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legacy effect

    Der Begriff legacy effect, Altlasteneffekt oder Vermächtniseffekt bezeichnet im Allgemeinen das, was eine Generation an die nächste oder spätere Generationen weitergib, aber auch vergangene Ereignisse, die die Gegenwart beeinflussen. Im medizinischen Kontext wird der Vermächtniseffekt als jenes Phänomen definiert, bei dem sich die intensive Kontrolle der Krankheitsausgänge oder Komplikationen auch nach einer langen Dauer des Abbruchs der Intervention kontinuierlich positiv auswirkt. Dem Konzept liegt die Erfahrung zugrunde, dass ein Körper sich im Wesentlichen an lange Kontrollzeiten erinnern kann. Der Begriff Vermächtniseffekt wurde in der Medizin zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Diabetesversorgung verwendet.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** In der Psychologie (Stangl, 2014) bezieht sich dieser Effekt vor allem auf transgenerationale Übertragungen, d. h., dass traumatische Erfahrungen wie Krieg, sexueller Missbrauch oder schwere körperliche Misshandlungen bei den Opfern oft seelische Wunden hinterlassen, unter denen nicht nur sie ein Leben lang zu leiden haben, sondern dass diese Traumata unbewusst auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden können. Dieser Begriff bezeichnet also das Phänomen, dass eine Generation der anderen ihre Vorstellungen, Verhaltensweisen und auch materiellen Werte weiter gibt. Transgenerationelle Übertragungen spielten vor allem in der Literatur traditionell eine große Rolle, wobei seit der Antike Geschlechterfolgen, Generationen, Familienflüche, Weitergabe von Schicksal, von Verbrechen durch die Generationen hindurch in ganz unterschiedlicher Form thematisiert werden. Vor allem das Genre des Familienromans hat seit jeher das Verhältnis zwischen den Generationen reflektiert, wobei in der neueren Literatur nicht mehr das Schicksal oder der Mythos im Mittelpunkt steht, sondern andere Formen des Austausches etwa in Form des Erinnerns als zentrales Motiv im Familienroman. Erst in jüngster Zeit beschäftigen sich auch Disziplinen wie die Soziologie oder die Psychologie mit transgenerationaler Übertragung, wobei die biologischen Forschung bisher allein die genetische Weitergabe als Faktum akzeptierte.

    Der Begriff legacy effect wird übrigens in der Ökologie seit Anfang der 1990er Jahre verwendet, um sich mit Pflanzenfolgen, invasiven Pflanzeneinwirkungen, Auswirkungen auf Pflanzenfresser, Ökosystemtechnik oder Auswirkungen der menschlichen Landnutzung zu befassen. Im Kontext der Umweltwissenschaften impliziert Vermächtnis immer ein Erbe aus anthropogen verursachten Veränderungen, sodass sich Vermächtniseffekte, wie z.B. Altlasten, Altlastveränderungen von Ökosystemen oder einzelnen Arten auf Phänomene beziehen, die durch anthropogene Veränderungen entstanden sind. So wird der Begriff vor allem dafür verwendet, um Auswirkungen einer Art auf abiotische oder biotische Merkmale von Ökosystemen zu beschreiben, die noch lange Zeit, nachdem man eine Aktivität eingestellt hat, fortbestehen und Auswirkungen auf andere Arten haben. So können menschliche landwirtschaftliche Aktivitäten einen legacy effect auf die Bodenstruktur und vegetative Gemeinschaften haben, der über Jahrhunderte anhält und die gegenwärtigen Gemeinschaften verändert. Das Konzept ist mit der Idee der ökologischen Vererbung in der Evolutionsbiologie verwandt, bezieht sich dabei aber nur auf eine Teilmenge der Merkmale dieses umfassenderen Konzepts. Insbesondere könnten sich Effekte auf jene Arten der ökologischen Vererbung beziehen, bei denen eine physikalische oder biologische Veränderung des Ökosystemzustands auf eine Art und Weise verursacht wird, die auch nach dem Ausbleiben der Ursache noch fortbesteht und den Selektionsdruck viel später im Zeitablauf verändert (Cuddington, 2011).

    In einem Bewässerungsversuch im Kanton Wallis in der Schweiz bewässerte man z. B. mehrere Parzellen, um die Abhängigkeit des Föhrenwachstums von der Wassermenge aufzuzeigen. Die erst trockengestressten und dann bewässerten Bäume entwickelten sich über mehr als ein Jahrzehnt sehr gut. Sie entwickelten eine dichtere Krone und dickere Stämme als ihre nicht-bewässerten Nachbarn. Auf einzelnen Flächenteilen wurde Ende 2013 das Wasser wieder abgestellt. Es stellte sich die Frage, ob die Bäume von den fetten Jahren profitieren konnten oder ob sie nach der langen Bewässerungsphase schlechter an die wieder trockeneren Verhältnisse angepasst waren. Die Antwort ist dabei vielschichtig, da verschiedene Organe des Baumes unterschiedlich reagierten. Zu den erwarteten Reaktionen auf das Abschalten der Bewässerung gehört etwa, dass die neu gebildeten Nadeln kürzer wachsen als jene in den Jahren mit Bewässerung. Überraschend hingegen war, dass die Länge neuer Asttriebe nicht im ersten, sondern erst im zweiten Jahr ohne Bewässerung abnahm. Ein erster Hinweis auf einen Legacy-Effekt, wobei man unter diesem Begriff verzögerte Wachstumsreaktionen zusammenfasst, die nicht durch die aktuell herrschenden Bedingungen, sondern nur durch solche aus der Vergangenheit zu erklären sind. Es gibt also Reaktionen, die sich noch nicht in der nächsten Vegetationsperiode auswirken, sondern erst in der übernächsten oder gar noch später. Am erstaunlichsten war jedoch die Entwicklung des radialen Stammwachstums. Die Jahreszuwächse in Holz und Rinde der nicht mehr bewässerten Bäume wurden nicht wie erwartet sofort kleiner, sondern blieben über vier Jahre deutlich breiter als vor dem Start der Bewässerung. Das Stammwachstum reagierte also nicht ausschliesslich auf die äußeren Bedingungen in Luft und Boden, sondern es profitierte von den Ressourcen und den Strukturen aus der längst beendeten Bewässerungsphase. Dabei konnte ausgeschlossen werden, dass aus der Bewässerungszeit im Boden verbliebenes Wasser eine Rolle spielte. Mit einem Rechenmodell versuchte man das unerwartete Stammwachstum zu erklären, wobei man die Legacy-Effekte mit der Lebenserwartung verschiedener Baumorgane und dem Kohlenstoffspeicher in Verbindung setzte: Ein wasserleitendes Element im Holz der Föhre bleibt etwa 50 Jahre aktiv, der Kohlenstoffspeicher wird etwa alle 10 Jahre umgesetzt und die Föhrennadeln leben etwa vier Jahre. Verkürzt kann man also sagen, dass Baumstrukturen, die bis vor 50 Jahren gebildet wurden, noch heute das Wachstum beeinflussen, weil sie Eigenschaften vergangener Jahre in die Gegenwart tragen. Die Lebensdauer der Nadeln, und damit die Umweltbedingungen der letzten vier Jahre zeigten den größten Einfluss auf das Stammwachstum, d. h., so lange brauchten die ehemals bewässerten Föhren auch, bis sie ihre vergrösserte Krone wieder auf das Niveau von vor der Bewässerung reduziert hatten. Diese Forschungsarbeit zeigt, dass sich die Intensität des Baumwachstums unter feuchteren Verhältnissen positiv auf mehrere darauffolgende Trockenjahre auswirken kann. Es gilt aber auch der Umkehrschluss, dass ein extremes Trockenjahr sich negativ auf mehrere darauffolgende Jahre auswirkt. Das Wachstum und viele andere physiologische Prozesse hängen folglich nicht nur von den aktuellen Wetterbedingungen ab, sondern werden von den physiologischen Prozessen der Jahre zuvor mit beeinflusst (Zweifel et al., 2020).

    Literatur

    Cuddington, K. (2011). Legacy Effects: The Persistent Impact of Ecological Interactions. Biological Theory, 6, 203–210.
    Verwendete Literatur
    Stangl, W. (2014). Stichwort: ‚transgenerationale Übertragungen‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/1579/transgenerationale-uebertragungen/ (14-07-16)
    Zweifel, R., S. Etzold, F. Sterck, A. Gessler, T. Anfodillo, M. Mencuccini, G. von Arx, M. Lazzarin, M. Haeni, L. Feichtinger, K. Meusburger, S. Knuesel, L. Walthert, Y. Salmon, A. K. Bose, L. Schoenbeck, C. Hug, N. De Girardi, A. Giuggiola, M. Schaub, and A. Rigling (2020). Determinants of legacy effects in pine trees – implications from an irrigation-stop experiment. New Phytologist, doi:10.1111/nph.16582.


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