Der Begriff parasozial bezeichnet in der Psychologie eine besondere Form einseitiger sozialer Beziehung, bei der Individuen eine gefühlt persönliche Interaktion oder Bindung zu Medienfiguren – etwa Schauspielerinnen, Influencern, Streamern oder fiktiven Figuren – aufbauen, ohne dass diese Beziehung real gegenseitig ist. Parasoziale Beziehungen entstehen typischerweise, wenn Rezipierende durch wiederholten Medienkontakt das Gefühl entwickeln, die beobachtete Person zu kennen, ihre Persönlichkeit einschätzen zu können oder eine Art Freundschaft zu ihr zu pflegen. Diese Bindungen ähneln in subjektiver Intensität teilweise echten sozialen Beziehungen, es fehlt jedoch vollständig an wechselseitiger Kommunikation.
In der Forschung wird zwischen parasozialer Interaktion (während des Medienkonsums, wenn Zuschauende etwa auf einen TV-Moderator reagieren, als spräche er direkt mit ihnen) und parasozialen Beziehungen (dauerhafte, über den Moment hinaus bestehende Bindung) unterschieden. Parasoziale Prozesse können positive Funktionen erfüllen, etwa indem sie Zugehörigkeit, soziale Unterstützung oder Orientierung bieten. Besonders in der Adoleszenz dienen prominente Vorbilder häufig der Identitätsentwicklung. Gleichzeitig können parasoziale Bindungen problematisch werden, wenn sie reale soziale Kontakte ersetzen, zu unrealistischen Erwartungen an Beziehungen führen oder obsessiven Charakter annehmen. Beispiele finden sich in unterschiedlichen Medienkontexten: Fans einer erfolgreichen Streamerin können den Eindruck entwickeln, sie „persönlich“ zu kennen, weil sie in regelmäßigen Livestreams alltägliche Details teilt; Kinder sprechen mit Figuren aus Animationsserien, als seien es reale Freundinnen; oder Zuschauer empfinden eine enge Bindung zu einer Serienfigur, deren Tod sie emotional stark belastet.
2025 war parasozial word of the year des The Cambridge Dictionary, das vor allem dank der Popkultur präsent ist. Parasozial nennt man nach diesem Lexikon eine Verbindung, die jemand zwischen sich selbst und einer ihm unbekannten berühmten Person, einer Figur aus einem Buch, Film, einer Fernsehserie usw. oder einer künstlichen Intelligenz empfindet. Im Duden gibt es das Wort parasozial übrigens als alleinstehenden Eintrag noch nicht, sondern nur in Verbindung mit Interaktionen oder Beziehungen.
Die psychologische Forschung betrachtet parasoziale Beziehungen als normale und weit verbreitete Reaktion auf die medial vermittelte Darstellung von Menschen, deren Kommunikationsstil, Wiedererkennbarkeit und scheinbare Nähe diese Illusion der Gegenseitigkeit begünstigen.
Literatur
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Hartmann, T. (2017). Parasocial interaction, parasocial relationships, and well-being. In L. Reinecke & M. B. Oliver (Eds.), The Routledge handbook of media use and well-being (pp. 131–144). Routledge.