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Schwarze Pädagogik

    Schwarze Pädagogik ist ein eher populärwissenschaftlicher, negativ wertender Sammelbegriff für Erziehungsmethoden, die mit Gewalt und Einschüchterung arbeiten. Der Begriff wurde 1977 von der Soziologin Katharina Rutschky mit der Veröffentlichung eines Buches unter gleichem Titel eingeführt, wobei der Ausgangspunkt die Kritik jener repressiven Pädagogik war, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts artikuliert wurde. Dabei geht es um eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen eines Kindes zu brechen und es mit Hilfe offener oder verborgener Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Menschen zu machen. Dazu gehören alle intentionalen Handlungen, mit denen ein Kind unter Einsatz körperlicher oder seelischer Mittel zu bestimmten Handlungen bzw. zu einem bestimmten Verhalten gebracht werden soll, wie das Stellen von Fallen, Lügen, Verschleierung, Manipulation, Ängstigung, Liebesentzug, Isolierung, Misstrauen, Demütigung, Verachtung, Spott, Beschämung, Gewaltanwendung bis hin zur Folter.

    Psychoanalytisch betrachtet, zielt die schwarze Pädagogik darauf ab, ein starkes Über-Ich in der kindlichen Seele zu etablieren und zu festigen, wobei diese Form des Gewissens dafür sorgen soll, die Wertvorstellungen und Normen bzw. die moralischen Prinzipien, die von einem Menschen beginnend mit seiner frühkindlichen Entwicklung beigebracht und erworben werden, zu internalisieren, meist unter Zurückdrängung der Triebansprüche des Es. Schwarze Pädagogik rationalisiert übrigens nicht selten sadistische Neigungen des Erziehers und fungiert in dieser Weise als sekundärer Abwehrmechanismus des Erziehers. Im Übrigen setzt man bei dieser Form der Erziehung vor allem auf die ödipale Verdrängung: „Es ist ganz natürlich, dass die Seele ihren Willen haben will, und wenn man nicht in den ersten zwei Jahren die Sache richtig gemacht hat, so kommt man hernach schwerlich zum Ziel. Diese ersten Jahre haben unter anderem auch den Vorteil, dass man da Gewalt und Zwang brauchen kann. Die Kinder vergessen mit den Jahren alles, was ihnen in der ersten Kindheit begegnet ist. Kann man da den Kindern den Willen benehmen, so erinnern sie sich hernach niemals mehr, dass sie einen Willen gehabt haben und die Schärfe, die man wird brauchen müssen, hat auch eben deswegen keine schlimmen Folgen.“

    Folgerichtig ist die Schwarze Pädagogik nach Alice Miller daher dadurch gekennzeichnet,

    • dass die Erwachsenen Herrscher über das abhängige Kind sind,
    • dass die Erwachsenen über Recht und Unrecht bestimmen können wie Götter,
    • dass der Zorn der Erwachsenen aus ihren eigenen Konflikten stammt,
    • dass sie das Kind für ihre eigenen Probleme und Konflikte verantwortlich machen,
    • dass die Erwachsenen die Meinung vertreten, die Eltern sind immer zu schützen,
    • dass die Erwachsenen die Meinung vertreten, lebendige Gefühle des Kindes bedeuten für ihre Herrschaft über das Kind eine Gefahr,
    • dass man dem Kind so früh wie möglich seinen „Willen nehmen“ muss,
    • dass in der Erziehung alles sehr früh geschehen soll, damit das Kind davon noch möglichst wenig mitbekommt und den Erwachsenen nicht verraten kann.

    Literatur

    Miller, Alice (1983). Am Anfang war Erziehung. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag.
    Rutschky, Katharina (Hrsg.) (1977). Schwarze Pädagogik. Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung. Berlin: Ullstein.

     

     


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