Als Neuro-Enhancement bzw. Gehirndoping im engeren Sinn bezeichnet man legale oder illegale Drogen, die geraucht, geschluckt oder gespritzt werden, und zwar je nachdem, ob Menschen sich konzentrieren oder kreativ sein möchten, sich viel merken oder schnell reagieren wollen. Beim Neuro-Enhancement geht es im Wesentlichen also um die Erweiterung oder Steigerung von Fähigkeiten gesunder Menschen, also etwa um die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Erweiterung kognitiver Fähigkeiten, die Korrektur moralischer Defizite oder die Aufhellung der allgemeinen Grundstimmung. Diese Steigerung kann durch Medikamente, die in den Gehirnstoffwechsel eingreifen, erzeugt werden oder neuerdings auch durch das Implantation von Computerchips, die körperliche Funktionen ersetzen bzw. unterstützen (Nagel & Achim, 2009).
Ulrich Pontes berichtet von einer Tagung der Evangelischen Akademie im Rheinland, auf der man sich mit dem Thema Neuro-Enhancement beschäftigte, das verspricht, durch chemische Substanzen die Fähigkeiten des Gehirns zu erweitern und den Geist zu optimieren, manchmal auch schlicht „Gehirndoping“ oder „Psychodoping“ genannt. Mittel wie Ritalin, die als Medikament nur für bestimmte Erkrankungen zugelassen sind, werden nämlich auch von Gesunden zur Konzentrationssteigerung genommen. Andere Mittel sind Adderall, Vigil oder Aricept. Ritalin gehört zur Gruppe der Amphetamine und unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz, sodass jede Verschreibung meldepflichtigist. Ritalin ist anregend und produziert Effekte, die denen von Kokain und anderen Amphetaminen ähnlich sind. Methylphenidat wird auch für die Behandlung der Narkolepsie eingesetzt. Medikamente, deren eigentliche Bestimmung in der Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen liegt, enthalten Wirkstoffe, die in chemische Abläufe im Gehirn direkt eingreifen. Die Vergabe an Kinder, denen das Aufmerksamkeitsstörungs-Syndrom attestiert wird, zeigt die Schwierigkeiten, mit Wirkung, Nebenwirkung und sozialer Gesamtwirkung von Medikamenten umzugehen, denn am anderen Ende der Alterslinie steht der geistige Abbau, der mit Neuro-Enhancement gestoppt werden soll. Neuro-Enhancement wurde schon in den 1930er Jahren betrieben, als amerikanische Studenten feststellten, dass Amphetamine halfen, die Nacht durchzulernen. Im Zweiten Weltkrieg wurden Aufputschmittel gezielt an Soldaten verteilt, um diese länger durchhalten zu lassen, allerdings brachten später der zunehmende Missbrauch und die meist unkontrollierbaren Nebenwirkungen die meisten dieser Aufputschmittel auf die Drogenliste.
In manchen Medien wird vermittelt, dass Doping für die Intelligenz, die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit etwa mit dem Ziel, im Studium, in der Schule oder am Arbeitsplatz bessere Leistungen zu erbringen und damit im Wettbewerb einen besseren Platz zu ergattern, für viele Menschen schon zum Alltag gehört. Angeblich stehen in der heutigen Leistungsgesellschaft offensichtlich immer mehr gesunde Menschen unter Leistungsdruck und greifen deswegen zu Medikamenten, die eigentlich für psychisch und neurologisch Kranke entwickelt wurden, jedoch den Ruf haben, leistungssteigernd zu wirken. Hinzu kommt, dass auf Grund des großen neurowissenschaftlichen Erkenntniszuwachses der letzten Jahre neue Ansätze zum Verständnis und zur Behandlung von krankhaften Befunden wie Gedächtnisschwund, Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen oder Narkolepsie entwickelt worden sind. Die pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen, die hier wirksam Abhilfe schaffen können, eignen sich zum Teil eben zugleich auch als Enhancement-Methoden bei Gesunden. Wenn verschreibungspflichtige Medikamente eingesetzt werden, wird jedoch schnell die Grenze der Legalität überschritten. Die legalen Aufputschmittel, deren Wirksamkeit meist auf Koffein basiert, ist zwar rechtlich auf der sicheren Seite, doch solche Mittel bewirken bloß eine Unterdrückung der natürlichen Müdigkeit.
Durch „Neuro-Enhancement“ wollen ForscherInnen und die Pharmaindustrie den Menschen offensichtlich geistig optimieren, denn die Aussicht erscheint auf den ersten Blick verlockend: wenn man niedergeschlagen ist, kann man auf Knopfdruck wieder fröhlich werden, für Prüfungen oder berufliche Herausforderungen punktgenau die Konzentration und Kreativität steigern, Grenzen der eigenen geistigen Leistungsfähigkeit überwinden und etwa das löchrige Gedächtnis unfehlbar machen. Solche Verheißungen schwingen bei dem Phänomen Neuro-Enhancement mit, das immer wieder durch die Schlagzeilen geistert. Jedoch ist der von Medien vermittelte Eindruck, Gehirndoping durch Pillen ist bereits heute eine verbreitete Mode und wird unsere Gesellschaft gründlich verändern, nach seriösen, aktuellen Studien wesentlich übertrieben, denn die Nutzung von Ritalin oder dem zweiten ebenfalls von vielen als „Neuro-Enhancer“ gesehenen Wirkstoff Modafinil durch Gesunde gering und zudem rückläufig. Auch hatte sich immer wieder gezeigt, dass diese Substanzen nur bei niedriger Ausgangsleistung reale Verbesserungen bewirkten, also dass zwar Müde von dem Stimulantium Modafinil profitieren, ausgeschlafene gesunde Menschen dagegen kaum. Neurowissenschaftler sind der Ansicht, dass es grundsätzlich unwahrscheinlich ist, dass die Leistung eines normal funktionsfähigen Gehirns deutlich und vor allem ohne gravierende Nebenwirkungen gesteigert werden kann. Gehirndoping ist deshalb im Wesentlichen ein Medienphänomen und auch die damit verbundene ethische Fragestellung entsprechend hypothetisch, denn Neuro-Enhancement kann nur dann ein ethisches Problem sein, wenn es funktionieren würde.
Nach einer Studie eines deutschen Krankenversicherungsträgers ist die Anzahl der Berufstätigen, die Neuroenhancer missbrauchen, in den letzten Jahren auf 6,7 Prozent gestiegen, wobei vor allem Medikamente wie Ritalin, Provigil oder Betablocker zur Steigerung der Konzentration eingenommen werden, also Medikamente, die eigentlich zur Bekämpfung von Krankheiten wie ADHS, Narkolepsie oder Demenz eingesetzt werden. Bei StudentInnen werden vor allem klassische Mittel wie Kaffee, Guaraná, Energy Drinks oder Koffeintabletten zum Lernen genutzt. Die Gründe zum Griff zu Leistungsaufputschern sind allerdings unterschiedlich, denn hoher Leistungsdruck am Arbeitsplatz, Stress, Überlastung oder bestimmte Anlässe wie wichtige Meetings oder Präsentationen sind die meisten Auslöser für männliche Berufstätige, die sich vor allem zu beruflichen Hochleistungen pushen wollen, während sich Frauen mehr emotionale Stabilität und eine Erleichterung bei der Arbeit von solchen Mitteln versprechen. Frauen nehmen daher eher Mittel gegen Depressionen, um ihre Stimmung zu verbessern oder Ängste und Nervosität abzubauen, während Männer wach, stark und leistungsfähig bleiben wollen. Etwa die Hälfte dieser Medikamente werden dabei von Ärzten verschrieben, aber immer häufiger werden diese auch über das Internet besorgt, wobei viele Medikamentenfälschungen ohne Rezept abgegeben werden.
In einem Kommentar in „The Lancet“ fordern Barbara Sahakian und Sharon Morein-Zamir (Universität Cambridge) klare Richtlinien für die Nutzung potentiell leistungssteigernderer Medikamente von Gesunden, denn in vielen Ländern ist die Einnahme von Medikamenten wie Ritalin oder Modafinil durch zur Steigerung der Konzentration und Vigilanz sehr weit verbreitet. Besonders unter amerikanischen Universitätsstudenten ist die Einnahme von Medikamenten ohne medizinische Indikation beliebt. Man vermutet, dass in den USA bis zu 35% der aktiven Studenten regelmäßig verschreibungspflichtige Medikamente zur Steigerung ihrer kognitiven Leistungen einnimmt, aber auch unter bestimmten Berufsgruppen wie Wertpapierhändlern, Polizisten und Feuerwehrmännern ist die Einnahme häufig. Das ist vor allem auf dem Hintergrund problematisch, dass Untersuchungen über die Langzeitwirkung der Einnahme solcher Medikamente bei psychisch gesunde Menschen fehlen. Man befürchtet, dass die zunehmende Einnahme psychisch aktiver Medikamente letztendlich zu einem Anstieg psychischer Erkrankungen führen kann.
Methylphendidat und verwandte Medikamente greifen tief in den Gehirnstoffwechsel ein, indem sie die Rezeption von Neurotransmittern wie Dopamin hemmen, sodass die Konzentration dieser Botenstoffe im Gehirn ansteigt. Allerdings ist unklar, ob die erhöhten Dopaminwerte dann direkt die Leistungsfähigkeit steigern oder eher indirekte Effekte für die beobachtete Wirkung verantwortlich sind. Dopamin spielt sowohl für Lernprozesse und das Arbeitsgedächtnis, als auch für Gefühle der Belohnung und Motivation eine Rolle, wobei Methylphendidat womöglich dafür verantwortlich ist, dass Menschen motivierter sind. Westbrook et al. (2020) haben ein Modell dafür entwickelt, dass Dopamin dazu führen könnte, dass sich das Gehirn bei Kosten-Nutzen-Rechnungen stärker auf den Nutzen fokussiert. Die Kosten und Nutzen einer Tätigkeit abzuwägen ist eine fundamentale Gehirnfunktion, die meist unbewusst abläuft. Westbrook et al. (2020) haben diese Annahme in einem Experiments überprüft, indem sie zunächst die natürliche Dopaminkonzentration im Stratium – es steuert das Zusammenwirken von Emotion, Motivation, Kognition und Bewegung – bei ihren Probanden dokumentierten. In einer Reihe von Kognitionstests hatten diese dann die Wahl zwischen schwierigen und leichten Aufgaben, wobei ihnen bei einem hohen Schwierigkeitsgrad höhere Beträge als Belohnung versprochen wurden. Es zeigte sich, dass das Entscheidungsverhalten auch von den Dopaminwerten abhing, wobei Menschen, die weniger Dopamin produzierten, kognitive Herausforderungen eher vermieden und empfänglicher für die mit den schwierigen Aufgaben verbundenen Kosten waren. Probanden mit hohen Dopaminwerten konzentrierten sich also vorwiegend auf das Geld, d. h., sie waren stärker auf den Nutzen fokussiert. Man könnte daraus schließen, dass Methylphendidat nur indirekt die Leistungsfähigkeit steigert, indem es die Motivation erhöht. Demnach steigert Dopamin schon in einem frühen Zeitpunkt im Entscheidungsprozess den Willen, sich für das Erreichen eines Ziels kognitiv anzustrengen, sodass man sich letztlich besser konzentriert und eine Aufgabe erfolgreicher absolviert.
Nikotin als Neuroenhancer?
Im Sommer 1926 erschien im British Medical Journal ein Artikel des Mediziners Henry Moll von der University of Leeds, in dem er Nikotininjektionen als Behandlungsansatz für das postenzephalitische Parkinson-Syndrom beschrieb. Betroffene leiden nach einer Entzündung des Hirngewebes an Symptomen, die der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit bei der Parkinsonkrankheit gleichen, wobei dies allerdings nur eine Seite des Körpers betrifft. Es kommt zwar durch Nikotin nicht zu einer Heilung, aber immerhin kann dieser Therapieansatz die Symptome deutlich lindern.
Das liegt daran, dass Nikotin an Rezeptoren im Gehirn andockt und so eine entspannende Wirkung entfaltet und daneben auch die kognitive Leistungsfähigkeit erhöht. Klinischer Studien liefern allerdings inkonsistente Ergebnisse, was darauf hindeutet, dass nur bestimmte Personengruppen von Nikotin profitieren.
Neuroenhancement als Methode der Selbstoptimierung?
Fortschritte in der Neurowissenschaft und Unterhaltungselektronik stellen das Gehirn als Ressource zur Selbstoptimierung in den Vordergrund, wobei mit Elektroden und Implantaten immer mehr Produkte angeboten werden, die zahlreiche neurologische Funktionen beeinflussen und verändern sollen, wie etwa kognitive und motorische Fähigkeiten oder auch die Stimmung eines Menschen. Ursprünglich für Menschen mit Behinderung entwickelt, werden sie immer mehr zur künstlichen Ich-Erweiterung und Ich-Verbesserung eingesetzt und angeboten, was zahlreiche ethische Fragen aufwirft.
Gehirndoping durch Stimulation mit schwachen elektrischen Feldern
Nach neueren Untersuchungen ist sogar eine Art elektrisches Gehirndoping möglich, um mit sehr schwachen elektrischen Feldern die Leistungsfähigkeit bei mathematischen Aufgaben zu steigern. Man stimulierte dabei gezielt Gehirnareale, die essenziell für Lernvorgänge sind und konnte zeigen, dass bei Anwendung einer transkranialen elektrischen Stimulation mathematische Aufgaben tatsächlich besser und schneller gelöst werden. Stimuliert wurde bei diesen Versuchen der dorsolaterale Cortex, eine Region der vorderen äußeren Hirnrinde, die für höhere Denkvorgänge, unter anderem auch für das arithmetische Rechnen wichtig ist. Die Probanden waren durch die Stimulation tatsächlich signifikant besser beim korrekten Beantworten auswendig gelernter Zusammenhänge wie 4+12=16, aber auch komplexere Aufgaben, die tieferes mathematisches Verständnis voraussetzen wie [(8–15)+1]+8 wurden akkurater und schneller gelöst. Der Effekt der Behandlung war auch noch sechs Monate später deutlich messbar ist, wobei die Verbesserung der Rechenleistung nur bei schwierigeren Aufgaben von Dauer war, nicht jedoch beim Wiedergeben von auswendig Gelerntem. Darüber hinaus wurden die erworbenen Kompetenzen auch auf neue mathematischer Probleme ähnlicher Art generalisiert. Unklar ist jedoch die zugrunde liegende Mechanismus der verbesserten Rechenfähigkeiten, aber man vermutet, dass die leichte elektrische Stimulierung die neuronalen Signale, die beim Lernen entstehen, verstärken und synchronisieren könnte, wodurch sich die Spuren des Gelernten im Gehirn stärker ausprägen und festigen (Snowball et al., 2013).
Der Einsatz von Gehirndoping wird überschätzt
Nicole Kronberger, Sozialpsychologin an der Johannes Kepler Universität Linz, hat gemeinsam mit KollegInnen Studien aus dem deutschsprachigen Raum zum Thema Gehirndoping ausgewertet und zusammengefasst. Hauptergebnis war, dass Gehirndoping bzw. Neuro-Enhancement weit weniger verbreitet ist als oft angenommen wird und auch die Wirkung vielfach überschätzt wird. Aussagekräftige Zahlen, wie beliebt Gehirndoping in Österreich ist, gibt es zwar keine, und auch für den deutschsprachigen Raum ist nur eine vage Schätzung verfügbar. Demnach geben ein bis zwanzig Prozent der Menschen an, dass sie solche Substanzen zumindest schon einmal in ihrem Leben genutzt haben. Das Problem bei diesen Umfragen ist, dass manche von diese meist gezielt auf die Einnahme von Tabletten fokussieren, aber andere Mittel wie Marihuana oder Alkohol als Dopingmittel betrachten. Kronberger hat in einer Studie dreihundert StudentInnen befragt, die im vergangenen Sommer für den Aufnahmetest zum Medizinstudium in Österreich gelernt haben. Von diesen gaben sechs Prozent an, Medikamente oder andere Mittel verwendet zu haben, ohne krank zu sein, sondern um besser lernen zu können, wobei darunter Medikamente wie Methylphenidat (Ritalin), Koffeinpillen, Cannabis, Kokain und andere illegale Drogen waren. Diese Umfrage offenbarte aber auch einen Mythos, der zumindest unter StudentInnen weit verbreitet zu sein scheint, denn Kronberger ließ die Studierenden schätzen, wie viele der anderen die erwähnten Hilfsmittel verwendeten, um besser lernen zu können. Es zeigte sich, dass diese Anzahl wesentlich höher eingeschätzt wird als Gehirndoping tatsächlich verbreitet ist. Daneben gibt es einen weiteren Mythos: die Wirksamkeit ist nämlich eher ein Wunsch als tatsächliche Realität, denn man kann mit Substanzen wie etwa Methylphenidat oder Koffein schon mehr Wachheit erzeugen, doch das Problem ist sehr oft, dass auch Nebenwirkungen auftreten, die die Leistungssteigerung dann letztendlich zunichte machen. Kronberger empfiehlt daher eher Lebensstilstrategien wie gesünder leben, länger schlafen, meditieren und Sport, um langfristig kreativ und vor allem intelligent zu bleiben.
In einer Untersuchung von Bowman et al. (2023) mussten vierzig Probanden zwischen 18 und 35 Jahren das Rucksackproblem in acht Varianten lösen, wobei es galt, verschieden schwere Dinge mit unterschiedlichem Wert für einen virtuellen Rucksack zusammenzustellen. Der Rucksack soll am Ende einen möglichst großen Gesamtwert haben, darf aber ein zuvor festgelegtes Gewicht nicht überschreiten. Alle Teilnehmenden absolvierten die Tests viermal, in vier aufeinanderfolgenden Doppelblindstudien, in denen sie jeweils eine von drei populären Drogen (Methylphenidat, Dextroamphetamin und Modafinil) bzw. ein Placebo einnahmen. Man stellte dabei fest, dass der bei der Aufgabe erreichte Knapsackwert im Vergleich zum Placebo signifikant abnahm, auch wenn die Chance, die optimale Lösung zu finden (~50 %), nicht signifikant verringert wird. Der Aufwand (Entscheidungszeit und Anzahl der Schritte, um eine Lösung zu finden) stieg signifikant, aber die Produktivität (Qualität des Aufwands) sank signifikant. Gleichzeitig nahmen die Produktivitätsunterschiede zwischen den Teilnehmern ab und kehrten sich sogar insofern um, als überdurchschnittliche Leistungen am Ende unter dem Durchschnitt lagen und umgekehrt. Letzteres kann auf eine erhöhte Zufälligkeit der Lösungsstrategien zurückgeführt werden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass smarte Drogen zwar die Motivation erhöhen, aber eine Verringerung der Qualität der Anstrengung, die für die Lösung komplexer Probleme entscheidend ist, diesen Effekt wieder aufhebt. Solche Drogen erhöhen offenbar die Anstrengung, aber die Qualität verschlechtert sich, was vor allem die Produktivität der überdurchschnittlichen Leistungsträger beeinträchtigt. Möglicherweise liegt es daran, dass die gesteigerte Anstrengung zu mehr sprunghaftem Denken bei den Probanden führte.
Wussten Sie übrigens, dass es sogar Neuro-Socken gibt? 😉
Literatur
Bard I., Gaskell G., Allansdottir A., Vieira da Cunha R., Eduard P., Hampel J., Hildt E., Hofmaier C., Kronberger N., Laursen S., Meijknecht A., Nordal S., Quintanilha A., Revuelta G., Saladie N., Sandor J., Borlido Santos J., Seyringer S., Singh I., Somsen H., Toonders W., Torgersen H., Torre V., Varju M. & Zwart H. (2018). Bottom Up Ethics – Neuroenhancement in Education and Employment. Neuroethics, 11, 309-322.
Hampel J. & Kronberger N. (2015). The Interface between the Public and Science and Technology. In C. Scherz, T. Michalek, L. Hennen, L. Hebàkovà, J. Hahn, & S. Seitz, The Next Horizon of Technology Assessment. Technology Centre ASCR, Prague, 133-138.
Kellerer, H., Pferschy, U. & Pisinger, D. (2004). Knapsack Problems. Berlin: Springer.
Nagel, S. K. & Achim, S. (2009). Was bedeutet Neuro-Enhancement? Potentiale,Konsequenzen und ethische Dimensionen (S. 19-48). In Schöne-Seifert, Bettina, Davinia Talbot, Uwe Opolka, Johannes S. Ach (Hrsg.), Neuro-Enhancement. Ethik vor neuen Herausforderungen. Paderborn: Mentis.
Snowball, A., Tachtsidis, I., Popescu, T., Thompson, J., Delazer, M., Zamarian, L. Zhu, T. & Cohen Kadosh, R. (2013). Long-Term Enhancement of Brain Function and Cognition Using Cognitive Training and Brain Stimulation. Current Biology, 23, 987-992.
Stangl, W. (2014, 4. Mai). Knapsack-Optimierung. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/36128/knapsack-optimierung.
Stangl, W. (2023, 4. Juli). Neuroenhancer erhöhen die Motivation, reduzieren allerdings die Qualität von Problemlösungen. Stangl notiert ….
https://notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/neuroenhancer-erhoehen-die-motivation-reduzieren-allerdings-die-qualitaet-von-problemloesungen/.
Westbrook, A., van den Bosch, R., Määttä, J. I., Hofmans, L., Papadopetraki, D., Cools, R. & Frank, M. J. (2020). Dopamine promotes cognitive effort by biasing the benefits versus costs of cognitive work. Science, 367, 1362-1366.
http://www.evangelisch.de/themen/wissen/neuro-enhancement-sollen-wir-den-menschen-verbessern32355 (11-01-25)
https://science.orf.at/stories/2993342 (19-10-22)
https://www.spektrum.de/magazin/neuroenhancer-nikotin/1920010 (21-09-28)
Unter Neuro-Enhancement fallen legale Substanzen wie Koffein und Energydrinks ebenso wie verschreibungspflichtige Medikamente, die nicht zu medizinischen Zwecken eingenommen werden, sondern um länger wach und konzentriert bleiben zu können, Gedächtnis und Motivation zu verbessern. Also auch, um auf Partys lockerer zu sein, nächtelang durchzuarbeiten oder lernen zu können. Nicht von ungefähr wird Gehirndoping häufig mit Programmierern, Ärzten und Silicon-Valley-Managern in Zusammenhang gebracht. Diese Versuche der Leistungssteigerung und Selbstoptimierung spielen inzwischen im Studium, im Beruf, aber auch im ganz normalen Alltag von Menschen eine oft unterschätzte Rolle. Zu den häufigsten stimulierenden Medikamenten gehören Methylphenidat, deren bekanntester Vertreter Ritalin ist, und das Aufputschmittel Modafinil. Dazu kommen Drogen wie Kokain und Amphetamine , auch in Form von Speed, Ecstasy und Crystal Meth. Weniger bekannt sind Antidementiva, die gegen Demenzerkrankungen wirken, aber auch die Konzentration verbessern sollen, und Betablocker, die an sich gegen Bluthochdruck verwendet werden, aber auch zur Entspannung und zum Herunterkommen eingesetzt werden, ebenso wie Antidepressiva, Hypnotika wie Benzodiazepine und nicht zuletzt Cannabis. Damit schließt man ein wenig an die 1950er-Jahre an, was den Gebrauch psychoaktiver Substanzen betrifft, denn es gibt ein neues Zeitalter der Angst, in dem Sedativa und Tranquilizer wie auch Cannabis wieder eine größere Rolle zu spielen scheinen. Standen die Nachkriegsjahre im Zeichen der Angst vor einer atomaren Bedrohung und einem Kalten Krieg, ist es heute das Virus mit all seinen Kollateralschäden, das mit einem erhöhten Bedürfnis nach angstlösenden, beruhigenden Mitteln einhergeht. Die Entwicklung der modernen Beruhigungsmittel, wie Benzodiazepine, aber auch Antidepressiva und Antipsychotika, fällt nicht von ungefähr in die 1950er-Jahre. Coca und Kokain waren immer schon Konsumgut und Arzneimittel zugleich, so wurde der Vin Mariani, ein Wein mit Coca-Extrakten im 19. Jahrhundert als leistungssteigernd, euphorisierend, kreativitätsfördernd, potenzsteigernd und heilsam beworben, von prominenten Testimonials aus Adel, Klerus, Wissenschaft und Kunst. Das Fin de Siècle war der heutigen Zeit sehr nahe, was Selbstoptimierung und Selbstreklame angeht, wobei der Coca-Wein auch in Schulen eingesetzt wurde, sozusagen als Vorläufer von Ritalin. Bekanntermaßen setzte die US-Armee im Zweiten Weltkrieg auf Amphetamine, um Piloten länger wach zu halten, die deutsche Wehrmacht verteilte das Methamphetamin Pervitin, das zusätzlich eine euphorisierende und mutmachende Wirkung hatte. Nachdem in der Nachkriegszeit Psychopharmaka wie Valium das Mittel der Wahl waren, übernahmen in den 1970er-Jahren Psychedelika den Diskurs in Medizin und Populärkultur. Bei der LSD-Bewegung ging es um Erweiterung und Vertiefung, zuerst einmal des Bewusstseins und der Kreativität, aber auch der kognitiven Leistungen. Die 1980er-Jahre waren geprägt von Neokonservatismus und subversivem Gebrauch, ab den 1990er-Jahren begann das Zeitalter der Neurokultur, in dem stimulierende Substanzen zu den Leitdrogen einer immer stärker leistungsorientierten Gesellschaft wurden. Auf erste Experimente in den 1960ern geht auch die Forschung zu mikrodosiertem LSD oder Psilocybin, dem Wirkstoff von halluzinogenen Pilzen, zurück. Seit etwa zehn Jahren erlebt die Mikrodosierung von Drogen eine Renaissance, wobei eine sehr kleine Menge der Substanz eingenommen wird, was helfen soll, sich besser zu konzentrieren, kreativer zu arbeiten, und außerdem Depression und Angstzuständen entgegenwirken kann, ganz ohne Trip, der Halluzinationen auslösen würde.
Nach einem Bericht im Standard vom 14. Februar 2022 über die Tagung „Gehirndoping: Gefahren der Selbstoptimierung“ an der Fachhochschule St. Pölten von Karin Krichmayr.
Ich habe ihn seit Anfang Juni, den Chip. Seitdem kann ich Digitalradio hören, wenn ich mir den Finger ins Ohr stecke, und mit meinem Knie kontaktlos bezahlen. Die Brille für die Ferne brauche ich auch nicht mehr.
Spektrum.de vom 12. September 2021
Das ist mal ein gut geschriebener Post, mein Dank. Muss man sich nochmal in Ruhe durchlesen. Generell finde ich die Seite leicht zu verstehen und bequem zu lesen.