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Händigkeit

    Als Händigkeit bezeichnet man bei Menschen und Tieren die bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand insbesondere für anspruchsvolle und feinmotorische Tätigkeiten. Je nachdem, welche Hand die dominante Hand ist, spricht man von Linkshändern bzw. Rechtshändern. Die meisten Menschen sind Rechtshänder, deutlicher weniger weisen Linkshändigkeit (10-15 Prozent) oder Beidhändigkeit (Ambidexter) auf.

    Als Händigkeit bezeichnet man auch bei Tieren die bevorzugte Verwendung einer bestimmten Extremität für anspruchsvolle Tätigkeiten. Der Grad der Händigkeit kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und die Händigkeit kann sich auch im Laufe des Lebens verändern, wobei Lernen, vor allem Modelllernen dafür verantwortlich ist.

    Beidhändigkeit (Ambidextrie) bezeichnet die Fähigkeit, die eigenen Arme oder Beine völlig gleichwertig einzusetzen. Von Ambidextrie spricht mannur dann, wenn beide Hände in hohem Maße gleichwertig genutzt werden, was für manche Menschen auch Probleme mit sich bringen kann. Etwa einer von hundert Menschen ist ein geborener Beidhänder, der mit links und rechts gleichermaßen geschickt agieren kann. Nach einer Pressemeldung soll Herzogin Meghan, die Frau Prinz Harrys, die seltene Fähigkeit der Ambidextrie besitzen. Je nach Tätigkeit wechselt sie zwischen dominanter und unterstützender Hand, denn so schreibt sie mit der rechten Hand und hält auch ihre Handtaschen bevorzugt rechts, wenn es um Essen, Trinken oder Gitarre spielen geht, setzt sie bevorzugt ihre linke Hand ein. Rafael Nadal spielt mit der linken Hand Tennis, obwohl er ein geborener Rechtshänder ist, wobei sich das vor allem bei der beidhändigen Rückhand positiv bermerkbar machen dürfte.

    Menschen, die eigentlich Linkshänder sind bzw. waren und gelernt haben, mit rechts zu schreiben, werden als umgeschulte Linkshänder bezeichnet. Bei der Umschulung zur Rechtshändigkeit werden in der Regel nur Teile der Hirnaktivitäten in die linke Hirnhälfte verlagert, andere bleiben in der rechten, was daran liegen könnte, dass eine Bewegung zu planen und zu koordinieren kognitiv aufwändiger ist, als die Bewegung nur auszuführen. Auch kann die Planung einer Bewegung von der motorischen Handlungsausführung kognitiv entkoppelt werden kann und dadurch ist es bei der weiteren Gehirnentwicklung nicht unbedingt notwendig, diese Planungsregionen gleichfalls in die linke Hirnhälfte zu verlegen.

    Die Linkshändigkeit ist nach neuesten Forschungen eine Folge der Entwicklungsbiologie des Gehirns, wobei sie in Teilen vom komplexen Wechselspiel mehrerer Gene bestimmt wird. So hat man jüngst entdeckt, dass die Sprachregion der linken und rechten Gehirnhälften bei Linkshändern koordinierter miteinander kommunizieren als bei Rechtshändern, was bestätigt, nach denen sich Linkshänder-Gehirne gerade bei der Sprachverarbeitung und der Aufgabenteilung der Sprachzentren von denen der Rechtshänder unterscheiden. So scheint die Asymmetrie der Hirnhälften zumindest bei einigen Linkshändern weniger stark ausgeprägt zu sein, sodass die jetzt nachgewiesene stärkere funktionelle Verknüpfung zwischen den Sprachzentren der linken und rechten Seite dadurch untermauert wird. Linkshänder haben offenbar einen Vorteil, wenn es um verbale Aufgaben geht, doch muss man dabei beachten, dass es um durchschnittliche Unterschiede bei einer großen Zahl von Menschen geht, denn nicht alle Linkshänder sind gleich.

    Säuglinge bevorzugen nach der Geburt meist die rechte Hand, sodass dies als ein Beleg dafür gelten kann, dass bereits bei der Geburt die linke Gehirnhälfte dominiert. Übrigens sind Kinder schon im Mutterleib Rechts- oder Linkshänder, denn auf Ultraschallbildern lässt sich zeigen, welche Seite stärker ausgeprägt ist, d. h., Rechtshänder saugen am rechten Daumen, Linkshänder am linken. Aus Studien ist auch bekannt, dass ungeborene Kinder schon früh asymmetrische Handbewegungen machen, denn ab der 13. Schwangerschaftswoche saugen Ungeborene entweder bevorzugt am rechten oder am linken Daumen. Bei Untersuchungen der Genexpression im Rückenmark während der achten bis zwölften Schwangerschaftswoche (Ocklenburg et al., 2017) fand man in der achten Woche bereits deutliche Rechts-links-Unterschiede, und zwar in genau jenen Rückenmarkssegementen, die Bewegungen der Arme und Beine steuern. Es ist daher vermutlich nicht das Gehirn, sondern das Rückenmark, das die Händiget steuert. Die asymmetrische Genaktivität scheint auch in epigenetischen Faktoren zu liegen, die Einflüsse durch die Umwelt widerspiegeln, die etwa dazu führen, dass Enzyme Methylgruppen an die DNA anheften, und so dafür sorgen, dass Gene vermindert abgelesen werden. Da dies in unterschiedlichem Ausmaß im linken und rechten Rückenmark passiert, sind die Gene auf beiden Seiten unterschiedlich stark aktiv. Nach Ansicht der Autoren könnten etwa 75 Prozent der Varianz in Händigkeitsdaten durch Umwelteinflüsse erklärt werden. Studien mit Zwillingen zeigen deutlich, dass sowohl die Gene als auch die Umwelt die Händigkeit beeinflussen.

    Nach jüngsten Analysen war Michelangelo Linkshänder, obwohl er mit der rechten Hand malte, doch wenn er Kraft anwenden musste, wie bei der Bildhauerei, bevorzugte er die linke Hand. Das bestätigt Angaben aus einer Biografie von Raffaello da Montelupo, wonach Michelangelo eigentlich Linkshänder war, dies jedoch wegen der Vorurteile seiner Zeit zu verheimlichen versuchte, denn vor allem Künstler, die mit der Kirche zusammenarbeiteten, mussten damals ihre Linkshändigkeit verbergen. Damals wurde Linkshändern nachgesagt, etwa mit dem Teufel im Bunde zu stehen, was bekanntlich auch vielen Hexen das Leben gekostet hat.


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    Ein Buchtipp:
    Der Ratgeber zur Händigkeit „Linke Hand – Rechte Hand“ von Almuth Vasterling, Gabriele Weiland & Johanna Barbara Sattler für Eltern, Pädagogen und Therapeuten bietet ein großes Angebot an alltagsrelevanten und umsetzbaren Ideen. Viele Adressen und Literaturhinweise ergänzen den Ratgeber und erleichtern das Leben als Linkshänder.

    Man erhält in dem Buch Antworten auf Fragen wie „Was versteht man unter Händigkeit?“ „Ist Linkshändigkeit normal?“ „Wie kann ich als Linkshänder ohne Probleme durchs Leben kommen?“


    Spätere Rückschulung möglich?

    Die Umschulung der Händigkeit ist nach Ansicht von Experten ein Eingriff in das Gehirn, wobei sich dieser im weiteren Leben fortsetzt, denn die falschen Reaktionen im Gehirn laufen auch bei den Erwachsenen weiter, was daran liegt, dass die dominante Gehirnhälfte nach wie vor reagieren möchte. Man unterscheidet dabei zwischen den Primärfolgen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, manchmal auch Lese- und Rechtsschreibschwierigkeiten und feinmotorischen Probleme. Zwar wird die Intelligenz der Betroffenen in der Regel dabei nicht beeinträchtigt, aber die Manifestation der Intelligenz, d. h., der Mensch kann durchaus richtig denken, doch er kann das im Schriftlichen wie im Mündlichen nicht so ausdrücken, wie er bzw. sie es eigentlich im Kopf hat. Aus diesen Primärfolgen können dann Sekundärfolgen im psychischen Bereich entstehen, etwa deshalb, weil die Betroffenen eine Lösung oder Antwort wissen, doch in dem Augenblick diese nicht finden bzw. sie wie im Gehirn verschwunden scheint. Man kann es als eine Art Knoten im Gehirn bezeichnen, der Menschen im Laufe ihres Lebens dann dauerhaft unsicher macht. Eine spätere Umschulung bzw. Rückschulung auf die eigentliche richtige Hand sollte nur langsam angegangen werden, d. h., nicht einfach anzufangen, wieder mit der linken Hand zu schreiben. Dafür sollte man eine fachkompetente Beratung bei einem Linkshänder-Berater oder LinkshänderBeraterin in Anspruch nehmen, um eine Rückmeldung zu erhalten, ob eine solche Rückschulung in der jeweiligen Situation überhaupt sinnvoll ist. Vor allem muss man überprüfen, ob noch nach einer solchen langen Zeit eine gute grafomotorische Fähigkeit überhaupt noch vorhanden ist, also dass auch die linke Hand noch dazu fähig ist, zu zeichnen, zu kritzeln und dann eine Schrift zu übernehmen.

    Linkshänderberater sollen vor allem Eltern von Kindern, bei denen Probleme beim Schreiben oder Lesen darauf hindeuten, dass sie linkshändig orientiert sein könnten, helfen. Oft haben die Kinder eine verkrampfte Haltung oder teilweise schreiben sie in Spiegelschrift. Wenn man überprüfen will, ob ein Kind linkshändig veranlagt ist, dann lässt ein Linkshänderberater es etwa mit einem Auge durch ein Kaleidoskop schauen, oder er fordert es auf, auf seine Beine zu trommeln und dann auf Kommando mit einer Hand den Kopf zu berühren, wobei die Seite, die dominiert, bei diesen instinktiven Übungen sichtbar wird. Beim Malen oder beim Schreiben ist das anders, denn hier neigt ein Kind eher dazu, nachzuahmen, was es bei anderen gesehen hat. Bei Linkshänderberatern sind Diagnosen wie Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder Legasthenie oft der Anlass, genauer hinzuschauen, denn Konzentrationsschwierigkeiten sind bei Linkshändern meist das Resultat von Überforderung.


    Übrigens: Am 13. August 2019 ist der Internationaler Linkshändertag, der seit dem Jahr 1976 jährlich begangen wird. Dean R. Campbell, der 1975 auch die Organisation „Lefthanders international“ gründete, rief diesen Tag zum Linkshändertag aus – damals auch an einem Freitag, dem 13. -, und hat in den letzten Jahren zunehmend Berichte über Linkshändigkeit in verschiedenen Medien angeregt.


    Siehe auch Lateralisation.

    Literatur

    Ocklenburg, S. & Schmitz, J. & Güntürkün, O. (2017). Epigenetic regulation of lateralized fetal spinal gene expression underlies hemispheric asymmetries. eLife, doi: 10.7554/eLife.22784.
    Stangl, W. (2018). Gehirn Kognitive Leistung und Händigkeit. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/Gehirn-Haendigkeit.shtml (2018-05-13)
    https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4ndigkeit (14-11-14)
    https://www.deutschlandfunk.de/psychologin-zu-linkshaendigkeit-umschulung-der-haendigkeit.680.de.html?dram:article_id=456219 (19-08-15)


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