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dissoziative Störungen

    Als dissoziative Störungen (dissociative disorders) bezeichnet man in der Psychologie Störungen, bei denen das Bewusstsein sich von früheren Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen abspaltet (=dissoziiert). Dissoziative Störungen werden auch als Konversionsstörungen bezeichnet, in denen der Betroffene nach langanhaltenden traumatischen Erfahrungen unangenehme Gefühle, Erinnerungen, die Wahrnehmung der eigenen Person bzw. der Umgebung von sich abgespaltet. Übrigens: Dissoziation ist im Grunde ein Alltagsphänomen, denn alle Menschen dissoziieren hin und wieder, etwa wenn jemand in ein Buch vertieft ist und nichts um sich herum mitbekommt, aber auch Tagträume oder Trancezustände wie bei der Meditation sind ebenfalls Dissoziationen. Der Körper trennt bei einer Dissoziation Denken, Fühlen und Wahrnehmen voneinander und schaltet manche Sinneskanäle ab, funktioniert nur noch. Das Bewusstsein, das Gedächtnis oder auch bestimmte Gefühle oder Sinneswahrnehmungen laufen dann auf einer Art Stand-by, wobei in der Folge Gedächtnislücken entstehen, Schmerz kaum empfunden wird und auch emotionale Regungen ausbleiben. Ein dissoziierter Mensch wirkt wie jemand, der zwar körperlich anwesend aber geistig nicht da ist. Es ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, ob jemand zum Abdriften neigt, d. h., manche Menschen entrücken eher als andere. Vor allem in Stressmomenten neigen Menschen dazu, zu dissoziieren und berichten, in diesem Augenblick völlig neben sich gestanden zu haben, andere wieder wissen etwa nach einem heftigen Streit mit dem Partner nicht mehr, was sie eigentlich gesagt haben, oder Ersthelfer bei einem Verkehrsunfall haben später keine Ahnung, was sie dort konkret gemacht haben. In traumatischen Situationen soll dieser Mechanismus offensichtlich schützen, denn wenn etwa eine Frau vergewaltigt wird, dann überfluten sie die äußeren und inneren Eindrücke, sie spürt den brutalen Schmerz, sie riecht den Täter, zugleich kommen mehrere Gefühle hoch wie Ekel, Scham, Angst, Wut. Am Anfang wehrt sie sich noch, doch dann fährt der Körper herunter, Fühlen, schmecken, riechen, Bewegung sind betäubt, damit diese Frau diese Eindrücke nicht bewusst ertragen muss.

    Man spricht erst dann von einer dissoziativen Störung, wenn der Schutzmechanismus auch in Momenten wiederkehrt, die nicht bedrohlich sind, die Betroffenen die Abspaltung nicht stoppen oder kontrollieren können, und die Aussetzer ihren Alltag erschweren oder gar ihr Leben aus den Fugen heben. Menschen mit einer krankhaften dissoziativen Störung zeigen dann Gedächtnislücken und fühlen sich häufig in einer konkreten Umgebung als fremd. Besonders bekannt, da in den Medien immer wieder von solchen spektakulären Fällen berichtet wird, ist die dissoziative Fugue: Betroffene gehen von heut auf morgen von zu Hause weg, reisen in eine andere Stadt, erleben sich als andere Person. Mitunter kommen sie dann plötzlich zu sich und sind orientierungslos über ihre Identität und den Ort, an dem sie sich befinden.

    Zu den dissoziativen Störungen gehören

    • dissoziative Amnesie: Gedächtnislücken, d. h., die Betroffenen vergessen traumatische Momente komplett, aber oft kehrt die Erinnerung nach langer Zeit oder auch nie zurück.
    • Depersonalisation: Betroffene fühlen sich fremd im eigenen Körper. Die Betroffenen haben ständig das Gefühl, nicht Teil ihres Körpers zu sein, sondern glauben, diesem beim Handeln und Denken nur als Außenstehender zuzusehen.
    • Derealisation: Gefühl der Entfremdung: Umwelt wird als fremd wahrgenommen.
    • Konversionsstörungen: Gefühle drücken sich im Körper aus.
    • Dissoziative Fugue: Verlassen der gewohnten Umgebung.
    • Dissoziative Identitätsstörung oder multiple Persönlichkeit, bei der es mehrere nebeneinander existierende Personen mit unterschiedlichen Denk- und Verhaltensmustern in einer Person gibt.

    Siehe dazu Dissoziation und multiple Persönlichkeitsstörung. Nach Schätzungen erkranken etwa zwei bis vier Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens an einer solchen schweren dissoziativen Störung.

    Betroffene erhalten meist eine typische Traumatherapie, in der sie ihre belastenden Erlebnisse aufarbeiten und lernen, mit der Dissoziation umzugehen. Dabei  müssen sie zuerst herausfinden, in welchen Situationen sich ihr Bewusstsein am ehesten abspaltet, um diesen Momenten vorzubeugen, und wenn eine Dissoziation einsetzt, diese aufzuhalten oder zu beenden. Dabei helfen unter anderem starke Reize wie ein Geruch, Geschmack oder Gefühl auf der Haut, das die Sinne stark anregt und den Betroffenen aus dem Neben-sich-stehen zurückholt, also etwa ein Eiswürfel in den Mund nehmen, intensiv an Tigerbalm riechen oder einen Teelöffel Tabasco trinken.

    Quellen & Literatur

    Hauschild, J. (2015). Seltene psychische Störung DIS: Das gespaltene Ich. SPIEGEL Gesundheit vom 8. 12. 2015.


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