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Selbstschädigung

    Selbstschädigung im engeren Sinne meint in der Psychologie eine direkte körperliche Selbstverletzungen wie Schnitte, exzessives Piercing oder Tätowieren, im weiteren Sinne alle Formen mangelnden Selbstschutzes aufgrund geringer Abgrenzungsfähigkeit, negativer internaler Konzepte und geringem Selbstwertgefühl, aber auch absichtliches Risikoverhalten, überdurchschnittliche Unfallneigung, chronischen Stress, Selbstaufopferung oder Self-Handicapping.

    Menschen haben gewöhnlich ein positives Bild von sich selbst, sie verhalten sich selbstdienlich, bemühen sich in der Regel, Schaden von sich selbst abzuwenden und sich anderen gegenüber möglichst vorteilhaft zu präsentieren. Ungünstige Selbstbilder, negative Selbstdarstellungen und nicht-selbstdienliches Verhalten sind offensichtlich seltener und gelten daher als unangepasst oder krankhaft. Selbstschädigung umfasst aber auch das Auslassen von Chancen, etwa durch Angeberei und Selbstüberschätzung, durch Vergnügung und Genuss, durch Arbeit und Belastung sowie durch ungünstige soziale Beziehungen und Kontakte. In der Selbstkonzeptforschung wird deutlich, dass selbstschädigendes Verhalten paradoxerweise auch eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung und den Schutz des Selbstwertes einer Person haben kann.

    Selbstschädigende Verhaltensweisen können jedoch auch krankheitsbedingt sein bzw. genetische Ursachen haben und als Hilferuf gemeint sein bzw. eine Protestfunktion manifestieren. Zahlreiche Tendenzen zur Selbstschädigung werden im Alltag durch Belastungen gefördert, wobei damit oft vorhandene Ressourcen reduziert werden. Im Arbeitsleben finden sich ebenfalls häufig selbstschädigende Verhaltensweisen, wenn etwa unbewusste Ambitionen bei psychisch Gesunden den Alltag mitbestimmen und die eigene Arbeit sabotieren. Mummendey (2003) kennzeichnet selbstschädigendes Verhalten bei psychisch Gesunden generell als unangepasst, wenn etwa ein Erwerbstätiger eine zu große oder zu geringe Distanz gegenüber seiner beruflichen Umwelt aufbaut. Es zeigt sich dabei ein reichhaltiges Repertoire von Selbstschädigungen und vorsätzlicher Selbstsabotagen:

    Eine primäre Selbstschädigung ist dabei das Ergebnis einer stark negativen Einstellung zur eigenen Person und setzt eine erhöhte Selbstaufmerksamkeit voraus, geht oft mit einem geringen Selbstwertgefühl, starken Schuldgefühlen und negativen Emotionen wie Angst einher. Daraus kann ein Bedürfnis entstehen, sich selbst zu schädigen. Wenn vorhersehbar ist und akzeptiert werden muss, dass ein Verhalten sowohl Nutzen als auch Kosten bringt, spricht man von einem Tradeoff. Befürchten Betroffene eine krass negative Bilanz des Tradeoff, legen sie sich Steine in den Weg, um frühzeitig Entschuldigungsgründe für ihren Misserfolg zu besitzen. Bei kontraproduktive Strategien verhalten sich Menschen ohne bewusste Absicht fehlerhaft, besonders dann, wenn Leistungsdruck auf sie ausgeübt wird.

    Literatur

    Mummendey, Hans D.  (2000). Psychologie der Selbstschädigung. Hogrefe-Verlag.
    Mummendey, Hans D. (2003). Selbstschädigung. In B. Boothe & W. Marx (Hrsg.), Panne – Irrtum – Missgeschick. Die Psychopathologie des Alltagslebens in interdisziplinärer Perspektive (S. 145-160). Bern: Huber.


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