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Lernbüro

    Ein Lernbüro ist eine didaktische Organisationsform für selbstorganisiertes Lernen, wobei SchülerInnen in den Lernbüros Themen in Teams erarbeiten und die traditionelle Struktur in Klassen und Schulstunden zugunsten eines Lerntages aufgelöst werden. Die Schule stellt die Lernmittel bereit, der Lehrer die zu erlernenden Themen, doch die SchülerInnen organisieren sich selber. Ein Lernbüro muss gut organisiert sein, d.h., die Materialien müssen überall vorhanden sein. Wenn die SchülerInnen etwa in einer Bibliothek arbeiten dürfen, müssen dort alle benötigten Materialien zu finden sein. Für diese Form des selbstorganisierten Lernen müssen ausreichende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, etwa Computertische mit der entsprechenden Hard- und Software. Die LehrerInnen fungieren hier als Coach, Mentor und Projektleiter, der von seinen SchülerInnen die Ergebnisse einfordert und als Coach in die richtige Richtung lenkt, ohne reines Auswendiglernen und die Wiedergabe des Gelernten zu fördern. Die SchülerInnen erlernen neben dem fachlichen Wissen als Nebeneffekt auch Fähigkeiten wie Teamwork, Zeitorganisation und Selbstpräsentation. In gut organisierten Lernbüros können sich die LehrerInnen viel besser um die schwachen Schülerinnen kümmern. Lernbüros haben in der kaufmännischen Berufsbildung eine lange Tradition und sind in der allgemeinbildenden Schule eher selten. Lernbüroarbeit sollte stets über einen zusammenhängenden Zeitraum erfolgen, doch zwingt die Verfächerung der allgemeinbildenden Schule meist zur Diskontinuität.
    Das Lernbüro gehört zur Gruppe der simulativen Lehr- und Lernverfahren, wobei Simulation zwar nur die zweitbeste Lösung in der Pädagogik darstellt. Durch die traditionelle Ausgliederung des Schulsystems aus anderen gesellschaftlichen Bereichen ist im weitesten Sinne alles, was in der Schule geschieht, ohnehin Simulation. Das Sprechen in einer Fremdsprache, obwohl kein Fremdsprachler anwesend ist, die Berechnung der Kirchturmhöhe mit der Sinusfunktion ist Simulation, obwohl unten an der Kirche die Höhe des Turmes ohnehin angeschrieben steht. Der mit dem Textverarbeitungsprogramm geschriebene Brief auf dem Computer ist Simulation, weil er nie abgeschickt wird. Schulische Medien sind stets nur Surrogate der Wirklichkeit, etwa der ausgestopften Buntspecht oder der virtuelle Louvre-Besuch. Die Schulen greifen viel zu oft auf Medien und simulative Verfahren zurück, obwohl dafür gar kein Anlass besteht.

    Ein Beispiel für ein Lernbüro

    ist das am TGM Wien, Wiens größter HTL, die ein Jahr lang das Lernen ohne Frontalunterricht und mit für SchülerInnen freier Stundenplanwahl erprobte. Die SchülerInnen gingen nicht in die Klasse, sondern ins „Lernbüro“ und erarbeiteten sich das Wissen selbst. Ergebnis war, dass die freie Methode gute Noten mit sich brachte und daher erweitert wird. Die WU Wien (Abteilung für Bildungswissenschaft) untersucht diesen Schulversuch in einer Studie. Die Schüler empfinden das Lernbüro zwar als anstrengender, aber auch als interessanter, denn es macht mehr Spaß.“ Im ersten Jahr hatten die Schüler die Möglichkeit, sich aus dem Schulversuch abzumelden und auf einen konventionellen Stundenplan umzusteigen, doch kein einziger wollte wechseln. In der Computerwelt gab es einen Bericht darüber, der hier auszugsweise wiedergegeben wird: „Die Grundidee lautet, dass die Schüler sich ihr Wissen selbst aneignen. Einen starren Stundenplan gibt es nicht mehr, jeder entscheidet selbst, welchen Stoff er gerade lernen möchte. Wer in Mathematik weiterkommen will, geht ins „Mathematik-Lernbüro“. Dort stehen den Schülern PC-Arbeitsplätze und ein Mathematiklehrer zur Verfügung. Eine Sitzgruppe lädt ein, zu lesen und sich mit anderen auszutauschen. Den Stoff erarbeitet man eigenständig am Computer, wenn Fragen auftauchen, hilft der Lehrer. Damit ändert sich die Rolle des Lehrers ganz wesentlich, er wird zu einem Coach, der Fragen beantwortet. Schularbeiten finden genauso statt wie bisher. Die Lernarbeit bis dahin muss sich jeder selbst einteilen. So üben die Jugendlichen, sich zu organisieren. (…) Ob ein so freies Lernen an einer technischen Schule tatsächlich funktioniert, war anfangs keinesfalls sicher; das sollte die Praxis zeigen. Im Herbst 2016 startete das TGM den Schulversuch mit Anfängern im Ausbildungszweig Informatik (9. Schulstufe). Zwei Klassen begannen mit dem Lernbüro, parallel dazu besuchten zwei weitere Klassen einen herkömmlichen Unterricht. Das ermöglichte einen direkten Vergleich. Im ersten Semester mussten sich die Schüler und die Lehrer (!) –noch an den neuen Stil gewöhnen. Im zweiten Semester spielten sich die Abläufe langsam ein. Ausgerechnet in Mathematik, einem harten Fach, überholte das Lernbüro den Frontalunterricht sogar. Im Durchschnitt waren die Jahresendnoten in beiden Formen ähnlich. Im Lernbüro fielen allerdings weniger Wiederholungsprüfungen an.“

    Übrigens: Auch ein Hochbeet kann ein guter Lernort sein!

    Literatur & Quellen

    Reuel, Günter (1994).  Die Entbehrlichkeit von Medien in der Arbeitslehre. Arbeit und Technik in der Schule, Heft 5.
    Wascher, Uwe (1984). Das Schülerbüro als Lernort der Arbeitslehre, Begründung und Planung. Bad Heilbrunn.


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