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Gerechtigkeit

    Justiz hat mit Gerechtigkeit so viel zu tun wie die Landeskirchenverwaltung mit dem lieben Gott.
    Herbert Rosendorfer

    In Studien hat sich gezeigt, das Gerechtigkeit Menschen im Allgemeinen leistungsfähiger macht, zu einem besseren Miteinander führt und insgesamt bei den Beteiligten bessere Gefühle entstehen lässt. Denn damit Menschen in Gemeinschaften zusammenleben können, müssen sie kooperieren, doch um das zu organisieren, bestrafen sie manchmal sogar andere, wenn sich diese unkooperativ verhalten. Gerechtigkeit und das Bedürfnis danach ist demnach ein zentrales Phänomen des menschlichen Zusammenlebens, indem in einer Gemeinschaft die Ansprüche aller Beteiligten in gleichem Maße berücksichtigt werden. Es lassen sich folgende Formen der Gerechtigkeit unterscheiden:

    • Verfahrensgerechtigkeit (procedural justice): Bestimmte Regeln, die transparent und nachvollziehbar sind, werden eingehalten.
    • Verteilungsgerechtigkeit (distributive justice): Greifbare oder abstrakte Güter werden so verteilt, dass jeder so viel bekommt, wie er verdient. .
    • Zwischenmenschliche Gerechtigkeit (interpersonal justice): Es wird in respektvoller Weise miteinander gesprochen und sich ausgetauscht.
    • Informationsgerechtigkeit (informational justice): Man informiert wahrheitsgetreu, schönt keine Ereignisse und erklärt sich.

    Gerechtigkeit und Gleichheit sind auch wesentliche Ideale moderner Gesellschaften, doch Gerechtigkeit hat eine starke subjektive Komponente, denn es gibt keine objektive Gerechtigkeit, sondern sie ist immer auch empfundene, gefühlte Gerechtigkeit. Reale und gefühlte Benachteiligung beeinflussen dabei das Selbstbild, die Lebensweise und sogar die Gesundheit von Menschen, denn wer sich auch materiell wenig gewürdigt und wertgeschätzt fühlt, hält sich oft auch für weniger kompetent und neigt zu riskanteren Entscheidungen und Verhaltensweisen. Ungleiche Einkommensverteilungen in einer Gesellschaft führen dazu, dass die Ärmeren überdurchschnittlich viel Geld für Glücksspiele ausgeben.

    So lernen schon Kinder vom Kindergarten bis zur Schule, dass Verhaltensweisen wie Gleichbehandlung und Gerechtigkeit in der Gesellschaft gewünscht sind. In einer Untersuchung an Kindern zwischen drei und acht Jahren wurde eine Reihe spielerischer Experimente durchgeführt, bei dem als Spieleinsatz Süßigkeiten verwendet wurden. Jeweils ein Kind sollte entscheiden, wie es eine festgelegte Menge von Süßigkeiten mit einem anderen (nicht anwesenden) Kind teilte. Dabei ging es also weder um die Maximierung der Auszahlung des anderen noch um die Maximierung der gemeinsamen Auszahlung, sondern um die Herstellung von Auszahlungsgleichheit: das andere Kind soll weder mehr noch weniger als das aufteilende erhalten. Drei- bis vierjährige Kinder verhielten sich fast ausnahmslos egoistisch und behielten die Schokolinsen für sich. Im Alter von fünf bis sechs Jahren teilten immerhin schon rund ein Fünftel der Probanden ihre Süßigkeiten, doch erst mit sieben, acht Jahren teilte fast die Hälfte der Kinder gerecht. Diese Gruppe begann mehr und mehr, an andere zu denken und entwickelten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und sorgten dafür, dass ihr Spielpartner nicht mehr, aber auch nicht weniger bekam als sie selber.

    Übrigens wollen schon kleine Kinder unsoziales Verhalten bestrafen, wobei schon sechsjährige Kinder und Schimpansen unsoziales Handeln rügen und dafür sogar Kosten und Mühen auf sich nehmen, um selbst bei der Bestrafung dabei sein zu können. Einerseits leiden Menschen oft mit (Empathie), wenn sie einen anderen leiden sehen, fühlen sich sogar häufig unwohl und wollen diesem helfen. Dieses Gefühl kann sich jedoch auch ins Gegenteil verkehren, denn wenn sich ein Mensch zuvor unsozial verhalten hat, kann es sogar vorkommen, dass man sogar mit einem gewissen Gefühl der Genugtuung beobachtet, wenn solchen Menschen Schmerzen zugefügt werden. Es ist bekannt, dass man Leid dann als verdiente Strafe und ein Mittel betrachtet, ein unsoziales Fehlverhalten zu ahnden. Um das Verhalten von Kindern zu untersuchen, nutzten Mendes et al. (2017) bei Kindern im Alter zwischen vier und sechs Jahren ein Puppentheater, in dem nacheinander zwei Puppen mit unterschiedlichen sozialen Rollen auftraten: eine freundliche Figur, die ihnen ihr Lieblingsspielzeug zurückgab, oder eine bösartige Puppe, die es für sich behielt. Dazu ein Tier, das die strafende Rolle übernahm und vorgab, die beiden mit einem Stock zu schlagen. Die Kinder konnten danach entscheiden, ob sie die vorgetäuschten Schläge weiter mitverfolgen wollen, indem sie mit einer Münze dafür bezahlen, oder ob sie lieber darauf verzichten und das Geldstück in Sticker eintauschen. Im Falle der gutgesinnten Figur lehnten es die Kinder in der Regel ab, dabei zuzusehen, wie sie leidet, doch galt die Bestrafung dem Bösewicht, investierten die Sechsjährigen ihre Münzen dafür, die Bestrafung mitzuerleben. Sie zeigten dabei in ihrer Mimik sogar regelrechte Freude, als sie den Bösewicht leiden sahen. Bei den vier- und fünfjährigen Zuschauern zeigte sich aber dieses differenzierte Verhalten gegenüber den beiden Figuren aber noch nicht. Ähnlich wie sechsjährige Kinder wenden auch schon Schimpansen einige Mühe darauf, um einen unfairen Partner bestraft zu sehen. Das ist deshalb nachvollziehbar, das Schimpansen auch in einem ähnlich komplexen Sozialgefüge mit Freund- und Feindschaften, strategischen Allianzen und gegenseitigen Abhängigkeiten leben.

    Da schon Kleinkinder sensibel auf Probleme der Fairness reagieren, kann man von einer evolutionären Prägung ausgehen , dass also das Gerechtigkeitsempfinden nicht kulturell gelernt ist, sondern eine Art Instinkt zu sein scheint, der den menschlichen Vorfahren den Zusammenhalt ihrer Gruppen sicherte.

    Literatur

    Ernst, H. (2018). Warum auch manche Reiche mit ihrem Wohlstand hadern.
    WWW: http://www.spektrum.de/kolumne/warum-auch-manche-reiche-mit-ihrem-wohlstand-hadern/1545931 (18-02-23)
    Fehr, Ernst, Bernhard, Helen & Rockenbach, Bettina (2008). Egalitarianism in young children. Nature, 454, Number 7208.
    Mendes, N., Steinbeis, N., Bueno-Guerra, N., Call, J. & Singer, T. (2017). Preschool children and chimpanzees incur costs to watch punishment of antisocial others. Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-017-0264-5.
    Stangl, W. (2017). Formen der Gerechtigkeit. Werner Stangls Arbeitsblätter-News.
    WWW: http://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/formen-der-gerechtigkeit/ (2017-12-22).


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