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Theta-Wellen

    Theta-Wellen umfassen die mittels eines Elektroenzephalogramms erfassbaren neuronalen Gehirnaktivitäten im Frequenzbereich zwischen 4 und 8 Hz, die  vermehrt bei Unaufmerksamkeit, Schläfrigkeit und in leichten Schlafphasen auftreten. Im Wachzustand sind sie bei Kleinkindern physiologisch normal, bei Erwachsenen können sie auch auf eine Hirnfunktionsstörung oder eine Hirnläsion hinweisen. Bei sehr alten Menschen und bei Menschen mit einer Demenz kann die Ruheaktivität durch Theta-Wellen gekennzeichnet sein. Theta-Wellen werden noch unterteilt in Low-Theta von 3 – 6,5 Hz und High-Teta von 6,5 – 8 Hz, wobei erstere hauptsächlich für tiefe Entspannung, Meditation oder Hypnose stehen, während High-Theta-Aktivitäten vor allem beim Einschlafen, in Trance und bei Wachträumen zu finden sind. Theta-Wellen finden sich daher selten im normalen Ruhe-Elektroenzephalogramm eines Erwachsenen, kommen aber in der Ruheaktivität während des Säuglings- und Kleinkindalters häufig vor.

    Neuere Untersuchungen lassen vermuten, dass Theta-Wellen auch der elektrische Ausdruck des räumlichen Vorstellungsvermögens sein könnten, da im Gehirn von Ratten, die nach einem Weg suchen, Theta-Oszillationen auftreten und auch bei Menschen schon erste vergleichbare Ergebnisse gefunden wurden. Solche Theta-Synchronisierungen verweisen möglicherweise auf einen Zusammenhang mit bestimmten Gedächtnisprozessen, denn so erfolgen beim Memorieren von Bildern sowohl Theta- als auch Delta-Synchronisierungen, die als Ausdruck der verstärkten Aktivität des Arbeitsgedächtnisses und als Aufnahme neuer Gedächtnisinhalte gelten können.

    In einer Studie von Seger et al. (2023) navigierten neurochirurgische Patienten auf einer Route in einem Einkaufszentrum und simulierten anschließend dieselbe Route in dem der virtuellen Realität nachgebildeten Einkaufszentrum mental, während man deren Gehirnaktivität erfasste. Man fand dabei heraus, dass die mentale Simulation derselben Route, die gerade navigiert wurde, Oszillationen mit größerer Leistung, höherer Frequenz und längerer Dauer auslöste als die der realen Navigation zuvor. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gedächtnis eine stärkere Triebkraft für Theta-Oszillationen im menschlichen Hippocampus ist als die Navigation selber, was theoretische Modelle von intern erzeugten Theta-Oszillationen im menschlichen Hippocampus unterstützt. Bedeutsam sind diese Forschungen vor allem auch deshalb, weil die Fähigkeit, sich in komplexen Umgebungen zurechtzufinden und das Gedächtnis zu behalten, mit zunehmendem Alter abnimmt. Ein besonders ausgeprägter Rückgang ist bei Menschen mit Alzheimer zu verzeichnen, sodass man durch die Identifizierung und Verstärkung der Quelle der Theta-Wellen Techniken wie Neurostimulation nutzen könnte, um diesen kognitiven Verfall zu verlangsamen.

    Köster et al. (2019) haben nun festgestellt, dass Babys vor allem durch Überraschungen lernen. Im Rahmen dieser Studie wurden neun Monate alten Babys Bildergeschichten gezeigt, die entweder einen erwarteten oder einen unerwarteten Handlungsausgang hatten. So war in einer Geschichte etwa ein Mann zu sehen, der eine Brezel essen wollte und diese entweder zum Mund oder stattdessen auf den Kopf führte, während in einer anderen Szenen ein Ball auf einen Tisch oder unerwartet durch die Tischplatte hindurch fiel. Dabei wurden mittels eines Elektroenzephalogramms die verschiedenen Frequenzen, die mit kognitiven Prozessen in Zusammenhang gebracht werden, erfasst. Das Elektroenzephalogramm zeigte bei den Kindern entweder eine Frequenz, die dem Theta-Rhythmus entspricht, der bei Erwachsenen mit Lernprozessen assoziiert ist, oder eine schnellere Frequenz, die dem Alpha-Rhythmus entspricht. Anhand dieser Messungen ist deutlich geworden, dass der Theta-Rhythmus bei den Babys im Vergleich zu erwarteten Ereignissen besonders sensitiv für unerwartete Ereignisse ist. Säuglinge haben offenbar grundlegende Erwartungen an ihr physisches und soziales Umfeld, wie ihre Aufmerksamkeit für Ereignisse zeigt, die ihre Erwartungen verletzen. Die Verarbeitung unerwarteter Ereignisse im Theta-Rhythmus spiegelt vermutlich solche Lernprozesse wider.

    Estefan et al. (2021) untersuchten die Theta-Wellen bei Menschen, denen zur Operationsplanung Elektroden in das Gehirn implantiert worden waren, wenn sie ein Spiel in der virtuellen Realität absolvierten. Dabei mussten sie entlang einer quadratischen Strecke navigieren und sich Bilder einprägen, die an unterschiedlichen Stellen des Wegs präsentiert wurden. Die Probanden und Probandinnen konnten sich dabei entweder aktiv in der virtuellen Umgebung bewegen oder sahen nur die Bilder entlang des Pfades, den ein anderer Teilnehmer zurückgelegt hatten, d. h., in diesem Fall hatten sie also keine Kontrolle darüber, wie sie sich die verschiedenen Objekte in der virtuellen Umgebung einprägen konnten. Nach der Aufzeichnung der elektrophysiologische Aktivität im Hippocampus während der Navigationsaufgabe überprüft man, wie gut sich die Probanden und Probandinnen nach dem Versuch an die Objekte erinnern konnten. Bei Versuchspersonen, die aktiv navigieren durften, konnte man einen Anstieg der Theta-Oszillationen beobachten, die das Lernen und anschließend das Erinnern effizienter gemacht haben. Es gab allerdings zwei aufeinanderfolgende Phänomene, die zeitlich nur Millisekunden auseinanderlagen: Eines korrespondierte mit dem Einspeichern der Information, das andere mit dem Abruf der zuvor gespeicherten Information, also einer Reaktivierung des Gedächtnisses. Tatsächlich zeigten Probanden und Probandinnen, die frei durch die virtuelle Umgebung navigierten und Informationen somit besser speichern und erinnern konnten, eine ähnliche Theta-Aktivität, wie sie zuvor bei den Mäusen beobachtet worden war. Daraus kann man schließen, dass die Willenskraft entscheidend ist, um Informationen ins Gedächtnis zu integrieren, was nichts anderes bedeutet, dass Menschen, die gezwungen werden, etwas zu lernen, diese Inhalte schlechter im Gedächtnis behalten.

    Patrick Lensing vom Landesschulrat Oberösterreich untersuchte, ob das Anhören von Mozarts Klaviermusik den höheren Hirnfunktionen dient. Die Harmonielehre in der Musik scheint nämlich eine Bedeutung für ein „Oktavieren“ der Hirnwellen zu haben, um die zentralnervöse Koordinierung parallel durchgeführter Handlungen zu veranschaulichen. In einer EEG-Studie gelang es zu zeigen, dass Mozartmusik in der links-frontopolaren Region langsame Hirnwellen (Theta 4-6 Hz, Alpha 8-10 Hz) verstärkt und eine schnelle Hirnwelle (Beta 19-21 Hz) dabei abschwächt. Diese EEG-Verlangsamung (sowohl das Harmonieverhältnis von 1:4 zwischen Theta- and Beta Frequenz als auch der Theta/Alpha Oktavfrequenzbereich) korreliert mit übungsbedingter Veränderung der strategischen Arbeitsgeschwindigkeit. Allgemein wird spekuliert, dass Mozartmusik ein Konfliktlösungssystem im anterioren Cingulum unterstützt. wo frontopolare Thetaaktivität erzeugt wird. Dabei wird eine lustvolle Optimierung des Arbeitsgedächtnisses erzielt. Dementsprechend ist harmonische Musik dazu geeignet, Blockaden des Arbeitsgedächtnisses abzuschwächen und lustbetonte Kreativität bei Koordinierung gleichzeitiger Handlungen zu verstärken (Stangl, 2023).

    Literatur

    Daniel Pacheco Estefan, Riccardo Zucca, Xerxes Arsiwalla, Alessandro Principe, Hui Zhang, Rodrigo Rocamora, Nikolai Axmacher & Paul F. M. J. Verschure (2021). Volitional learning promotes theta phase coding in the human hippocampus. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.2021238118.
    Köster, Moritz, Langeloh, Miriam & Hoehl, Stefanie (2019). Visually Entrained Theta Oscillations Increase for Unexpected Events in the Infant Brain. Psychological Science, doi:10.1177/0956797619876260.
    Seger, Sarah E., Kriegel, Jennifer L.S., Lega, Brad C. & Ekstrom, Arne D. (20023). Memory-related processing is the primary driver of human hippocampal theta oscillation.
    Stangl, W. (2023, 26. Juli). Aufmerksamkeit Konzentration Vigilanz. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Aufmerksamkeit.shtml
    Stangl, W. (2023, 26. Juli). Theta-Wellen vor allem für vorgestellte Bewegungen relevant. Stangl notiert ….
    https:// notiert.stangl-taller.at/grundlagenforschung/theta-wellen-vor-allem-fuer-vorgestellte-bewegungen-relevant/
    https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/theta-wellen/12919 (14-11-21)


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