemische Substanzen wie LSD, die Wahrnehmungen verzerren und sensorische Bilder ohne sensorischen Input erzeugen. Die Wirkung von Halluzinogenen besteht in erster Linie in unwirklichen Erscheinungen, Halluzinationen optischer, akustischer oder taktiler Natur, in einer gewissen körperlichen Leichtigkeit und in verstärkten Sinneswahrnehmungen. Negative äußere Einflüsse oder auch Unwohlsein bei der Einnahme lösen häufiger als bei Cannabis negative Akutwirkungen aus, etwa der Horrortrip, der im wesentlichen durch Angst, Angstzustände, Panikattacken und angstbesetzte Bilder bestimmt ist. Ebenfalls häufiger als bei Cannabis können Echo-Effekte noch nach Tagen (flash-backs) oder psychotische Zustandsbilder als Langzeitfolgen eintreten. Halluzinogene werden üblicherweise geschluckt und erscheinen als Trips (LSD, zeitweilig auch DOM, STP oder sogenannte Designer-Drogen, die speziell für den illegalen Konsum kreiert werden) auf dem Markt in Form von Tabletten, getränktem Löschpapier oder Zuckerstückchen. Ebenfalls in diese Kategorie gehören die in Europa selteneren mittelamerikanischen Stoffe Meskalin und Psylocibin, aber auch heimische Pilze.

    Siehe dazu das Arbeitsblatt Halluzinogene.


    Zwar sind die meisten dieser Psychedelika verboten, allerdings haben einige der Substanzen ein hohes therapeutisches Potenzial bei psychischen Erkrankungen haben, denn klinische Studien deuten darauf hin, dass Psilocybin, der Wirkstoff aus Magic Mushrooms, unter kontrollierten Bedingungen gegen Depressionen helfen kann, LSD wird etwa eine positive Wirkung gegen Schmerzen zugeschrieben. Kim et al. (2020) ist es gelungen, mit bildgebenden Techniken (Kristallstrukturanalyse und Kryoelektronenmikroskopie) darzustellen, wie Halluzinogene wie LSD und Psilocybin im Gehirn mit dem Serotonin-Rezeptor 5-HT2A interagieren, der normalerweise als Andockstelle für den Hirnbotenstoff Serotonin dient, der unter anderem als Stimmungsaufheller und Glückshormon gilt, aber auch eine Vielzahl weiterer Hirnfunktionen beeinflusst. Auf Basis dieser Ergebnisse könnte man neue Wirkstoffe gegen psychische Erkrankungen entwickeln, auch wenn noch unklar ist, wie diese Drpgen ihre therapeutische Wirkung entfalten Die ersten Einblicke, wie Halluzinogene auf molekularer Ebene mit den Rezeptoren interagieren, ist ein wichtiger Schlüssel, um zu verstehen, wie sie wirken. Je besser man versteht, wie diese Drogen an die Rezeptoren binden, desto besser kann man ihre Eigenschaften bei der Signalweiterleitung im Gehirn verstehen.

    Potenzial einer Psilocybin-Therapie nachgewiesen

    Daws et al. (2022) haben die subakuten Auswirkungen von Psilocybin auf die Gehirnfunktion in zwei klinischen Studien zur Depression untersucht. Die erste war eine offene Studie mit oral verabreichtem Psilocybin bei Patienten mit behandlungsresistenter Depression. Die funktionelle Magnetresonanztomographie wurde zu Studienbeginn und einen Tag nach einer 25-mg-Dosis aufgezeichnet. Bei der zweiten Studie handelte es sich um eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie zum Vergleich der Psilocybin-Therapie mit Escitalopram. Patienten mit schweren depressiven Störungen erhielten entweder oral eingenommenes Psilocybin im Abstand von drei Wochen plus sechs Wochen tägliches Placebo oder oral eingenommenes Psilocybin im Abstand von drei Wochen plus sechs Wochen tägliches Escitalopram. In beiden Studien war die antidepressive Reaktion auf Psilocybin schnell und anhaltend und korrelierte mit einer Abnahme der funktionellen Magnetresonanztomographie-Modularität der Gehirnnetzwerke, was darauf hindeutet, dass die antidepressive Wirkung von Psilocybin von einer globalen Zunahme der Integration der Gehirnnetzwerke abhängen könnte. Es zeigte sich auch eine erhöhte Konnektivität zwischen den Gehirnarealen, wobei die erhöhte funktionelle Verbindung einer beschriebenen subjektiven erhöhten Flexibilität und emotionaler Entspannung entsprechen könnte. Die antidepressive Reaktion auf Escitalopram war milder und es wurden keine Veränderungen in der Organisation der Gehirnnetzwerke beobachtet. Konsistente, mit der Wirksamkeit zusammenhängende Veränderungen im Gehirn, die mit robusten antidepressiven Wirkungen in zwei Studien korrelieren, legen daher einen antidepressiven Mechanismus für die Psilocybin-Therapie nahe, und zwar durch eine globale Zunahme der Integration von Gehirnnetzwerken.

    Aus wissenschaftlicher Sicht ist aber noch immer nicht abschließend geklärt, was die erhöhte funktionelle Verbindung nach der Einnahme von Psilocybin genau bedeutet oder reflektiert, denn in anderen Studien wurde gezeigt, dass ähnliche Veränderungen auch durch andere serotonerge Substanzen ausgelöst werden können und möglicherweise nicht spezifisch für Psychedelika sind. Damit Psychedelika in der Therapie von Depressionen zugelassen werden können, fehlen noch größere Phase-III-Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit an großen Probandengruppen überprüften. Bestenfalls würde diese Forschung auch in einem Biomarker resultieren, der schon vor der Behandlung vorhersagen lässt, ob ein Betroffener bzw. eine Betroffene von der Therapie profitieren kann.

    Literatur

    Daws, Richard E., Timmermann, Christopher, Giribaldi, Bruna, Sexton, James D., Wall, Matthew B., Erritzoe, David, Roseman, Leor, Nutt, David & Carhart-Harris, Robin (2022). Increased global integration in the brain after psilocybin therapy for depression. Nature Medicine, doi:10.1038/s41591-022-01744-z.
    Kim, Kuglae, Che, Tao, Panova, Ouliana, DiBerto, Jeffrey F., Lyu, Jiankun, Krumm, Brian E., Wacker, Daniel, Robertson, Michael J., Seven, Alpay B., Nichols, David E., Shoichet, Brian K., Skiniotis, Georgios & Roth, Bryan L. (2020). Structure of a Hallucinogen-Activated Gq-Coupled 5-HT2A Serotonin Receptor. Cell, 182, 1574-1588.


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