Hyperarousal bezeichnet eine meist unter Stress auftretende Übererregung, wobei häufige Symptome dieser Übererregung Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, erhöhte Reizbarkeit und mangelnde Affekttoleranz sind. Hyperarousal ist ein Zustand, der vor allem aus der Angst, nicht schlafen zu können, entsteht, und sich als ständiges Beschäftigtsein mit dem Thema auch während des Tages als Belastung äußert und das Problem zusätzlich verstärkt.
Manche Menschen sind übrigens grundsätzlich emotional labiler und leichter erregbar als andere, weil das Emotionszentrum in ihrem Gehirn eine niedrigere Reizschwelle besitzt als das von weniger sensiblen Menschen. Reizbarkeit gilt in der Psychologie als Zeichen für eine starke Ausprägung des Neurotizismus, der zu den fünf grundlegenden Dimensionen der Persönlichkeit, den Big Five, gezählt wird.
Man nimmt auch an, dass bei sehr leicht reizbaren Menschen die Emotionsregulation gestört ist, denn es wird in einem evolutionär sehr alten Teil des Gehirns, der Amygdala, entschieden, ob etwa eine kritische Äußerung emotionale Bedeutung hat, etwa wenn diese auf eine Bedrohung hindeutet. Dann wird im präfrontalen Cortex geprüft, ob die Situation wirklich gefährlich ist oder ob die erste spontane emotionale Reaktion passend war. Stellt sich dabei heraus, dass keine Bedrohung besteht, sorgt der präfrontale Cortex schließlich dafür, dass aufkeimende Gefühlsregungen wie Ärger oder Angst wieder unterdrückt werden. Untersuchungen zeigen, dass bei den leicht reizbaren Menschen oft die Konnektivität zwischen den beiden Gehirnhälften schwächer ausgebildet ist. Meist kommt bei solchen Menschen noch hinzu, dass sie Reize intensiver wahrnehmen als andere, dass sie also dünnhäutiger sind.
In einigen Studien wurde der Zusammenhang zwischen Angststörungen, Neuronen-Aktivität im präfrontalen Cortex, der Amygdala-Funktion und Noradrenalin-Ausschüttung untersucht, also das häufig beobachtete Faktum, warum sich Menschen besonders gut Situationen erinnern, in denen sie große Angst hatten. Um die Wechselwirkung zwischen präfrontalem Cortex und Amygdala zu zeigen, wendete man Furchtkonditionierung an. Während des Versuchs überwachte man die Hirnaktivitäten mittels bildgebender Verfahren wie EEG und fMRT. Eine Testgruppe erhielt zudem Yohimbin, das Noradrenalin freisetzt. Yohimbin ist eine vornehmlich in den Blättern und der Rinde des Yohimbe-Baumes natürlich vorkommende Substanz aus der Gruppe der Indolalkaloide. Diese Probandengruppe zeigte deutlich stärkere Angstreaktionen, was darauf hindeutet, dass die Amygdala bei ihnen so stark aktiviert wurde, dass also ein Hyperarousal entstand, erkennbar an veränderter Hirnaktivität und Herzfrequenz. Die Ergebnisse zeigen also deutlich, dass bei Angstsituationen die oszillatorische Theta-Aktivität im präfrontalen Cortex zunimmt und die Amygdala aktiviert wird, was zu körperlichen Symptomen wie Schwitzen, erhöhtem Herzschlag und Atemnot führt. Man vermutet deshalb zu Recht, dass der präfrontale Cortex die Amygdala reguliert. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass eine erhöhte Noradrenalin-Ausschüttung (Hyperarousal) die Angstreaktionen verstärkt, da die Amygdala dann stärker aktiviert wird.
Literatur
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