Tiger Parenting bezeichnet in der Psychologie und Erziehungswissenschaft einen sehr leistungsorientierten, autoritär strukturierten und von hohen Erwartungen geprägten Erziehungsstil, der insbesondere durch die Publikationen der US-amerikanischen Juristin Amy Chua international bekannt wurde. Im Kern beruht Tiger Parenting auf der Annahme, dass Kinder durch strenge Disziplin, intensive Kontrolle und konsequente Leistungsanforderungen zu außergewöhnlichen Erfolgen geführt werden können. Eltern, die diesem Stil folgen, setzen auf harte Arbeit, strukturiertes Training und wenig Toleranz gegenüber durchschnittlichen Leistungen. Emotionale Wärme tritt häufig hinter ambitionierten Zielen zurück, wobei die Eltern überzeugt sind, ihren Kindern damit langfristig Vorteile zu verschaffen.
Typische Merkmale dieses Erziehungsstils sind stark regulierte Freizeitaktivitäten, obligatorisches Üben von schulischen oder musikalischen Fertigkeiten, das Einfordern gehorsamen Verhaltens sowie die enge Überwachung schulischer Leistungen. Beispiele umfassen Kinder, die verpflichtend mehrere Stunden täglich ein Instrument üben müssen, oder solche, denen nur dann Freizeit mit Freundinnen und Freunden gestattet wird, wenn sie zuvor bestmögliche Noten erreicht haben.
Die Forschung zeigt ein ambivalentes Bild: Während einige Studien darauf hinweisen, dass strenge, strukturierte Erziehung kurzfristig zu hoher akademischer Leistung beitragen kann, weisen andere auf erhöhte Risiken für psychischen Stress, emotionale Erschöpfung, Perfektionismus, Angststörungen und ein fragiles Selbstwertgefühl hin. Insbesondere wenn der Stil wenig Wärme und Unterstützung beinhaltet, kann er zu inneren Konflikten, Rebellion oder langfristigen Beziehungsproblemen zwischen Eltern und Kindern führen. Innerhalb kultureller Kontexte, in denen hohe akademische Leistung stark normiert ist, wird Tiger Parenting teilweise als Ausdruck elterlicher Fürsorge interpretiert. Dennoch betonen psychologische Modelle der Eltern-Kind-Interaktion, dass nachhaltige positive Entwicklungen am ehesten durch eine Balance aus Anforderungen, Unterstützung, Autonomiegewährung und emotionaler Responsivität entstehen. Insgesamt gilt Tiger Parenting daher als umstrittenes Erziehungsmodell, das sowohl potenzielle Leistungssteigerungen als auch psychische Belastungen begünstigen kann und dessen Effektivität stark von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung sowie individuellen Merkmalen des Kindes abhängt.
Hinweis: Bei diesem Phänomen bzw. Begriff handelt es sich um ein eher populärwissenschaftliches Konstrukt, das in Diskussionen, Lifestyle-Magazinen oder in der Ratgeberliteratur herumgeistert, also noch um keinen genuin wissenschaftlich-psychologischen Fachbegriff. Solche Begriffe werden aber dann hier aufgenommen, wenn sie Beziehungen zu klassischen psychologischen Phänomenen aufweisen bzw. eine gewisse Verbreitung gefunden haben.
Literatur
Chua, A. (2011). Battle Hymn of the Tiger Mother. Penguin Press.
Liu, Y., & Rollock, D. (2015). Tiger Mother parenting and academic achievement: Outcomes moderated by adolescent temperament. Journal of Adolescence, 42, 49–59.
Nguyen, J., & Benet-Martínez, V. (2013). Biculturalism and adjustment: A meta-analysis. Journal of Cross-Cultural Psychology, 44(1), 122–159.
Qin, D. B., Chang, T.-F., Han, E. J., & Chee, G. (2012). Tiger parents or sheep parents? Asian American Journal of Psychology, 3(3), 181–190.