
Berufspsychologie – vocational psychology – ist ein Teilgebiet der Angewandten Psychologie, in dem man die Bedingungen feststellt, unter denen ein spezieller Beruf erfolgreich ausgeführt werden kann. Es geht dabei einerseits um die Erforschung der einzelnen Berufe unter psychologischen Gesichtspunkten, aber auch um die berufliche Entwicklung des Individuums. Dabei beschäftigt sich die Berufspsychologie sowohl mit den Phasen der Vorbereitung auf den Beruf, mit der Berufswahl, mit dem Beginn der Erwerbstätigkeit, mit Einarbeitungs- und Eingliederungsprozessen, mit Veränderungen von Arbeitstätigkeiten oder typischen Übergängen zwischen Firmen, zwischen Beruf und Familienarbeit sowie Wechsel zwischen Beruf und Erwerbslosigkeit oder in den Ruhestand.
Die Berufslaufbahn wird in der Berufspsychologie unter den Gesichtspunkten der beruflichen Verwirklichung des Selbstbildes eines Individuums gesehen und der Kompromisse, die bei seiner Verwirklichung angesichts in der Person und in der gesellschaftlichen Realität liegender begrenzender und einengender Realitäten geschlossen werden müssen. Dabei geht es auch um die subjektive Bedeutung, die die Berufstätigkeit für den Menschen hat, den Kognitionen und Einstellungen gegenüber den einzelnen Berufen, den allgemeinen Einstellungen und Wertungen, den Veränderungen von Personenmerkmalen sowie Interessen während der Tätigkeit in einem bestimmten Beruf.
Berufswahl und Persönlichkeit
In einer Studie von Denissen et al. (2018) wurde untersucht untersucht, wie Persönlichkeitsmerkmale mit beruflicher Passung, Stabilität und Einkommen zusammenhängen. Grundlage der Untersuchung waren Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer repräsentativen Langzeitstudie privater Haushalte in Deutschland. Die Forschenden untersuchten über einen Zeitraum von zwölf Jahren die Angaben von 8.458 erwerbstätigen Personen. Erfasst wurden dabei sowohl deren berufliche Positionen als auch ihre Persönlichkeitsausprägungen gemäß dem Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (
Big Five), das die Merkmale Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität umfasst. Zentrales Ergebnis der Studie ist, dass Menschen mit ähnlichen Persönlichkeitsprofilen häufig in ähnlichen Berufen arbeiten und dort länger verbleiben. Wer sich persönlich mit seinem beruflichen Umfeld identifiziert, empfindet in der Regel mehr Zufriedenheit mit dem Job und zeigt eine höhere berufliche Stabilität. Im Gegensatz dazu neigen Menschen, deren Persönlichkeit nicht zum Arbeitsumfeld passt, dazu, häufiger den Beruf zu wechseln. Besonders auffällig war der Einfluss der Persönlichkeitsdimension
Offenheit für neue Erfahrungen: Menschen mit hoher Ausprägung in diesem Merkmal verdienten im Schnitt bis zu 3.231 Euro mehr pro Jahr als Personen mit geringer Offenheit, wenn sie in einem Beruf arbeiteten, der ihre Persönlichkeitsmerkmale widerspiegelt. Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung einer berufsbezogenen Passung zwischen Persönlichkeit und Tätigkeit. Die Forscher argumentieren, dass eine bessere Berücksichtigung individueller Persönlichkeitsmerkmale bei der Berufswahl oder Personalvermittlung nicht nur zu höherer Arbeitszufriedenheit und geringerem Wechselverhalten führt, sondern auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen kann. Diese Erkenntnisse sind sowohl für die berufliche Orientierung als auch für Unternehmen im Bereich der Personaldiagnostik und Mitarbeiterauswahl relevant. Die Studie liefert somit empirische Belege dafür, dass nicht nur Qualifikationen, sondern auch psychologische Passung bei der beruflichen Platzierung und beim langfristigen Erfolg eine entscheidende Rolle spielt.
Literatur
Denissen, J. J. A., Bleidorn, W., Hennecke, M., Luhmann, M., Orth, U., Specht, J., & Zimmermann, J. (2018). Uncovering the power of personality to shape income. Psychological Science, 29, 3–13.
Stangl, W. (2019). Persönlichkeitsmerkmale und Berufswahl. Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/5863/persoenlichkeitsmerkmale-und-berufswahl
https://m.portal.hogrefe.com/dorsch/berufspsychologie/ (14-11-21)