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Alltagsdoping

    Alltagsdoping bzw. Doping im Alltag beruht auf der Zwangsidee, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen genau definierten Zustand erreicht haben zu müssen. Das Alltagsdoping zieht sich dabei quer durch alle Schichten und betrifft also nicht nur Sportlerinnen und Sportler, wobei dieses Suchtverhalten für Außenstehende völlig unbemerkt bleibt.

    Im Beruf sind Arbeitsverdichtung, Erhöhung des Arbeitstempos, Über­- oder Unter­forderung oder problematische Kommunikation bzw. Beziehungen am Arbeitsplatz Stressfaktoren, wobei viele Menschen mit Medikamenten oder arzneinahen Substanzen diesen zu begegnen suchen. Untersuchungen zeigen insgesamt eine zunehmend größere Bereitschaft, sich mit der Einnahme von Substanzen einen Vorteil zu verschaffen (Doping­mentalität).
    Auch im Bereich der Schule ist Alltagsdoping üblich geworden – Stichwort Ritalin, wobei dieses nur als Spitze eines Eisberges verstanden werden kann, der die Schule einzig als Leis­tungsraum definiert. Eltern, Kinder und Jugendliche leben in der Vorstellung, dass sie unter allen Umständen dem System Schule gewachsen sein müssen. Hier wird die zunehmende Dopingmentalität im Kleinen recht deutlich, wobei von Globuli bis zu verschreibungspflichti­gen Medikamenten Stresssymptome bei Schülerinnen und Schülern bekämpft werden.
    Im Jugendalter werden nicht wenige Jugendliche anfällig dafür, Aussehen und körperliche Leistungsfähig­keit zu manipulieren, wobei sowohl Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel in die Nähe des Missbrauchs oder Dopings rücken, wenn dafür keine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Gerade im Fitness­ oder Breitensport gehört es mittlerweile fast zum guten Ton, mit Substanzen nachzuhelfen, wobei sich Kaufangebote in Fitnessstudios ihren Markt schaffen.
    In der Freizeit geht es zum Abschalten, Erholen und Energietanken, wobei die Balance von Leistung und Anspannung auf der einen und Aufbau und Erholung auf der anderen Seite in eine dauerhafte Schieflage geraten, sodass der Griff zu Substanzen, um die Balance wiederherzustellen, nicht ungewöhnlich ist. Die Palette der Substan­zen reicht von Alkohol über die Shisha oder den Joint bis hin zu smart drugs oder verschreibungspflichtigen Medikamenten.

    In Österreich greifen Menschen zu Suchtmitteln, um ganz alltägliche Aufgaben zu bewältigen, und zwar leistungssteigernde Präparate im meist beruflichen Alltag genauso wie Downer in Form von Schlaf und Beruhigungsmitteln, die den Menschen dann Phasen der Regeneration ermöglichen. Michael Musalek, ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts und Vorstand des Instituts für Psychische Gesundheit der Sigmund Freud Privatuniversität Wien, schätzt, dass etwa 150.000 Menschen in Österreich medikamentenabhängig sind, wobei Medikamentensucht nur einen Teilbereich des Alltagsdopings darstellt, denn illegale Substanzen wie Kokain, die aufputschend wirken, werden genauso missbraucht wie Alkohol. Er sagt in einem Interview mit den OÖN vom 17. Dezember 2019: „Alkohol baut Spannung ab – das kann vor einer wichtigen Besprechung ebenso als notwendig empfunden werden wie beim fast schon obligatorischen ,After-Work-Drink‘. Natürlich ist nicht jedes Glas Alkohol Alltagsdoping. Wir sprechen dabei ausdrücklich nicht von einem Achterl Wein, das gemütlich im Freundeskreis genossen wird, sondern von Konsum, der als notwendig und im weitesten Sinne leistungssteigernd empfunden wird.“

    Literatur

    http://www.suchtfragen.de/images/veranstaltungen-materialien/Stress_u_Alltagsdoping/Tagungsprogramm_Stress_und_Alltagsdoping.pdf (19-12-12)


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