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Xenophobie

    Überlieferte Urängste entstehen in einem primitiven Teil des Gehirns, der keinen Hochschulabschluss hat.
    Borwin Bandelow

    1. Definition
    Unter Xenophobie versteht man Fremdenhass und Fremdenfeindlichkeit. Diese Ablehnung richtet sich gegen andere Personen und Volksgruppen, wie zum Beispiel Gastarbeiter oder Spätaussiedler (vgl. Reinhold, Lamnek & Recker, 1992, S. 674).
    2. Definition
    Xenophobie handelt von der Angst vor dem Fremden. Auch der Hass gegen AusländerInnen, die überall und in allen Zeitabschnitten dieser Welt vorkommen ist darunter zu verstehen. Dabei ist wichtig zu berücksichtigen, dass Xenophobie nicht losgelöst von historischen, politischen, ökonomischen und sozialen Interessen und Machtverhältnissen analysierbar ist (vgl. Kübler, 2005, S. 83ff).
    3. Definition
    Xenophobie bekämpft das Fremde und man ist bereit das Eigene gegenüber dem Fremden zu verteidigen. Daraus folgt, dass der Lösungsprozess erschwert wird und somit die eigene Familie erhalten bleibt. Psychologisch betrachtet wird das Fremde gemieden, um das Eigene beibehalten zu können und nicht hinterfragen zu müssen (vgl. Casagrande, 2003, S. 31).
    4. Definition
    „Dabei ist Angst vor Fremden, also Xenophobie, […] weit verbreitet. Manche verwechseln sie mit Ausländerfeindlichkeit. Das scheint mir unzulässig. […] Ängste sind irrational und ihre Entstehung erfolgt unbewusst. Weil sie irrational und unbewusst sind, kann eine Bewusstwerdung ein erster Schritt zum Abbau dieser Ängste sein: auch der Xenophobie. Mit der Ausländerfeindlichkeit ist das anders. Natürlich ist Ausländerfeindlichkeit auch irrational. Aber gleichzeitig ist sie eine bewusste Entscheidung. Gegen diese bewusste Entscheidung ist keine Bewusstwerdung möglich“ (Dohlemann, 2003, S. 204).
    5. Definition
    „Die Xenophobie bewertet das Fremde grundsätzlich als eine Bedrohung. Sie ist aus (sozial-) psychologischer Sicht eine unangemessene Furchtreaktion vor allem Fremden; unangemessen deshalb, da sie erkennen lässt, dass sich eine entwicklungsnotwendige Reifung des Menschen nur unzulänglich oder gar nicht vollzogen hat. Es ist zu beobachten, dass Xenophobie im gesellschaftlichen und politischen Diskurs immer wieder in dem Sinne instrumentalisiert werden, als sie als ‚natürliche‘ Reaktion deklariert werden und mithin als Rechtfertigung und / oder Entschuldigung für fremdenfeindliches Verhalten genutzt wird“ (vgl. Schaffers, 2006, S. 24f).
    6. Definition
    Xenophobie bedeutet Hass und Feindschaft gegenüber allem Fremden. Dass Neues anfangs unheimlich wirkt ist normal, bei der Xenophobie bleibt diese Einstellung jedoch erhalten (vgl. Fuchs-Heinritz, Lautmann, Rammstedt & Wienold, 1994, S.751).


    Der Feind wird gefährlich, wenn er anfängt, recht zu haben.
    Jacinto Benavente

    Feindschaft als psychologischer Faktor

    Kollektive Feinde bilden für viele Gruppen eine Art Schutzschild, denn sie bündeln Ängste, die Menschen auf Grund einer nicht völlig kontrollierbaren Umwelt normalerweise haben, den dadurch können sie ein Gefühl der Kontrolle erlangen bzw. wiedererlangen, da alles Negative in Form einer anderen Gruppe gebündelt und dadurch zumindest greifbar bzw. vorhersagbar wird. Feindschaften bieten für Gruppen dadurch eine stabile Quelle für das Selbstwertgefühl, denn sich im Kontrast zu jemand Furchtbarem und Bedrohlichen zu sehen, führt zu einer generellen Abwertung des anderen und indirekt zu einer Aufwertung der eigenen Gruppe. Dabei unterstützen Faktoren wie die selektive Wahrnehmung, die nur bestimmte Informationen heranlässt, und die Bestätigungstendenz, die nach genau jenen Informationen suchen lässt, die das Bild der anderen Menschen bestätigen, dieses Phänomen. Manchmal hilft auch ein Feind dabei, neue Freunde zu finden, denn wer Feinde ebenfalls schlecht behandelt, ist somit ein potenzieller Freund. Nach Sigmund Freud haben die Eigenschaften, die man einem Feind zuschreibt, mehr mit einem selbst zu tun als mit dem Feind, was durch den Mechanismus der Projektion zustande kommt, indem eigene unerwünschte oder unangenehme Impulse wie Gefühle oder Wünsche, anderen zugeschrieben werden, wodurch man etwa innere Konflikte bewältigen kann.

    Informationsökologie als mögliche Ursache negativer Bewertungen von Fremden

    Menschen haben oft negative Einstellungen gegenüber Fremd- und Minderheitengruppen, da negative Eigenschaften kognitiv vielfältiger und leichter zu unterscheiden sind. Alves, Koch & Unkelbach (2018) vermuten daher, dass sich Unterscheidungen von Gruppen am einfachsten durch negative Merkmale treffen lassen, da negative Eigenschaften individueller sind als positive. Solche Verzerrungen resultieren daher aus einer Interaktion grundlegender kognitiver Prozesse und der Struktur der Informationsökologie, denn auf dieser kognitiven Ebene werden neuartige Gruppen in erster Linie mit ihren einzigartigen Attributen assoziiert, d. h., mit Attributen, die diese von anderen Gruppen unterscheiden. In der Informationsökologie sind jedoch einzigartige Attribute in der Regel negativer. Negative Einstellungen gegenüber Anderen entstehen demnach auch als Folge von reinen Wahrnehmungsprozessen. Während die meisten bisherigen Modelle der Ablehnung des Fremden von motivationalen Ursachen ausgehen, also z.B. dem Streben nach einem eigenen Vorteil, sehen die Forscher die Ursachen für eine negative Einschätzung anderer Gruppen eher in einem Effekt der Wahrnehmung: Gruppen definieren sich selber eher über positive Eigenschaften, andere aber eher über negative, da die meisten Gruppen ähnliche positive Eigenschaften haben, die nicht zur Unterscheidung dienen können, sondern sie verfügeüber negative Eigenschaften, die sie unterscheidbar machen. So kann man alle Menschen als nett, umgänglich, zuverlässig, höflich, hilfsbereit oder fleißig beschreiben, doch bei schlechten Eigenschaften gibt es ein größeres Spektrum, sind also in Bezug auf Einstellungen distinkt, d. h., sie lassen Unterscheidungen zu. In drei Laborexperimenten, in denen Versuchspersonen verschieden auf einem virtuellen Planeten Alien-Gruppen begegneten, sollten sich diese Eindruck dieser Gruppen bilden. Waren die distinkten Eigenschaften der Gruppen negativ, bewerteten die Versuchspersonen neue Alien-Gruppen als negativer im Vergleich zu schon bekannten Alien-Gruppen. Wenn man also fremden Gruppen begegnet, schaut man immer auf die Eigenschaften, welche man von den uns bekannten Gruppen noch nicht kennt und fragt sich, was ist anders an diesen Menschen? Das Gleiche geschieht auch, wenn man in eine andere Kultur reist. Würde man seine eigenen Gruppen auch nur aufgrund ihrer distinkten und damit negativeren Eigenschaften bewerten, hätten man auch ein negativeres Bild von ihnen. Daraus ergibt sich, dass man durch solche Wahrnehmungsprozesse Fremdgruppen automatisch und ungewollt unfair bewertet.

    Biologische und genetische Ursachen

    Verhaltensforscher vermuten sowohl erbliche als aicj vom sozialen Umfeld bedingte Komponenten der Ablehnung von Fremden, denn damit verbundene soziale Mechanismen sind vermutlich tief in alten Hirnteilen verankert, die eindringlich zwischen Wir und den Anderen unterscheiden. Die Menschen haben von Geburt an bekanntlich ein starkes Bedürfnis, irgendwo dazuzugehören, und auch später haben Menschen dann eine ausbalancierte Emotionalität und potenziell ein langes, gesundes Leben, wenn ihr Zugehörigkeitsgefühl ausreichend befriedigt wird. Auch im Tierreich findet man die Skepsis gegenüber Fremden, denn etwa bei Wölfen gibt es Kämpfe zwischen Rudeln, die untereinander gut gegen andere zusammenhalten. Gegnerschaft entsteht dabei sehr oft, wenn Ressourcen und Reproduktionsinteressen, also das Weiterleben der eigenen Gene gegen andere verteidigt werden müssen. Wie sich dieses biologische Erbe im Einzelnen manifestiert, ist aber von der Sozialisierung und dem gesellschaftlichen Umfeld abhängig, denn manche Menschen gehen deshalb interessiert auf Fremde zu, andere stehen eher abwehrend dabei.
    Für die Erziehung bedeutet das, dass das beste Mittel gegen Xenophobie das frühe Lernen des Kleinkindes darstellt, durch eine verlässliche Betreuung ein vertrauensvolles Verhältnis zur Welt zu bekommen, denn dann kann es später auch Fremden Vertrauen entgegenbringen.

    Literatur

    Alves, Hans, Koch, Alex & Unkelbach, Christian (2018). A Cognitive-Ecological Explanation of Intergroup Biases. Psychological Science, 29, 1126-1133.
    Casagrande, T. (2003). Die Volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banaterschwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Frankfurt/Main: Campus Verlag.
    Dohlemann, M. (2003). LebensWandel. Streifzüge durch spätmoderne Beziehungslandschaften. Forschung, Studium und Praxis. Münster: Schriften des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Münster.
    Fuchs-Heinritz, W., Lautmann, R., Rammstedt, O. & Wienold, H. (1994). Lexikon zur Soziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
    Kübler, E. (2005). Antisemitismusbekämpfung als gesamteuropäische Herausforderung. Eine vergleichende Analyse der OSZE und EUMC. In Unipress Hochschulschriften, Band 48. Wien: Lit Verlag.
    Reinhold, G., Lamnek, S. & Recker, H. (1992). Soziologie – Lexikon. München Wien: Verlag Oldenbourg
    Schaffers, U. (2006). Spectrum Literaturwissenschaft. Konstruktionen der Fremde: Erfahren, verschriftlicht und erlesen am Beispiel Japan. Berlin: de Gruyter Verlag.


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