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generalisierte Angststörung

    Die generalisierte Angststörung  – auch hochfunktionale Angststörung – ist eine Angststörung, bei der Betroffene kontinuierlich angespannt und besorgt sind, was mit einer anhaltenden Erregung des autonomen Nervensystems einhergeht. Man nennt sie daher auch Sorgenkrankheit, wobei diese Menschen nicht wegen tatsächlicher Probleme krank vor Sorge sind, sondern wegen der unkontrollierbaren Sorgen selbst. Übermäßige und unkontrollierbar erscheinende Sorgen und die damit verbundene Anspannung und ängstliche Erwartung können für Betroffene jedoch zu einer starken Belastung werden, die sich auf den Beruf und den privaten Alltag auswirkt. Die Bezeichnung auch als hochfunktionale Angststörung rührt daher, dass Betroffene regelmäßig mit Ängsten zu kämpfen haben, sich jedoch selbst als “hochfunktional“ bezeichnen, d. h., sie glauben, ihre Angst unter Kontrolle zu haben und von ihr nicht eingeschränkt zu werden. Die generalisierte Angststörung ist nicht auf konkrete Situationen beschränkt, sondern sie ist frei flottierend, wobei diese Form der Angststörung als solche häufig nicht für die Umgebung der Betroffenen erkennbar ist, sondern eher über andere Symptome wie Unsicherheit und Anspannung erkennbar wird. Damit gehen Einzelsymptome wie unrealistische, übertriebene und andauernde Befürchtungen, Sorgen und Ängste über unterschiedliche Bereiche des Lebens, Sorgen über zukünftiges Unglück, Nervosität oder Konzentrationsschwierigkeiten einher. Betroffene zeigen eine hohe motorische Spannung durch körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern, eine große Unfähigkeit, sich überhaupt zu entspannen, wobei auch eine vegetative Übererregbarkeit wie Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie (Schnellherzigkeit) oder Tachypnoe (Schnellatmung), Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle oder Mundtrockenheit hinzukommen kann. Treten dann äußere Belastungen auf, so verschlimmert sich der Zustand, wobei irgendwann dann keine Kontrolle über die Angst mehr möglich und das Angstniveau kontinuierlich ansteigt. Die Betroffenen versuchen nicht selten ihre Angst dadurch zu bewältigen, indem sie ein stark auf Sicherheit bedachtes Verhalten an den Tag legen, das eine hohe Anstrengung erfordert und rasch zu Erschöpfung führt.

    Sorgeninhalte sind häufig die eigene Gesundheit oder die Gesundheit der Angehörigen, der Beruf, die finanzielle Situation, die Partnerschaft, aber auch alltägliche Belastungen wie Termine oder der Einkauf. Gedanken über mögliche schlimme Ereignisse in der Zukunft und wie diese verhindert werden könnten reihen sich aneinander. In der Folge sind die Betroffenen ängstlich und dauerhaft anspannt. Die Befürchtungen und Sorgen beziehen sich typischerweise auf verschiedene Themen. Die Inhalte wechseln auch häufig. Die Betroffenen fühlen sich von ihren Sorgen immer wieder überwältigt und empfinden sie als unkontrollierbar. Neben Angst und Anspannung wird das Sorgen begleitet von Ruhelosigkeit, die Personen fühlen sich wie „ständig auf dem Sprung“, sind manchmal auch reizbar. Das Ein- oder Durchschlafen wird durch das viele Sorgen erschwert; der Schlaf ist unruhig und wenig erholsam. Betroffene ermüden leichter und haben Schwierigkeiten sich zu konzentrieren.

    Typisch für diese Angststörung ist, wenn diese Menschen Ängste verspüren, sich aber trotzdem in der Lage dazu fühlen, früh aufzustehen und zur Schule oder Arbeit zu gehen, und dabei irgendwann vergessen, wie sie sich ohne Angst fühlen könnten, d. h., ein angsterfüllter Alltag wird zur Norm. Betroffen sind dabei häufig Perfektionisten, denn wenn sie etwas anpacken, muss das Ergebnis perfekt werden, denn die Erwartungen sind so hoch, dass die Angst, diese nicht erfüllen zu können, ein ständiger Begleiter werden. Der Zwang zum Perfektionismus äußert sich unter anderem auch darin, dass man immer die Kontrolle haben muss und sich dabei an einem Punkt plötzlich hilflos fühlt, wenn dem nicht so ist. Man braucht permanent das Gefühl, die Zügel in der Hand zu halten und sein eigenes Leben lenken zu können. Betroffene sind auch immer beschäftigt, denn permanent etwas zu tun zu haben, verleiht eine Art von Glücksgefühl.

    Nach Schätzungen sind etwa zwei bis drei Prozent der Menschen davon betroffen, in der Regel solche, die ohnehin grundsätzlich eher ängstlich oder pessimistisch gestimmt sind. Etwa 5% der Menschen leiden irgendwann im Laufe ihres Lebens daran, wobei Frauen  etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Die generalisierte Angststörung kann in jeder Lebensphase beginnen, mit zunehmendem Lebensalter steigt aber die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken. Sie tritt bei etwa 70 % der Betroffenen zusammen mit anderen Problemen auf, wie z.B. anderen Angststörungen oder depressiven Störungen.

    Ohne Behandlung verläuft die generalisierte Angststörung chronisch, auch wenn die Betroffenen oft schildern, dass die Beschwerden einmal schlimmer und einmal weniger schlimm ausgeprägt sind. Häufig spielen hier äußere Belastungen wie zusätzliche Anforderungen am Arbeitsplatz eine Rolle. Neuere psychologische Studien haben zu einem besseren Verständnis über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung und damit zur Entwicklung erfolgreicher psychotherapeutischer Behandlung beigetragen.

    Was im Gehirn bei einer generalisierten Angststörung passiert

    Die Übergeneralisierung von Angst auf harmlose Situationen ist ein zentrales Merkmal von Angststörungen, die aus akutem Stress resultieren, aber die Mechanismen, durch die Angst generalisiert wird, sind nur unzureichend bekannt. In einer neueren Studie konnten Li et al. (2024) zeigen, dass generalisierte Angst bei Mäusen durch einen Transmitterwechsel von Glutamat zu GABA in serotonergen Neuronen der Seitenflügel der dorsalen Raphe verursacht wird. In dem Experiment wurden die Mäuse durch Elektroschocks akutem Stress ausgesetzt, wobei leichte Elektroschocks zu Angst vor dieser Schmerzsituation führten, während starke Elektroschocks eine generalisierte Angstreaktion auslösten. Eine solche Reaktion kann auch beim Menschen die Folge von ungewöhnlich starkem Stress sein und im Rahmen von Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten. Bei den Mäusen identifizierte man nun einen Bereich im Hirnstamm (Raphekern), in dem sich bei den zuvor stark gestressten Nagetieren die Serotonin ausschüttenden Nervenzellen verändert hatten: Statt des anregenden Botenstoffs Glutamat schütteten sie vermehrt den hemmenden Botenstoff GABA aus. Eine Überbrückung des Transmitterwechsels bei den Mäusen verhinderte jedoch den Erwerb von generalisierter Angst, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus gezielt eingesetzt werden könnte, um einige der schädlichen Folgen von akutem Stress zu verhindern.

    Literatur

    Li, Hui-quan, Jiang, Wuji, Ling, Li, Pratelli, Marta, Chen, Cong, Gupta, Vaidehi, Godavarthi, Swetha K. & Spitzer, Nicholas C. (2024). Generalized fear after acute stress is caused by change in neuronal cotransmitter identity. Science, 383, 1252-1259.
    Stangl, W. (2024, 15. März). Was passiert im Gehirn bei einer generalisierten Angststörung? was stangl bemerkt …
    https:// bemerkt.stangl-taller.at/was-passiert-im-gehirn-bei-einer-generalisierten-angststoerung.
    http://wwwpsy.uni-muenster.de/Sorgenambulanz/Stoerungsbild.html (11-09-21)
    https://blog.hf.uni-koeln.de/angstambulanz/generalisierte-angststoerung-beschwerdebild/ (18-12-12)


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