Amok, ein ursprünglich aus dem Malaiischen stammender Begriff (amuk), der dort soviel wie „im Kampf sein Letztes geben“ bedeutet und exzessive Gewalttaten bezeichnet, bei denen in der Regel scheinbar wahllos Menschen umgebracht oder verletzt werden und der oder die Täter dabei den eigenen Tod billigend in Kauf nehmen oder sich hinterher selbst töten.
Definitionen
Die intentionale und nach außen hin überraschende Tötung oder Verletzung mehrerer Personen bei einem Tatereignis ohne Abkühlungsperiode, wobei einige Tatereignisse im öffentlichen Raum stattfinden (vgl. Hoffmann 2003, S.399).
Er verdeutlicht damit, dass es sich damit um eine zielgerichtete, meist geplante, jedoch auf die Öffentlichkeit völlig unerwartet wirkende Gewalttat handelt, bei der Personen getötet oder verletzt werden. Mit dem Ausdruck „ohne Abkühlungsperiode“ ist gemeint, dass der Täter nicht zwischendurch „aufwacht“ und schockiert ist über das, was er angerichtet hat.
Bei Malaien zuerst beobachteter Zustand von aggressivem Bewegungsdrang, bei dem der „Amokläufer“ alles niederschlägt oder –sticht, was sich ihm in den Weg stellt, bis er erschöpft zusammenbricht oder überwältigt wird. Anschließend besteht eine Amnesie. Es handelt sich wahrscheinlich meistens um einen epileptischen Dämmerzustand (vgl. Peters 2007, S.28).
Der Begriff Amok kommt wahrscheinlich aus der Sprache der Malaien und beschreibt so etwas wie unkontrollierte Wutausbrüche. Ursprünglich hat man wohl Fälle von plötzlich auftretenden psychischen Störungen mit aggressivem Aktionsdrang hierunter verstanden und in der Definition auch den Zustand der äußersten Demütigung und Verwirrung mit einbezogen, der den Täter zu seiner Wahnsinnstat treibt (vgl. Langmann 2009, S.10).
In Abgrenzung von anderweitigen schweren Gewalttaten an Schulen handelt es sich bei School shootings um Tötungen oder Tötungsversuche von Jugendlichen an Schulen, die mit einem direkten und zielgerichteten Bezug zu der jeweiligen Schule begangen werden. Konkreter formuliert muss bei einer Tat entweder mehreren Opfern an einer Schule gleichzeitig nach dem Leben getrachtet werden, oder es muss versucht werden, einen einzelnen Menschen zu töten, der erkennbar aufgrund seiner Funktion innerhalb der Schule ausgewählt worden ist (vgl. Hoffmann 2007, S. 12).
Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht man unter Amok eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich (fremd-)zerstörerischen Verhaltens. Danach Amnesie (Erinnerungslosigkeit) und/oder Erschöpfung. Häufig auch der Umschlag in selbst-zerstörerisches Verhalten, d.h. Verwundung oder Verstümmelung bis zum Suizid (Selbsttötung) (vgl. WHO 2001).
Vor und in der Schule agieren häufig Diktaturen: Beherrscher-Schüler gegen Normalo-Schüler. Eine umfassende Beleidigungskultur breitet sich aus. Beherrscher sind meist schulisch schwach; sie respektieren weder sich selbst, noch andere. Solange wirkliche oder potentielle Opfer-Kinder in einem körperlich-schutzlosen Raum lernen sollen, können weder Konzentration, noch Lernmotivation aufgebaut werden. In Extremfällen kann sich im Opfer langsam eine amokartige Vernichtungsbereitschaft verdichten.
Amok im Zusammenhang mit Schulmobbing
Mehr als zehn Prozent der Schülerschaft ist von Mobbing in der eigenen Klasse betroffen. In diesem Zusammenhang analysiert der renommierte Psychologe Dr. Michael Heilemann das Phänomen der Amokläufe in Schulen und kommt zu dem Schluss, dass in solchen Fällen eine Umkehr der Opfer-Täter-Rolle zu verzeichnen ist. In seinem Handbuch „Amokgefahr“ beschreibt Heilemann das typische Psychogramm eines Amokläufers und präsentiert Möglichkeiten der Prävention sowie ein Coaching- und Antiaggressivitätstraining. Amokläufer und -innen zeigen ein Verhalten, das als Vergeltungsschlag bezeichnet werden kann. Dieser ist durch die Erfahrung von Missachtung, Ablehnung und dem Gefühl, ein „Nichts“ zu sein, motiviert. Über einen längeren Zeitraum hat sich ein Erleben von Stillstand und Überflüssigkeit verfestigt. In der Folge haben sich narzisstische Kränkungen, erlebte Verständnislosigkeit und Kaltherzigkeit der Mitmenschen manifestiert. Diese Faktoren haben ein Berechtigungserleben für Rache entfacht. Die Betroffenen haben sich in eine virtuelle Sphäre zurückgezogen, die von Größenphantasien und Gewalttaten geprägt ist. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der These, dass die Amokläufer von Littleton, Erfurt, Emsdetten und Winnenden letztlich eine Tat von Beziehungsgewalt in einer für sie beziehungslosen Welt begangen haben. Die Analyse ergibt, dass erst durch die Tat die Beziehung final hergestellt wurde.
Amokläufer schließen in ihren Handlungen regelmäßig die Selbstvernichtung mit ein. Sie tolerieren es nicht, hierfür im Nachhinein einen Preis der Demütigung und Kränkung durch die Schmach der Inhaftierung und Verurteilung zu bezahlen.
Im Rahmen der Bearbeitung und Prävention von Schulmobbing sehen sich Lehrerinnen und Lehrer einem Spannungsfeld spannungsreicher, oft unklarer Anforderungen gegenüber. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob es sich bei der Konfrontation mit einem verzweifelten, zurückgewiesenen, letztlich resigniert-wütenden Perfektionisten, der mit Akribie das tödliche Finale plant, um eine Konfrontation mit einer spezifischen Herausforderung handelt. Oder ist es doch der hochbegabte, hypersensible Psychopath, der sich konsequent über die anderen Menschen hinwegsetzt, indem er eine perfekte Fassade der Harmlosigkeit aufrechterhält?
Siehe dazu
Amok und Selbstmordattentäter
Amoklauf
Was ist Amok?
Literatur
Langmann, Peter (2009): Amok im Kopf; Warum Schüler töten. S. 28. Beltz Verlag.
Hoffmann, Jens : Amok – ein neuer Blick auf ein altes Phänomen. S. 403. in: Lorei, C. (Hg.): Polizei & Psychologie. Kongressband der Tagung „Polizei & Psychologie“ am 18.u.19.3.2003 in Frankfurt, Frankfurt, 397-414.
Hoffmann, Jens; Wondrak, Isabel (2007): Amok und zielgerichtete Gewalt an Schulen; S.12. Verlag für Polizeiwissenschaft.
Knecht, T. (1998). Amok – Transkulturelle Betrachtungen über eine Extremform menschlicher Aggression. Kriminalistik, 52 (10), 681-684.
Peters, Uwe Hendrik (2007): Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie; S. 28. Urban Fischer Verlag.
WHO: Taschenführer zur Klassifikation psychischer Störungen. Verlag Hans Huber; Bern-Göttingen-Toronto-Seattle 2001.
Spors, J.C. (1988). Running Amok. Ohio University-Monographs in International Studies. Southeast Asia Series, No. 82.
http://www.bdp-verband.de/psychologie/glossar/amok.shtml (12-03-21)