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sensation seeking

    ist das Suchen nach Abwechslung und neuen Erlebnissen, um eine ständige Spannung zu erleben. Sensation Seeker sind Menschen, die ein hohes Erregungsmuster brauchen, um sich wohl zu fühlen, d. h., sie suchen starke Gefühle und Abenteuer und versuchen unbedingt, Langeweile zu vermeiden.

    Es handelt sich dabei um ein physiologisch begründetes Persönlichkeitskontrukt, wobei man davon ausgeht, dass es für jeden Menschen ein optimales Erregungsniveau gibt, wobei man über das Aufsuchen oder Vermeiden von stimulierenden Reizen die Erregung regulieren kann. Dabei suchen Menschen mit einem geringen initialen Erregungsniveau eher aufregende Reize und werden somit als Sensation-Seeker bezeichnet. Diese Menschen suchen ständig neue Reize, um den gewünschten Pegel einer Stimulierung halten zu können. Es gibt demnach interindividuelle Unterschiede im Neugierverhalten, wobei diese auch intern bedingt sind und nicht nur vom Reiz abhängen müssen. Ein bekanntes Verfahren ist die Sensation Seeking Skala von Zuckerman. Sie war konstruiert worden, um interindividuelle Unterschiede im Ertragen von Isolation und sensorischer Deprivation vorherzusagen. Der Fragebogen umfasst vier Skalen:

    • Thrill and adventure seeking
    • Experience Seeking
    • Disinhibition
    • Boredom Susceptibility

    Wenn wir sicher zu Hause sitzen, wünschen wir uns, wir hätten ein Abenteuer zu bestehen.
    Thornton Wilder

    Im Detail: Alle Typen haben grundsätzlich das Bedürfnis nach abwechslungsreichen, neuen, komplexen Eindrücken und Erfahrungen sowie der zusätzlichen Bereitschaft entsprechende Risiken in Kauf zu nehmen, gemeinsam. Das kann dabei manchmal stärker und manchmal weniger stark ausgeprägt sein, je nach Typus:

    • Thrill and Adventure Seeking: Nach Abenteuer und Nervenkitzel suchende Menschen stimulieren sich, indem sie scheinbar gefährlichen Aktivitäten nachgehen, etwa dem Glücksspiel, Extremsportarten. Meist handelt es sich um Menschen mit einem ausgeprägten Wettkampfsinn.
    • Experience Seeking: Diese Menschen versuchen neue Lebenserfahrungen zu sammeln und sie auszubauen, etwa das Kennenlernen fremder und neuer Kulturen durch Reisen, das Lernen von Sprachen, aber auch das Machen von schädlichen Erfahrungen wie etwa der Drogenmissbrauch. Typisch sind dafür Menschen mit einem ausgeprägten Fernweh.
    • Disinhibition Seeking: Aus der Suche nach enthemmten sozialen Stimuli besucht man Partys und ist auch dabei beim Missbrauch von Drogen aller Art. Dabei ist es wichtig, dass das in Gesellschaft stattfindet. Typisch sind dafür Menschen, deren Alltag aus zahlreichen Partys besteht.
    • Boredom Susceptibility: Diese Menschen haben eine Abneigung gegen Langeweile, und neigen zu Unruhe, wenn sie keine Ablenkung durch äußere Reize erfahren.

    Einige Befunde deuten auf einen dispositionellen genetischen Faktor hin. In Zwillingsstudien fand sich ein Erblichkeitsanteil von 58 – 68 %. Man geht im Prinzip davon aus, dass es für jeden Menschen ein optimales Erregungsniveau gibt, das zu etwa siebzig Prozent die Gene bestimmen. Nur jeder Fünfte hält sein Erregungsniveau gerne hoch, indem er häufig neue Reize sucht, wobei sich diese Sensationssuchenden von Neugierde und Aufbruchslust zu immer neuen Orten und Menschen treiben lassen, sie suchen das Abenteuer in riskanten Sportarten und sind schnell gelangweilt. Die Mehrheit jedoch, etwa achtzig Prozent der Menschen hält die Zahl der neuen Reize gering und fühlt sich in Routinen wohler als beim Abschied von Vertrautem oder einem Neuanfang. Pötzliche, ungewollte Veränderungen wie eine Scheidung fordern das Gehirn, wobei auch selbst erwartete Veränderungen wie ein Auslandsjahr, Jobwechsel oder Umzug Kraft kosten. Um neue Eindrücke zu verarbeiten, verbraucht das menschliche Gehirn große Mengen an Zucker und Sauerstoff, sodass es schnell versucht, den Energieverbrauch zu drosseln und Menschen wieder zu Routinehandlungen zu bewegen, indem es sie immer dann mit Endorphinen belohnt.

    Menschen mit dem Persönlichkeitsmerkmal „sensation seeking“ scheinen übrigens nach einer Studie der Université Libre de Bruxelles aus dem Jahr 2004 durch das ständige Suchen nach Abwechslung und neuen Erlebnissen auch für Drogenkonsum anfälliger zu sein. Heroinkonsumenten wiesen dabei höhere Werte in „sensation seeking“ auf als die Alkoholabhängigen, was aber auch ein Hinweis darauf sein könnte, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale die Wahl einer Droge mitbestimmen.

    In einer Untersuchung (Giebe et al., 2015) zeigte sich auch, dass Sensation Seeker, ob männlich oder weiblich, die schnell gelangweilt sind und gern aufregende soziale Kontakte eingehen, dominante Partner suchen, d. h., dominante Partner sind für sie offenbar attraktiv. Dominanz wurde in der Studie als soziale Dominanz begriffen, wobei Frauen eine höhere Präferenz für einen dominanten Partner haben. In dieser Studie zeigte sich übrigens auch, dass viele Frauen ihre Ängstlichkeit durch einen alternativen Lebensweg zu kompensieren versuchen, d. h., sie suchen keinen Partner, sondern fokussieren ihr Interesse auf Kultur, der sie aktiv nachgehen, suchen neue Erfahrungen, indem sie reisen, viel lesen und sich allgemein Kunst und Kultur widmen. Dabei würde offensichtlich ein Mann, der sehr dominant ist und den Lebensweg dieser Person beeinflusst, nur stören.

    Doch nicht nur die eigene Angst bereitet Spaß, denn viele Menschen lieben es genauso, andere Menschen zu erschrecken. Zum einen empfindet ein Mensch dabei ebenfalls Anspannung und Entspannung, wenn er andere erschreckt. Eine weitere mögliche Ursache liegt dabei auch in der Ausübung von Macht über andere. Dieses Bedürfnis ist bei den meisten Menschen zwar eher moderat ausgeprägt und äußerst sich meist in eher harmlosen Streichen, denn nur wenige Menschen neigen dazu, unbeteiligte nichtsahnende Mitmenschen etwa im Scherz mit Waffen zu bedrohen (Halloween). Diese Form des extremen Erschreckens macht nach Ansicht von Experten beinahe ausschließlich Männern Spaß, wobei sich dieses Verhalten männlicher Machtausübung auch schon bei Primaten beobachten lässt.

    Übrigens: Prominente Menschen wie Schauspieler, Musiker oder Entertainer müssen und wollen sich für die Öffentlichkeit in Szene setzen, d. h., viele Prominente sind narzisstisch veranlagt und damit auch neugierig, risikofreudig und experimentierbereit, wobei diese Eigenschaften auch den Konsum von stimulierenden oder bewusstseinsverändernden Substanzen fördern. Ihr ständiges Suchen nach Abwechslung und neuen Erlebnissen kann körperlich riskante Aktivitäten, soziale Stimulation oder einen unkonventionellen Lebensstil umfassen, wobei stimulierende Substanzen („Upper“), dämpfende Substanzen („Downer“) und bewusstseinsverändernde Substanzen (Halluzinogene) diese Sensationssucht befriedigen. Vor allem der Drang nach Selbstdarstellung veranlasst viele Prominente, die eigene Persönlichkeit durch Drogen zu verändern.

    Anmerkung: Sensation seeker diametral gegenüber stehen ängstliche Menschen, die sich viele Sorgen machen und allgemein angespannt sind.


    Das menschliche Gehirn belohnt zwar die Suche nach neuer Unterhaltung durch die Ausschüttung von Dopamin, doch kann auch viel positive Emotion aus der Wiederholung angenehmer Aktivitäten geschöpft werden. O’Brien (2019) ließ dabei über dreitausend Probanden in sieben Studien unterhaltsamen Tätigkeiten nachgehen, wobei eine Gruppe etwa einen Kinofilm genoss, während eine andere Gruppe eine Ausstellung ihrer Wahl besuchte. Danach wurden die Versuchsbedingungen in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei den Teilnehmern der einen Gruppe eröffnet wurde, dass sie das Gleiche noch einmal durchlaufen sollten, während die andere Gruppe überraschend von der Wiederholung des Programms erfuhr. Diejenigen Probanden, die unvorbereitet in den zweiten Durchlauf geschickt worden waren, hatten danach neue Facetten der Aktivitäten erlebt, wodurch sie diese erneut genossen. Diese Ergebnisse zeigen einen neuen Blickwinkel auf die traditionelle Annahme über hedonische Anpassung und Neuheitspräferenzen.

    Literatur

    Giebel, G., Moran, J., Schawohl, A. & Weierstal, R. (2015). The thrill of loving a dominant partner: Relationships between preference for a dominant mate, sensation seeking, and trait anxiety. Personal Relationships, 22, Issue 2, 275–284.
    O’Brien, E. (2019). Enjoy it again: Repeat experiences are less repetitive than people think. Journal of Personality and Social Psychology, 116, 519-540.
    Zuckerman, M. (1988). Behavior and Biology: Research on Sensation Seeking and Reactions to the Media. In L. Donohew, H.E. Sypher and E.T. Higgins (Eds.), Communication, Social Cognition and Affect. Hillsdale, New Jersey: Lawrence Erlbaum.


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