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Traumagedächtnis

    Das Traumagedächtnis bezeichnet einen speziellen Speicherort im menschlichen Gehirn, das sehr verschieden vom autobiografischen Gedächtnis (deklaratives Gedächtnis) – ein Bestandteil des episodischen Gedächtnisses – funktioniert, denn so kann man etwa Inhalte, die im Traumagedächtnis gespeichert sind, nicht gewollt erinnern, sondern bestimmte Auslöser wie Gerüche, Bilder oder Töne, die denen während des Traumas ähneln, rufen die Eindrücke von damals später wieder wach. Diese fühlen sich dabei sehr gegenwärtig an, da das Gehirn in diesem Augenblick nichts davon weiß, dass die Gefahr bereits vorüber ist, denn das Vertrauen und der Glaube an die eigene Kontrolle in Bezug auf die eigene Person und die Welt sind in diesem Moment beeinträchtigt. Darüber hinaus werden alle Reize im Traumagedächtnis nicht als zusammenhängende Geschichte, sondern als Sammlung einzelner, meist unverbundener Sinneswahrnehmungen wie Gesehenem, Gefühltem, Getanem, Gehörtem oder Gerochenem gespeichert. Diese Form der Speicherung ist unmittelbar nach dem Trauma zunächst ein sehr sinnvoller Schutzmechanismus, kann aber nach einiger Zeit, wenn die Verarbeitung nicht nachgeholt wird, zu vielfältigen Beeinträchtigungen führen, wobei sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln kann, die wichtige Lebensbereiche der Betroffenen verändert. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich bekanntlich um eine verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung, wobei sich eine solche Störung charakteristischerweise nicht sofort nach dem traumatischen Erlebnis entwickelt, wie dies bei einer akuten Belastungsreaktion oder einer Anpassungsstörung der Fall ist.
    Menschen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden, leiden ihr ganzes Leben darunter, denn der dabei erlebte Verrat an ihrer Integrität trifft Kinder besonders stark und kann später zu starken Minderwertigkeits- und Schuldgefühlen, zu Depressionen bis hin zu anhaltenden Persönlichkeitsveränderungen führen. Missbrauchte Kinder haben generell ein hohes Risiko, im Verlauf ihres Lebens eine psychische Störung zu entwickeln. Zunächst sind solche Missbrauchserlebnisse für Kinder eine totale Überforderung, sodass die üblichen Gedächtnismechanismen nicht richtig funktionieren, doch das Traumagedächtnis speichert diese starke Sinneseindrücke ab, Erfahrung im Rohformat, indem bestimmte Geräusche, Gerüche oder Bilder haften bleiben. Solche Sinneseindrücke bleiben im Gedächtnis festgefroren und laufen später nach dem immer gleichem Schema und mit großer emotionaler Heftigkeit ab. Da dieses Traumagedächtnis eben anders funktioniert als das normale Gedächtnis, gibt es keine Verortung in Raum und Zeit, sondern die Eindrücke werden immer neu durchlebt, als ob sie real stattfänden. Erinnert werden in der Regel nur Fetzen des Erlebten, blitzähnliche ungeordnete Eindrücke, die meist nicht in einen logischen zeitlichen Ablauf passen. Das ist aber genau die Schwierigkeit bei der Verarbeitung, da nicht das ganze Erlebnis erinnert wird, sondern nur Bruchstücke davon. Viele Betroffene haben meist große Mühe, das Erfahrene überhaupt mit Worten zu beschreiben, wobei bei Kindern hinzu kommt, dass diese oft gar nicht verstehen, was vor sich geht und das auch nicht sprachlich adäquat artikulieren können. Manche Betroffene kommen zwar später einigermassen gut durchs Leben, doch andere zerbrechen an den Verletzungen, wobei viele Faktoren wirksam werden können. Lebt etwa der bzw. die Betroffene in einem guten sozialen Umfeld und erhält Unterstützung, kann er oder sie sich jemandem anvertrauen, so kann dies das Ausmaß der Belastungen reduzieren. Die soziale Integration ist daher ein wichtiger Faktor, aber ebenso der sozio-ökonomische Status, denn für Menschen, die in Armut leben und über wenig Bildung verfügen, ist es meist schwieriger, über solche Erlebnisse hinwegzukommen.

    Literatur & Quellen

    Thoma, M. (2017). Sexueller Missbrauch: Die Erinnerung kommt in Fetzen zurück.
    WWW: https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/sexueller-missbrauch-die-erinnerung-kommt-in-fetzen-zurueck (17-03-26)
    http://www.missbrauch-opfer.info/page.asp?IDS=35 (17-03-26)


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