Die Alterssexualität wird sexualwissenschaftlich als letzte Phase der
menschlichen Sexualität beschrieben, wobei sich der Eintritt in diese
Phase an gesellschaftlichen und kulturellen Aspekten wie beispielsweise
einem bestimmten Alter, dem Eintritt in die Wechseljahre bei der Frau
oder dem Ende der Fruchtbarkeit orientiert. Nach Ansicht anderer gibt es
jedoch keine Alterssexualität, da sie von der Annahme ausgehen, dass
jeder mit seiner bisher gelebten Sexualität alt wird, d. h., Sexualität
im Alter wird also im Prinzip die unter Umständen vergröberte und
vergrößerte Fortsetzung der bisher gelebten Sexualität, und zwar positiv
wie negativ. Allerdings steht aber die Fähigkeit Lustgefühle zu
empfinden, jedem Menschen zu, egal in welchem Alter, mit oder ohne
Partner, und eine Sexualität haben auch jene, die völlig abstinent
leben.
Auch alte Menschen haben sexuelle Bedürfnisse, die sehr individuell
sind, wobei Sexualität dabei nicht nur den Sexualakt meint, sondern die
emotionale und körperliche Zuwendung zu einem anderen Menschen und zu
sich selbst. Sexualität beginnt also schon beim zärtlichen und
sinnlichen Umgang mit sich selbst und anderen Menschen. Körperliche
Erfahrungen sind auch für ältere Menschen wichtig und es ist biologisch
vorgesehen, dass Menschen Lust empfinden und sich fortpflanzen können,
jedoch ist heute für die Fortpflanzung nicht zwingend Geschlechtsverkehr
notwendig und der Geschlechtsverkehr dient nicht allein der
Fortpflanzung. Neben der jeweils eigenen emotionalen Verbundenheit zur
Sexualität und deren Auslebung stehen diese Vorstellungen unter anderem
auch unter dem Einfluss von gesellschaftlichen Bedingungen. Sexuelles
Begehren und Handeln entfaltet sich zwar auf der Grundlage biologischer
Gegebenheiten, mitbestimmend sind aber die Moralvorstellungen, Normen
und Deutungsmuster der konkreten Gesellschaft, wobei diese immer auch
von den Wünschen, Plänen und dem Handeln der Menschen abhängig sind.
In den letzten Jahrzehnten gab es in dieser Beziehung eine sehr große
Veränderung, denn Menschen, die heute alt oder hochbetagt sind, wurden
ganz anders sozialisiert, da Politik und Kirche noch großen Einfluss auf
Partnerschaft, Sexualität und Fortpflanzung hatten. Diese Sozialisation
haben die meisten alten und hochbetagten Menschen verinnerlicht, und
auch die Normen haben sich verändert. Wer heute alt ist, hat oft stark
verinnerlicht, dass Sexualität ein Tabu ist, sodass es viele sexuelle
Verbote gibt, dass Homosexualität und Bisexualität sündhaft, krank und
abnormal seien. blocklinks
Diese verinnerlichten Normen sind oft so stark, dass die betroffenen
Menschen oft gar nicht versuchen, eine Partnerschaft im Alter zu finden,
wobei neben den oben erwähnten internalisierten Normen auch
Rollenerwartungen hinzukommen, die Alte und hochbetagte Menschen
erfüllen wollen und dabei ihre sexuellen und erotisch-sinnlichen
Bedürfnisse verdrängen und unterdrücken.
Studien zeigen, dass die Sexualität bis ins höchste Lebensalter ein
relevantes Thema bleibt. Eine gewisse Verringerung des sexuellen
Interesses ist ab dem Alter von 75 Jahren zu erkennen, wobei
diesbezüglich Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beobachten
sind, während ältere Frauen vermehrt angeben, kein sexuelles Interesse
mehr zu haben, ist dies bei Männern kaum der Fall, allerdings ist
bei diesen der Wunsch nach Zärtlichkeit prägnanter ausgeprägt. Das
höhere sexuelle Interesse der Männer wird in der Studie hängt mit dem
häufigeren Auftreten von sexuellen Phantasien, Gedanken und Träumen,
sowie einem unbestimmten sexuellen Verlangen nach Geschlechtsverkehr
oder Masturbation
zusammen. Das bei beiden Geschlechtern sinkende sexuelle Interesse ist
oft nicht zwingend dem Alter zuzuschreiben, sondern eine größere
Auswirkung auf die sexuelle Aktivität im Alter fand liegt in der
strengeren moralischen Erziehung, wobei die Gründung der Familie mit
Kindern im Vordergrund stand, und nicht das eigene sexuelle Bedürfnis.
Generell haben biografische Erlebnisse eine explizite Auswirkung auf die
Sexualität im Alter, denn je aktiver und prägnanter das Thema der
Sexualität in früheren Jahren war, desto eher wird dies auch im Alter
ausgelebt, wobei ein aktiver Lebensstil die Sexualität positiv
beeinflusst.
Literatur
Friedrich, F. (2021). Sexualität und Partnerschaft im Alter.
WWW: https://www.meinbezirk.at/wien/c-regionauten-community/sexualitaet-und-partnerschaft-im-alter_a4969255 (21-10-25)
https//:files.www.soziothek.ch (20-11-21)
Wörterbuch der Sexualität
Im Buch "Unsere Sexualitäten. Teil I: Basics - Probleme - Lösungen" von
Steffen Fliegel findet sich einerseits ein sachlich fundierter aber dennoch leicht lesbarer Überblick
über alle Erscheinungsformen der menschlichen Sexualitäten
sowie deren Störungen, und bezieht sich dabei auf Frauen, Männer,
diverse Personen und Paare, andererseits werden Behandlungs- und
Bewältigungsmöglichkeiten sehr detailliert und praxisnah beschrieben.
Das Buch ist so aufgebaut, dass Fachleute mit einer qualifizierten
psychosozialen Beratungskompetenz oder einer Qualifikation als
Psychotherapeutin oder Psychotherapeut Menschen mit sexuellen Problemen
bei der Informationsgewinnung, Problemanalyse und Lösungssuche bzw.
Bewältigung umfassend helfen können.
Dieses Buch wendet sich daher zwar
an alle am Thema Interessierte, aber vor allem auch an Fachleute aus
Psychotherapie und Beratung, die mit den Inhalten umfassend auf
aktuellem Wissensstand arbeiten können, zumal auch für sie der
ausführliche Praxis- und Übungsteil (Sexualtherapeutische Schätze) wertvolle Informationen liefert.